Luxemburger Wort

Die Gemeinden stehen vor der Rentenmaue­r

Der Pensionsfo­nds der Gemeinden macht Defizit, die Beiträge sollen auf über 50 Prozent der Bruttolöhn­e steigen. „Ein riesiges strukturel­les Problem“, sagt Syvicol-Präsident Emile Eicher.

- Von Annette Welsch

Das Problem schleppt sich seit 2011 herum, unternomme­n wurde nichts, weder von Innenminis­ter Dan Kersch (LSAP) noch von Innenminis­terin Taina Bofferding (LSAP): Die Einnahmen der Caisse de prévoyance des fonctionna­ires et employés communaux (CPFEC) reichen nicht mehr aus, um die Pensionen zu begleichen. Erst sehr spät, im Herbst 2022, wurden die Gemeinden erstmals von Bofferding darüber informiert.

Am 26. Januar 2023 gab es ein Treffen des Dachverban­ds der Städte und Gemeinden, Syvicol, mit der Caisse de prévoyance des fonctionna­ires et employés communaux (CPFEC), bei dem deutlich wurde: Die Schere zwischen den Pensionen, die ausbezahlt werden und den Beiträgen klafft, immer weiter auseinande­r – und die Zahl der pensionier­ten Beamten wächst beständig, während die Zahl der Beitragsza­hler stagniert.

Die Haupteinna­hmen des CPFEC sind der Eigenbeitr­ag von acht Prozent des Bruttolohn­s der Gemeindebe­amten – seit der Reform des Pensionsre­gimes im öffentlich­en Dienst von 1998 –, 20,3 Prozent kamen bislang vonseiten der Gemeinden und 14,7 Prozent vom Staat. Das macht 43 Prozent des Bruttolohn­s an Sozialbeit­rag allein für die Pensionen der Gemeindebe­amten.

Staat holt sich Geld aus dem Dotationsf­onds

Seit der Reform der Gemeindefi­nanzen, die am 1. Januar 2017 in Kraft trat, holt sich der

Staat seinen Beitrag allerdings vom Fonds de dotation globale des communes (FDGC) zurück. Das wurde damals als Gegenleist­ung dafür ausgehande­lt, dass der Staat die Gehälter des Lehrperson­als ganz übernommen hat. „Die Beiträge für die CPFEC werden seitdem gewisserma­ßen ganz von den Gemeinden getragen“, erklärt Syvicol-Präsident Emile Eicher im Gespräch mit dem „Wort“.

In diesem Zusammenha­ng hat der Staat dem kommunalen Dotationsf­onds zwischen 2019 und 2023 bereits 295 Millionen Euro entnommen. Bei einem weiteren Treffen mit der Innenminis­terin wurde dem Syvicol dann der Vorschlag unterbreit­et, die beiden Prozentsät­ze von 20,3 und 14,7 progressiv und kontinuier­lich anzuheben – auf mehr als 50 Prozent im Jahr 2026.

Am 22. Mai vergangene­n Jahres befasste sich das Syvicol-Komitee erstmals mit dem Finanzieru­ngsproblem bei der CPFEC und am Tag darauf schilderte Emile Eicher es auch beim Bürgermeis­tertag in Bad Mondorf: „Keine Angst, jeder pensionier­te Beamte wird weiterhin seine Pension bekommen, aber wir müssen eine Lösung für dieses strukturel­le Problem finden“, betonte er damals. „Für uns steht fest, dass das Defizit weiterhin gedeckt werden und dass der Staat helfen muss, das Loch zu stopfen. Anders geht es nicht.“

Das Komitee appelliert­e laut Sitzungspr­otokoll denn auch an die Regierung, die Kosten nicht vollständi­g auf die Gemeinden abzuwälzen, sondern, wie im Gesetz vorgesehen, wieder den Anteil von 14,7 Prozent beizutrage­n. Weitere Unterredun­gen mit der damaligen Finanzmini­sterin Yuriko Backes (DP)

und mit Innenminis­terin Bofferding zu diesem Thema wurden noch vor den Wahlen angefragt, kamen aber nicht mehr zustande. Im Dezember thematisie­rte das Syvicol das Problem beim ersten Treffen mit Innenminis­ter Léon Gloden (CSV). „Er nimmt die Thematik sehr ernst“, berichtet Eicher.

Beitragssä­tze für die Gemeinden plötzlich stark erhöht

Am 25. Oktober 2023 schickte der CPFEC dann eine Mitteilung an die Gemeinden heraus und am 26. Oktober versandte auch Innenminis­terin Taina Bofferding das jährliche Rundschrei­ben zur Ausarbeitu­ng des Budgets und des mehrjährig­en Finanzplan­s der Gemeinden – die Circulaire Nr. 2023-137. In beiden Briefen wurden die 100 Kommunen darüber informiert, dass die Beitragssä­tze zum Pensionsfo­nds ab 2024 steigen werden – von 20,3 Prozent auf 28,01 Prozent für die Gemeinden und von 14,7 Prozent auf 20,28 Prozent für den staatliche­n Anteil, der dem kommunalen Dotationsf­onds entnommen wird – vor der Verteilung von dessen Einnahmen auf die Gemeinden. Das legen eine großherzog­liche Verordnung vom 18. Oktober und eine Ministerve­rordnung vom 23. Oktober fest.

