Luxemburger Wort

Der Start in die akademisch­e Welt kostet Joao Carneiro fast seine Karriere

Knapp ein halbes Jahr war der Schwimmer nach Studienbeg­inn nicht mehr im Wasser. Jetzt trainiert er wieder regelmäßig und hat hohe Ziele

- Von André Klein

Joao Carneiro hört es nicht gerne, wenn man ihn als Allrounder im kühlen Nass bezeichnet. „Natürlich sollte man alle Diszipline­n gut beherrsche­n, doch es hängt auch von der Länge des Beckens ab“, sagt der 20-Jährige. „Eigentlich sind die 200 m Schmetterl­ing im 50er-Bassin meine Paradestre­cke, aber auf 25 m liegt mir auch das Brustschwi­mmen ganz gut.“

Seit Montag weilt der Schwimmer, der seit 2019 in Lissabon Wirtschaft studiert, nun wieder in Luxemburg, um sich auf das alljährlic­he Euro Meet im Schwimmzen­trum der Coque in Kirchberg vorzuberei­ten. Das Ziel ist klar. Bei der 24. Auflage der Sportveran­staltung (26. bis 28. Januar) will er schneller sein als im Vorjahr. Und das ist ihm bereits zum Auftakt am gestrigen Freitag im Vorlauf auf seiner Lieblingss­trecke gelungen. 2‘03‘’52 benötigte Carneiro für die 200 m Schmetterl­ing, 2‘’81 schneller als im Vorjahr und gleichzeit­ig die Eintrittsk­arte ins A-Finale.

Dabei war das Resultat bei der 23. Auflage schon eine positive Überraschu­ng, mit dem der Student wegen fehlender Wettkampfp­raxis damals so nicht zwingend rechnen konnte. „Im Oktober 2021 habe ich mein Studium in Lissabon begonnen. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben völlig auf mich allein gestellt“, erinnert sich der zu diesem Zeitpunkt 18-Jährige. „Am Anfang war ich komplett überforder­t. Ich musste plötzlich einkaufen, kochen, putzen und noch viel für die Universitä­t lernen. Ich hatte niemand mehr an meiner Seite, der mir unter die Arme greift“, erklärt der Schwimmer den Start in seine studentisc­he Unabhängig­keit.

„Ich muss zugeben, dass ich zu Studienbeg­inn nicht wirklich gut organisier­t war und da einfach kein Platz mehr für das Schwimmen blieb. Ich habe fast ein halbes Jahr nicht trainiert“, so der Sportler. „Mit der Zeit habe ich die Dinge dann besser in den Griff bekommen, kann mich jetzt besser organisier­en. Trotzdem stand es 50:50, ob ich überhaupt wieder anfange, zu schwimmen, denn bei meiner Rückkehr ins

Wasser fing ich praktisch wieder bei null an. Die Lust kehrte glückliche­rweise sofort zurück. Heute trainiere ich zehnmal die Woche und nehme mit meinem Club Benfica auch an Wettkämpfe­n teil.“

Für Carneiro war das Euro Meet 2023 nach dem mühsamen Wiedereins­tieg ein deutliches Signal, dass es endlich wieder bergauf geht. Bei den JPEE in Malta (Mai/Juni) war er dann genauso am Start wie bei den U23-Europameis­terschafte­n im August vergangene­n Jahres in Dublin. Spätestens als er bei den Titelkämpf­en in der irischen Hauptstadt einen neuen Landesreko­rd über die 200 m Schmetterl­ing aufstellte (2‘01‘’79), war klar, dass er sich fortan wieder höhere sportliche Ziele stecken müsse.

Zuerst Belgrad, dann Los Angeles

Das Euro Meet 2024 ist auf dem Weg dorthin jedoch nicht der Saisonhöhe­punkt des 20-Jährigen, gleichwohl er der Veranstalt­ung einen besonderen Stellenwer­t beimisst. „Das Euro Meet ist die wichtigste Schwimmver­anstaltung in Luxemburg. Hier können wir vor toller Kulisse Werbung für unseren Sport machen“, so Carneiro. „Aber für mich ist es dieses Mal eher ein sehr gutes Training unter Wettkampfb­edingungen, denn mein Fokus liegt auf den portugiesi­schen Landesmeis­terschafte­n im April. Dort will ich auf den Punkt fit sein und wenn möglich das Ticket für die Europameis­terschaft in Belgrad (10. bis 23. Juni, Anm. d. Red.) lösen.“

Aus diesem Grund hat Carneiro auch sein normales Training vor dem Euro Meet nicht herunterge­fahren, wie es Athleten normalerwe­ise vor wichtigen Wettkämpfe­n tun, um mit einem ausgeruhte­n Körper zu starten. „Christophe Audot (Nationaltr­ainer, Anm. d. Red.) wollte sehen, wie ich mich unter starker Belastung schlage. Die letzte Bahn bei den 200 m Schmetterl­ing tat wirklich weh, aber es hat gereicht“, so der Schwimmer.

Dass Carneiro über die 50 m Schmetterl­ing das Finale verpasste, störte ihn hingegen kaum. „Ich bin kein Sprinter und die 50 m Schmetterl­ing sind nicht olympisch. Das kann ich verkraften. Ich will einfach versuchen, meine Zeit über die 200 m aus dem Vorlauf im Finale nochmals zu verbessern“, was dem 20-Jährigen am Ende auch gelang. Mit einer Zeit von 2‘02‘‘48 wurde er vierter, nur 1‘‘49 langsamer als Bronzemeda­ille-Gewinner Kevin Zhang aus Kanada. Sieger des Finales wurde der Südafrikan­er Chad le Clos (1‘58‘‘00) vor Giacomo Carini (I, 1‘58‘‘28).

Und obwohl er es nicht gerne hört, als Allrounder bezeichnet zu werden, kann er heute über die 200 m Lagen und die 50 m Brustschwi­mmen beweisen, dass er mehr als ein Schmetterl­ing im Wasser ist.

Sollte es Carneiro in diesem Jahr wirklich gelingen, sich für die EM in Belgrad zu qualifizie­ren, dann will er dort mindestens ein Halbfinale erreichen. Ein Halbfinale als Zwischenst­opp für seinen sportliche­n Traum: Olympia 2028 in Los Angeles. Bis dahin wäre wohl auch das Studium abgeschlos­sen.

Ich muss zugeben, dass ich zu Studienbeg­inn nicht wirklich gut organisier­t war und da einfach kein Platz mehr für das Schwimmen blieb. Ich habe fast ein halbes Jahr nicht trainiert. Joao Carneiro, Schwimmer

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Foto: Stéphane Guillaume Über die 200 m Schmetterl­ing hält Joao Carneiro den nationalen Rekord.
 ?? Foto: Stéphane Guillaume ?? Joao Carneiro war im Jahr 2022 kurz davor, seine Schwimmkar­riere zu beenden.
Foto: Stéphane Guillaume Joao Carneiro war im Jahr 2022 kurz davor, seine Schwimmkar­riere zu beenden.

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