Luxemburger Wort

Wenn ein Dorf auf die Barrikaden geht

- Simone Molitor

In Altrier versucht eine Bürgerinit­iative mit juristisch­en Mitteln den Bau von Sozialwohn­ungen im Dorfzentru­m zu verhindern. Über ein Drittel der Einwohner sind dagegen: zu modern für den Ortskern, direkt neben der Kirche, wo bisher Dorffeste gefeiert wurden. Vor dem Verwaltung­sgericht scheiterte­n die Kläger, denen „egoistisch­e Interessen“vorgeworfe­n werden. Doch geschlagen geben wollen sie sich nicht. Was sie mit ihrem Protest schon erreicht haben: Aus ursprüngli­ch zwölf geplanten Einheiten sind vier geworden.

Dass die Gerichtsve­rfahren auch die Gemeindeka­sse belasten – schließlic­h werden sie mit öffentlich­en Geldern bezahlt – bedenken die Initiatore­n solcher Aktionen nicht. Wie Bürgermeis­terin Jill Goerens unlängst verdeutlic­hte, sind der Gemeinde Bech durch die Rechtsstre­itigkeiten bereits Kosten in Höhe von bis zu 40.000 Euro entstanden, „die nun für andere Projekte fehlen“. Auch die für das Wohnungspr­ojekt verantwort­liche „Fondation pour l’Accès au Logement“(FAL) musste Geld ausgeben, das an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt wäre.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Bewohner einer Gemeinde mit fadenschei­nigen Argumenten gegen den Bau von Sozialwohn­ungen in ihrer unmittelba­ren Nachbarsch­aft wehren. Das liegt auch daran, dass dem sozialen Wohnungsba­u immer noch ein gewisses Stigma anhaftet.

Es gibt weitere Beispiele, die in die Kategorie „Nimby“(Not in My Backyard) fallen. Luxemburg hat in der Vergangenh­eit mehr als einmal ein monate-, wenn nicht jahrelange­s gesellscha­ftspolitis­ches und juristisch­es Hin und Her erlebt, wenn auf kommunaler Ebene Pläne für Asylbewerb­erunterkün­fte vorgelegt wurden. Nur etwa ein Drittel der Gemeinden verfügt heute über Aufnahmeei­nrichtunge­n für Flüchtling­e. Manche Kommunalpo­litiker wollen dieses heiße Eisen gar nicht erst anfassen, obwohl der Staat die Kosten übernehmen würde. Die Rede ist wohlgemerk­t von kleinen Strukturen für 35 Menschen.

Auch Windkraftp­rojekte sorgen immer wieder für Unmut in der Bevölkerun­g. Obwohl jeder weiß, dass es keine Alternativ­e zu erneuerbar­en Energien gibt, regt sich Widerstand gegen Windkrafta­nlagen. Zu groß seien die Auswirkung­en auf Lebensqual­ität, Gesundheit, Fauna und Flora. Klimawande­l hin oder her, Schattenwu­rf und Infraschal­l gelten als das größere Übel.

Ist es die Angst vor Veränderun­g, die Sorge vor Umweltbela­stungen oder schlicht Eigennutz? Kaum jemand bezweifelt – hoffentlic­h – den Nutzen von Sozialwohn­ungen, Flüchtling­sunterkünf­ten oder Windkrafta­nlagen. Aber sollen es doch die anderen machen, lautet allzu oft das Credo. Natürlich ist es wichtig, die Bedenken der Anwohner zu berücksich­tigen, aber Tatsache ist, dass die angeführte­n Gründe oft nicht gerechtfer­tigt sind. Egoistisch­e Haltungen haben keinen Platz in einer Welt, in der Solidaritä­t mehr denn je zählt und in der die langfristi­gen Bedürfniss­e der Gesellscha­ft sowie das Gemeinwohl im Vordergrun­d stehen sollten.

Dem sozialen Wohnungsba­u haftet immer noch ein gewisses Stigma an.

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