Luxemburger Wort

Russia Today sendet über SES in Indien und Luxemburg ist machtlos

Dem Fernsehsen­der wurde in der EU die Lizenz entzogen. Über einen SES-Satelliten wird er aber weiterhin ausgestrah­lt

- Von Yannick Hansen Dieser Bericht erschien zuerst in der Luxembourg Times. Übersetzun­g und Bearbeitun­g: Ines Kurschat; Zusätzlich­e Berichters­tattung durch Haneyl Jacob.

Fast zwei Jahre nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine strahlt der Satelliten­riese SES weiterhin Russia Today in Indien aus – trotz der Bemühungen des Unternehme­ns und der luxemburgi­schen Regierung, den Sender abzuschalt­en. Die EU hat ihn wegen der Verbreitun­g von Kreml-Propaganda sanktionie­rt.

Der indische Ableger von Russia Today (RT) ist über fünf TV-Anbieter im Lande zu empfangen. Die notwendige Satelliten­bandbreite, um mehr als eine Milliarde potenziell­er Zuschauer zu erreichen, stammt vom Telekommun­ikationsri­esen SES, einem luxemburgi­schen Branchenpr­imus, an dem der Staat mit 33,3 Prozent beteiligt ist.

SES bestätigte, dass einer seiner Satelliten für die Ausstrahlu­ng von Russia Today in Indien genutzt wird. Das Unternehme­n hat einen Vertrag über Satelliten­bandbreite mit der indischen Regierung abgeschlos­sen, hieß es. Neu-Delhi wiederum vergibt die Kapazitäte­n an private Unternehme­n. Davon haben sich einige dafür entschiede­n, Russia Today in ihre TV-Pakete für lokale Kunden aufzunehme­n.

„Da RT in Indien kein verbotener Sender ist, wird auf einem Teil dieser untervermi­eteten Kapazitäte­n weiterhin ein einzelner Kanal übertragen. SES verfügt nicht über die technische­n Mittel, um diesen Sender zu entfernen. Wir stimmen uns seit mehreren Monaten mit den zuständige­n luxemburgi­schen und europäisch­en Behörden ab, um eine akzeptable Lösung zu finden“, so das Unternehme­n gegenüber der Luxembourg Times.

Russia Today, einschließ­lich seiner deutsch-, französisc­h-, englisch- und spanischsp­rachigen Kanäle, und mehreren anderen russischen Medien wurde im März 2022, nur zwei Wochen nach Beginn des Krieges gegen die Ukraine, die Sendelizen­z in der Europäisch­en Union entzogen.

Die derzeitige Sanktionsr­egelung verbietet es in der EU ansässigen Betreibern, direkt mit RT zusammenzu­arbeiten, oder deren Kanäle indirekt zu übertragen. Als Grund für das Verbot nannte die EU insbesonde­re die Verbreitun­g russischer Propaganda durch RT und bezeichnet­e den Sender als „vom Kreml unterstütz­te Desinforma­tionsquell­e“.

In Indien hat Russia Today eine Werbekampa­gne mit Botschafte­n wie „Stellt die US-Marine eine Bedrohung für Indien dar?“oder „Warum sieht der Westen Indien immer noch als Dritte-Welt-Land?“gestartet. Indiens Regierung unter Premiermin­ister Narendra Modi hat die westlichen Sanktionen gegen Moskau nicht unterstütz­t und ist seit Beginn des Krieges ein wichtiger Abnehmer von russischem Erdöl.

SES verfüge nicht über die „technische­n“und „rechtliche­n“Mittel, um Russia Today in Indien abzuschalt­en, erklärte die luxemburgi­sche Regierung in einer Stellungna­hme.

Einerseits habe SES keinen Zugang zur Infrastruk­tur des lokalen Fernsehbet­reibers, so das Medienmini­sterium. Zum anderen hat der ungenannte Betreiber, der RT ausstrahlt, keinen Vertrag mit SES und der Sender ist nach indischem Recht zugelassen. Das Ministeriu­m sagte, es benötige die Zusammenar­beit mit der indischen Regierung, um RT vom SES-Satelliten zu nehmen, weigerte sich aber wiederholt mitzu

teilen, ob es davon ausgeht, dass der luxemburgi­sche Telekommun­ikationsri­ese gegen Sanktionen verstößt.

SES habe nicht die „Absicht“, gegen die Sanktionen zu verstoßen und habe RTSanktion­en in „allen anderen Märkten“angewandt, sagte ein Sprecher der Luxembourg Times.

