„Es geht nicht um Emotionen, sondern um Fakten“
Bei der Zusammensetzung der neuen COSL-Kader gibt es Aufsteiger, aber auch einige Härtefälle. Olympia spielt für den Technischen Direktor Raymond Conzemius eine große Rolle
„Wir putzen uns jedes Mal den Schweiß von der Stirn, wenn wir an dieser Stelle angekommen sind“, verrät Vizepräsidentin Marie-Paule Hoffmann bei der Vorstellung der neuen COSL-Kader. „Insgesamt haben wir mehr als 30 Sitzungen hinter uns. Und wenn da zwischendurch ein wichtiger Akteur ausfällt, dann kann der ganze Prozess ins Stocken geraten.“Gestern erläuterten die Verantwortlichen bei der Pressekonferenz in den Räumlichkeiten der Banque internationale à Luxembourg, welche Sportlerinnen und Sportler ihren Status behalten, welche aufsteigen und welche die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen konnten.
So gibt es mit Radprofi Michel Ries, Motorradfahrer Chris Leesch, der DavisCup-Mannschaft (Tennis) sowie den Tischtennis-Paarungen im Frauen-Doppel und Mixed fünf neue Akteure im Elitekader. Im Promotionskader tauchen sogar zehn neue Gesichter auf. Dabei hatte das Nationale Olympische Komitee den Vorgang, mit dem die Zusammensetzung der Kader Jahr für Jahr durchgeführt wird, bereits bei der vorherigen Revision verändert.
Im September hatten die Verbände die Möglichkeit, Dossiers ihrer Athleten einzureichen, die für die verschiedenen Kader infrage kommen. Darin enthalten waren nicht nur die Resultate des Jahres 2023, sondern beispielsweise auch eine Entwicklungskurve, anstehende Projekte, Budgets oder Analysen. „Das war eine positive Erfahrung und hat uns enorm geholfen“, erläutert Hoffmann, die das Technische Büro des COSL leitet.
Ebenfalls neu: Im November gab es einzelne Treffen mit Verbandsvertretern. Dort wurde über die Athleten, ihre Resultate und die Dossiers diskutiert. Den Föderationen gegenüber saßen dann nicht nur Raymond Conzemius oder Laurent Carnol als Vertreter der Technischen Direktion des COSL, sondern auch ein Experte, der die betreffende Sportart in der Sportkommission betreut. Die fertigen Dossiers gingen schließlich in die Hände der beiden Kommissionen über, in denen die Sportarten aufgeteilt sind.
Verschärfte Kriterien
Die Kriterien, nach denen über die Kaderzugehörigkeit entschieden wird, sind vielfältig. Dabei sind die Bestimmungen für den Elitekader weitaus strenger. Bei den qualitativen Kriterien geht es um Leistungen, die im definierten Zeitraum erbracht werden müssen. Gleichzeitig müssen die Athleten eine ausreichende Anzahl an Einsätzen auf hohem Niveau, sogenannte HLISC-Wettkämpfe (High Level International Sports Competition), absolviert haben. Im Promotionskader gelten hingegen keine präzisen Kriterien. „Da begleiten wir die Entwicklung von Athleten mit Potenzial über maximal sechs Jahre“, erläutert Hoffmann.
Die von den Sportkommissionen geprüften und bearbeiteten sowie vom technischen Büro finalisierten Dossiers wurden anschließend dem Verwaltungsrat vorgelegt, der die endgültigen Entscheidungen traf. Erst nach der gestrigen Verkündung wurden die Athleten informiert. „Grundsätzlich haben wir bei den Kriterien für die Elitekader wenig Spielraum“, erläutert Conzemius. „Wenn ein Athlet eine plausible Erklärung hat, warum er die Anforderungen nicht erfüllen konnte, beispielsweise eine Verletzung, dann kann es eine Ausnahme geben.“So behält etwa der 2023 von Knieproblemen, Corona sowie einem Unfall mit einem Auto geplagte Radsportler Luc Wirtgen seinen Status als Elitesportler.
In den letzten Jahren wurden zudem zahlreiche Kriterien für verschiedene Sportarten – beispielsweise in der Leichtathletik und im Schwimmen – angehoben, um dem gestiegenen internationalen Anspruch gerecht zu werden, und eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den Sportarten zu schaffen. „Wir bedienen uns bei verschiedenen Daten auf internationalem Niveau“, erläutert Con
: Grundsätzlich haben wir bei den Kriterien für die Elitekader wenig Spielraum. Raymond Conzemius
zemius. „Das kann die Weltrangliste sein, aber auch Zeiten, Weiten oder Siege und Niederlagen gegen bestimmte Gegner. Dabei kommt es immer darauf an, wie wertig ein Wettkampf ist.“
So kam es auch in diesem Jahr zu Härtefällen: Athleten wie Dylan Pereira (Autosport), Charline Mathias (Leichtathletik), Eric Glod (Tischtennis), Claudio Nunes dos Santos (Judo) oder Pit Brandenburger (Schwimmen) verloren ihren Status als Elitesportler. Auf Unterstützung müssen sie dennoch nicht verzichten, wie Conzemius betont. Denn unabhängig von der Kaderstruktur ordnet das COSL manchen Athleten – je nach Zielsetzung – bestimmte Projektförderungen zu. Mathias beispielsweise, die jüngst beim CMCM Indoor Meeting einen neuen Landesrekord über 800 m aufstellte, ist Teil des Olympischen Qualifikationsprojekts. Die weiteren Förderungspakete beziehen sich auf bereits für
Paris qualifizierte Sportler, auf Kandidaten für Los Angeles 2028 sowie nichtolympische Sportarten.
„Das zeigt, dass wir Vertrauen in unsere Sportlerinnen und Sportler haben“, stellt Conzemius klar. „Aber was die Kader betrifft, müssen wir unserer Linie treu bleiben. Dann gibt es auch mal Diskussionen oder den Vorwurf, dass wir die Kriterien absichtlich verschärfen. Aber am Ende geht es nicht um Emotionen, sondern um Fakten.“