„Einen Monat Vollgas geben“
Radprofi Kevin Geniets möchte mit einem Paukenschlag in die Saison 2024 starten. Sein Rennprogramm wurde dementsprechend angepasst
Auf Kevin Geniets dürfen sich die Luxemburger Radsportfans in den kommenden Monaten freuen. Der 27-Jährige der Mannschaft Groupama-FDJ präsentiert sich jetzt schon in blendender Verfassung und ist hoch motiviert. Morgen steigt er in Frankreich in die Saison ein. Das Ziel ist klar: Sofort mit Topresultaten für Furore sorgen. Er soll und muss Verantwortung übernehmen. Die Klassiker in Flandern bestreitet er in diesem Jahr nicht. Geniets zieht es stattdessen in die Ardennen. Die Tour de France wird er im Normalfall ebenfalls in Angriff nehmen.
Kevin Geniets, wie ist es Ihnen in den vergangenen drei Monaten ergangen?
Nach meinem letzten Rennen (ParisTours am 8. Oktober 2023, Anm. d. Red.) pausierte ich fünf Wochen lang. Im Dezember waren wir mit dem Team für ein zweiwöchiges Trainingslager im spanischen Calpe. Das war eher gemütlich. Jetzt im Januar war ich zweieinhalb Wochen auf Teneriffa. Alles verlief perfekt. Ich habe unzählige Kilometer abgespult und saß viele Stunden im Sattel. Ich bin bereit für die ersten Einsätze.
Wie groß ist die Vorfreude?
Die ist deutlich spürbar. Für mich ist die Situation in diesem Jahr eine andere. Es gibt zwei Neuerungen: Mein Rennkalender wurde angepasst und meine teaminterne Rolle hat sich verändert. Das soll zumindest in den ersten Wochen der Saison der Fall sein.
Sie werden also vermehrt Verantwortung übernehmen und die eigenen Interessen in den Fokus stellen?
Ja. Wir waren uns alle im Team schnell einig. Es war sozusagen ein Wunsch, der von beiden Seiten ausging. Ich bin in den vergangenen Jahren fast nur World-TourRennen gefahren. Bei diesen eine Kapitänsrolle einzunehmen, ist sehr schwierig. Nun ändert sich unsere Herangehensweise. Wenn ich fit bleibe, werde ich in den ersten Wochen der Saison bei mehreren Rennen der Leader sein. Ich hoffe, dass ich in den entscheidenden Phasen den Instinkt eines Gewinners haben werde. Ich will zeigen, dass ich das kann und werde einen Monat Vollgas geben.
Die höhere Erwartungshaltung setzt Sie nicht zusätzlich unter Druck?
Eine gewisse Anspannung ist vorhanden und das ist gut so. Ich bin richtig motiviert. Ich habe hart trainiert, um mich gleich zum Auftakt der Saison in sehr guter körperlicher Verfassung zu präsentieren. Die Tatsache, dass ich als Kapitän eingesetzt werde, hat zusätzliche Körner freigesetzt. Diese paar Prozent können in der Endabrechnung den Unterschied machen.
Los geht es am Sonntag beim GP La Marseillaise. Sie starten früher als gewohnt ins Jahr. Hat das einen spezifischen Grund?
In den vergangenen Jahren konnte ich oft Ende März, Anfang April nicht mein ganzes Können abrufen. Ich leide an einer Pollenallergie. Dieses Problem hat mir schon so manches Rennen verkorkst, bei dem ich in Form war und Ambitionen hatte. So war es beispielsweise im vergangenen Jahr bei der Tour des Flandres. Es ist unglaublich ernüchternd, wenn man weiß, dass eigentlich alles passt, man aber wegen der Allergie nicht das Maximum abrufen kann. Es ist in dieser Perspektive wenig sinnvoll, alles auf Wettkämpfe auszurichten, bei denen die Gefahr besteht, dass man chancenlos sein wird.
Deswegen der neue Plan: Ich starte zwei Wochen früher und bestreite zunächst nur kleinere Rennen in Frankreich. Nach dem GP La Marseillaise folgt die Etoile de Bessèges, die Classic Var, die
Tour des Alpes-Maritimes, die Ardèche Classic und die Drôme Classic. Bei diesen Rennen soll meine Stunde schlagen. Anschließend geht es zu Paris-Nice, ebenfalls ein Wettkampf, der mir in der Vergangenheit gelegen hat. Dann folgt der Klassiker Mailand-Sanremo. Passt die Form dann noch, werde ich dort ebenfalls die eigene Karte ausspielen können.
Ich leide an einer Pollenallergie. Dieses Problem hat mir schon so manches Rennen verkorkst, bei dem ich in Form war und Ambitionen hatte.
Die kommenden sechs Wochen haben es demnach aus Ihrer Sicht in sich. Wie geht es anschließend für Sie weiter?
Ich werde es kurz gemütlicher angehen lassen. Auf die Flandern-Klassiker verzichte ich. Ich mag die Rennen zwar und werde in Zukunft wohl dorthin zurückkehren. Aber nun ist der richtige Zeitpunkt für eine Umstellung gekommen. Mir gefällt das. Es sorgt für neue Reize und Impulse.
Wird man Sie bei den Ardennen-Klassikern sehen?
Definitiv. Dort möchte ich wieder voll angreifen. Als Vorbereitung bestreite ich erstmals die Baskenland-Rundfahrt. Nach den drei Rennen in den Ardennen folgt eine längere Pause, bevor die Vorbereitung Richtung Tour de France beginnt. Wir werden einen längeren Lehrgang einlegen und das Critérium du Dauphiné in Angriff nehmen.
Im Sommer wird man Sie demnach bei der Frankreich-Rundfahrt sehen?
Ich gehöre zumindest zur Vorauswahl. Ich werde mich gezielt vorbereiten, dann wird man zu gegebenem Zeitpunkt sehen, wie es formtechnisch aussieht.
In Ihrem Team gibt es ein paar Veränderungen. Thibaut Pinot und Arnaud Démare sind nicht mehr da. Welchen Eindruck haben Sie von der Mannschaft?
Einen sehr guten. Auf Teneriffa waren neben mir David Gaudu, Stefan Küng, Valentin Madouas, Lenny Martinez und Romain Grégoire. Die Stimmung war gut.
Das war wichtig. Ansonsten können solche Lehrgänge in der Höhe schon mal lang werden. Am Fuße des Vulkans Teide gibt es im Nationalpark nur ein Hotel. Es ist fast ausschließlich von Radteams belegt. Die Abgeschiedenheit schärft aber auch die Sinne fürs Wesentliche: das Training. Davon habe ich jetzt genug. Die ersten Rennen können kommen.