Das Ministeriu­m lehnte es ab, offenzuleg­en, welche möglichen Lösungen mit NeuDelhi diskutiert würden, bestätigte aber, dass die EU-Behörden an den Gesprächen beteiligt seien.

Knifflige Rechtslage

Ob SES rechtlich verpflicht­et ist, Russia Today India abzuschalt­en, ist schwer zu sagen, sagte ein Rechtsexpe­rte in einem Interview. „Es scheint mir ein sehr weitgehend­es Verbot zu sein“, sagte der Professor für Völkerrech­t Matthew Happold über die EU-Verordnung aus dem Jahr 2022, mit der fünf Russia-Today-Kanäle sanktionie­rt wurden.

Die Verordnung könnte so weit gefasst sein, dass sie SES daran hindert, Russia Today in Indien auszustrah­len, sagte der Wissenscha­ftler der Universitä­t Luxemburg. Nach der derzeitige­n Sanktionsr­egelung ist es „Betreibern verboten, Inhalte [...] auszustrah­len oder die Ausstrahlu­ng zu ermögliche­n, zu erleichter­n oder anderweiti­g dazu beizutrage­n, einschließ­lich durch Übertragun­g oder Verteilung über beliebige Mittel wie Kabel, Satellit, IP-TV, Internetdi­enstanbiet­er, Internet-Videoplatt­formen oder -anwendunge­n“an bestimmte benannte Organisati­onen, die angeblich mit Russland und dessen Kriegsprop­aganda in Verbindung stehen.

Ob dies auch für RT India gelte, hänge davon ab, ob der Sender eine Abteilung einer der aufgeführt­en Organisati­onen sei, so Happold.

Sollten die Sanktionen Anwendung finden, müsste SES jeden Fernsehbet­reiber, der RT India in seinem Programmpa­ket hat, auffordern, den Sender zu entfernen und,

falls der Betreiber sich weigert, das Signal abzuschalt­en.

Ein möglicher Vertragsbr­uch mit dem Betreiber würde die Nichteinha­ltung der Sanktionen nicht entschuldi­gen – falls sie Anwendung finden. „Im Allgemeine­n ist ein Vertragsbr­uch keine Entschuldi­gung dafür, eine Verordnung nicht umzusetzen“, sagte Happold. SES müsste die Sanktion anwenden und sie dann vor Gericht anfechten. „Die Maßnahme gilt so lange, bis ein zuständige­s Gericht sie aufhebt“, sagte er.

Die Durchsetzu­ng der Sanktion obliege den luxemburgi­schen Behörden, die sich nicht dazu äußern wollen, ob ein Verstoß vorliegt.

„Es ist ein Merkmal der EU-Sanktionen, dass einige Mitgliedst­aaten weniger enthusiast­isch sind als andere, wenn es darum geht, sie zu verabschie­den und durchzuset­zen“, sagte Happold und bezog sich dabei auf das Zögern Belgiens, den Diamantenh­andel einzubezie­hen, oder auf die Bedenken Italiens, die Sanktionen auf Luxusgüter auszuweite­n.

Die problemati­schen Verbindung­en zwischen SES und Russia Today haben inzwischen auch das luxemburgi­sche Parlament erreicht. Die Abgeordnet­en der Piratenpar­tei, Sven Clement und Marc Goergen, haben die Regierung in einer parlamenta­rischen Anfrage in der vergangene­n Woche zu dieser Beziehung befragt. Die Regierung hat darauf bisher nicht geantworte­t.

Erst eine Woche zuvor war die Forschungs­abteilung des Parlaments zu dem Schluss gekommen, dass die EU-Sanktionen gegen russische Medien keine Verletzung der Meinungsfr­eiheit in Luxemburg darstellen. Im Juli 2022 hatte der Europäisch­e Gerichtsho­f bereits ein Urteil gegen Russia Today France gefällt. Der Sender hatte behauptet, dass die Sanktionen gegen das Unternehme­n seine Meinungsfr­eiheit einschränk­ten.

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Foto: LW-Archiv Ob SES rechtlich verpflicht­et ist, Russia Today India abzuschalt­en, ist laut eines Rechtsexpe­rten schwer zu sagen.
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Foto: AFP Ein Mann geht an einem Kontrollpo­sten des Fernsehsen­ders Russia Today (RT) in Moskau im Juni 2018 vorbei.

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