Wenn ein Dorf auf die Barrikaden geht
In Altrier versucht eine Bürgerinitiative mit juristischen Mitteln den Bau von Sozialwohnungen im Dorfzentrum zu verhindern. Über ein Drittel der Einwohner sind dagegen: zu modern für den Ortskern, direkt neben der Kirche, wo bisher Dorffeste gefeiert wurden. Vor dem Verwaltungsgericht scheiterten die Kläger, denen „egoistische Interessen“vorgeworfen werden. Doch geschlagen geben wollen sie sich nicht. Was sie mit ihrem Protest schon erreicht haben: Aus ursprünglich zwölf geplanten Einheiten sind vier geworden.
Dass die Gerichtsverfahren auch die Gemeindekasse belasten – schließlich werden sie mit öffentlichen Geldern bezahlt – bedenken die Initiatoren solcher Aktionen nicht. Wie Bürgermeisterin Jill Goerens unlängst verdeutlichte, sind der Gemeinde Bech durch die Rechtsstreitigkeiten bereits Kosten in Höhe von bis zu 40.000 Euro entstanden, „die nun für andere Projekte fehlen“. Auch die für das Wohnungsprojekt verantwortliche „Fondation pour l’Accès au Logement“(FAL) musste Geld ausgeben, das an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt wäre.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Bewohner einer Gemeinde mit fadenscheinigen Argumenten gegen den Bau von Sozialwohnungen in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft wehren. Das liegt auch daran, dass dem sozialen Wohnungsbau immer noch ein gewisses Stigma anhaftet.
Es gibt weitere Beispiele, die in die Kategorie „Nimby“(Not in My Backyard) fallen. Luxemburg hat in der Vergangenheit mehr als einmal ein monate-, wenn nicht jahrelanges gesellschaftspolitisches und juristisches Hin und Her erlebt, wenn auf kommunaler Ebene Pläne für Asylbewerberunterkünfte vorgelegt wurden. Nur etwa ein Drittel der Gemeinden verfügt heute über Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge. Manche Kommunalpolitiker wollen dieses heiße Eisen gar nicht erst anfassen, obwohl der Staat die Kosten übernehmen würde. Die Rede ist wohlgemerkt von kleinen Strukturen für 35 Menschen.
Auch Windkraftprojekte sorgen immer wieder für Unmut in der Bevölkerung. Obwohl jeder weiß, dass es keine Alternative zu erneuerbaren Energien gibt, regt sich Widerstand gegen Windkraftanlagen. Zu groß seien die Auswirkungen auf Lebensqualität, Gesundheit, Fauna und Flora. Klimawandel hin oder her, Schattenwurf und Infraschall gelten als das größere Übel.
Ist es die Angst vor Veränderung, die Sorge vor Umweltbelastungen oder schlicht Eigennutz? Kaum jemand bezweifelt – hoffentlich – den Nutzen von Sozialwohnungen, Flüchtlingsunterkünften oder Windkraftanlagen. Aber sollen es doch die anderen machen, lautet allzu oft das Credo. Natürlich ist es wichtig, die Bedenken der Anwohner zu berücksichtigen, aber Tatsache ist, dass die angeführten Gründe oft nicht gerechtfertigt sind. Egoistische Haltungen haben keinen Platz in einer Welt, in der Solidarität mehr denn je zählt und in der die langfristigen Bedürfnisse der Gesellschaft sowie das Gemeinwohl im Vordergrund stehen sollten.
Dem sozialen Wohnungsbau haftet immer noch ein gewisses Stigma an.