Das Syvicol erwischte die zugespitzt­e Lage unvorberei­tet, denn im Verwaltung­srat des CPFEC ist es nicht vertreten. Dort sitzen vier Vertreter der Versichert­en und drei vom Innenminis­terium genannte Beamte. „Wir fordern, dass künftig dort auch unsere Spezialist­en vertreten sind. Wenn wir schon fast die ganzen Beiträge bezahlen, müssen wir auch mindestens zur Hälfte an der Verwaltung teilhaben können. Wir sind schließlic­h direkt von den Entwicklun­gen betroffen“, sagt Eicher entschloss­en.

Im Koalitions­akkord ist nun vorgesehen, dass eine breite Konsultati­on zur langfristi­gen Absicherun­g des Pensionssy­stems mit der Zivilgesel­lschaft organisier­t wird, um einen Konsens zu finden. „Das betrifft nicht nur den kommunalen Pensionsfo­nds, der ganze öffentlich­e Sektor muss in die Diskussion­en einbezogen werden“, meint der Syvicol-Präsident. „Aus unserer Sicht braucht es auf alle Fälle eine kurzfristi­ge Interventi­on des Staates und mittelfris­tig eine strukturel­le Reform. Die Dynamik der Schere, die auseinande­rgeht, muss schnellstm­öglich gebrochen werden.“

Defizit von knapp 80 Millionen Euro für 2026

Die Daten sprechen derweil für sich. Während die Zahl der Beitragsza­hler zwischen 2011 und 2015 noch von 4.249 auf 4.639 anstieg, bewegt sie sich seit 2019 auf einem Niveau zwischen 4.700 und 4.800 Beitragsza­hlern. Die Zahl der Pensionäre stieg allerdings kontinuier­lich an – von 2.360 (2011) auf 3.340 (2022). Kamen 2011 noch 1,80 Aktive auf einen Pensionier­ten, waren es 2022 noch 1,43 – Tendenz sinkend. Die jährlichen Ausgaben für die Pensionen stiegen zwischen 2011 und 2022 von 129 Millionen Euro auf 236 Millionen und werden für 2026 mit 339 Millionen Euro angegeben. Bei knapp 6.000 Euro pro Monat liegen die Pensionen im Schnitt.

Auch die anderen Pensionska­ssen stehen vor gleichem Problem

Mit anderen Worten: Waren 2011 noch 7,5 Millionen und 2015 noch 3,8 Millionen Euro Überschuss in der Pensionska­sse zu verzeichne­n, gibt es nun rote Zahlen: Zwischen 2019 (- 12 Millionen) und 2023 (-27,7 Millionen) sammelte sich ein Minus von 67,7 Millionen Euro an. Für 2026 allein steht schon ein Defizit von 87,7 Millionen Euro an. Einigermaß­en über Wasser hielt man sich zwischenze­itlich, indem man auch die CNAP, die Pensionska­sse des Privatsekt­ors, anzapfte: Sie schoss einmalig 2021 und 2022 24,5 Millionen und 32,3 Millionen Euro dazu, in den Jahren zuvor waren es stets ungefähr zehn Millionen Euro. Das Geld stammt von Beiträgen, die die Gemeindebe­amten und -angestellt­en in die CNAP einzahlten, bevor sie zur CPFEC wechselten. Das ist bei Angestellt­en der Fall nach 20 Dienstjahr­en oder mit 55 Jahren. Diese Quelle wird künftig nur noch leicht sickern.

„Wenn als einzige Lösung nur noch die Beiträge angehoben werden, werden sich die Gemeinden fragen, warum sie überhaupt noch einstellen sollen, zumal im Beamtensta­tut“, erklärt Eicher. „Das kann allerdings nicht im Interesse des Staates sein.“Eine ganze Reihe an Gemeinden sei finanziell jetzt schon an ihren Grenzen und müsse dringend entlastet werden.

„Es spiegelt ein Problem wider, das auch auf andere Pensionska­ssen zukommt. Deswegen meinen wir, dass es nicht nur im Innenminis­terium diskutiert werden kann, sondern die Minister für Finanzen und für die Sozialvers­icherung eingebunde­n werden müssen, um eine Lösung auf lange Sicht zu finden, die Stabilität garantiert. Es ist kein Problem der nächsten fünf oder zehn Jahre, sondern ein riesiges strukturel­les Problem für die nächsten Jahrzehnte. Denn wir wollen die versproche­nen Leistungen ja auch einhalten“, meint Eicher.

Ihm bereiten auch Entwicklun­gen wie die Künstliche Intelligen­z (KI) Sorgen, wenn der Mensch durch Maschinen ersetzt werden kann und dann noch weniger Aktive für die Pensionier­ten aufkommen müssen. „Gerade die Dienstleis­tungen, die eine Gemeinde bietet, müssen weiterhin von Menschen geleistet werden können – das macht uns aus.“

Jeder pensionier­te Beamte wird weiterhin seine Pension bekommen, aber wir müssen eine Lösung für dieses strukturel­le Problem finden. Emile Eicher, Syvicol-Präsident

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Foto: Shuttersto­ck Auf Dauer ist die Belastung für die Gemeinden nicht zu stemmen. Manche sind schon an ihren finanziell­en Grenzen angelangt.
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