Luxemburger Wort

„Einfaches Betteln gibt es auch in Düdelingen“

Betteln scheint in der Südstadt kein großes Thema zu sein. Trotzdem konnte der Bürgermeis­ter Dan Biancalana dieses bis Juli 2023 nach eigenem Ermessen verbieten

- Interview: Mike Stebens

Die Stadt Düdelingen hatte bis Juli vergangene­n Jahres ein Bettelverb­ot in ihrem Polizeireg­lement stehen. Dieses war strenger als jenes, das die Stadt Luxemburg eingeführt hat. Das „Luxemburge­r Wort“hat sich mit Bürgermeis­ter Dan Biancalana (LSAP) unterhalte­n. Dabei ging es über die Situation in seiner Gemeinde bezüglich Obdachlosi­gkeit und Betteln und weshalb zu Letzterem nichts mehr im neuen Polizeireg­lement zu finden ist.

Dan Biancalana, wie viele Obdachlose gibt es in Düdelingen?

Die Sozialdien­ste der Gemeinde sind schon Menschen begegnet, die obdachlos waren, aber das hält sich wirklich in Grenzen. Dabei reden wir nicht von Bettlern. In den vergangene­n Monaten waren es zwei bis drei Personen, die obdachlos waren. Diese trifft man allerdings nicht immer an. Die sind mal hier und mal wieder weg. Permanente Obdachlose, die ständig im Freien sind, haben wir in dem Sinne noch nicht erlebt.

Existieren Auffangstr­ukturen in Düdelingen, ähnlich wie in der Hauptstadt?

Nein, Auffangstr­ukturen haben wir nicht. Es gibt das AbriSud in Esch. Unsere Dienste haben natürlich Kontakt mit diesen Strukturen. Unsere Sozialarbe­iter nehmen etwa Kontakt auf mit der „Stëmm vun der Strooss“. Es gibt die Diskussion, diese Menschen auf Ettelbrück, die Stadt Luxemburg und Esch aufzuteile­n.

Existiert das Phänomen des Bettelns in Düdelingen?

Ja. Natürlich nicht in demselben Ausmaß wie in der Hauptstadt. Einfaches Betteln gibt es aber auch in Düdelingen an den klassische­n Stellen, also vor dem Supermarkt, der Apotheke oder der Kirche. Dort sieht man vereinzelt Menschen.

Beim Supermarkt an der Place Jean Fohrmann waren vorhin zwei Bettler. Hat die Gemeinde den Kontakt zu ihnen gesucht?

Ja, es wurde vor einiger Zeit Kontakt aufgenomme­n. Es sind immer dieselben, die man dort antrifft. Unsere Sozialdien­ste haben sie nach ihrer Situation gefragt. Es handelt sich dabei um einfaches Betteln.

Die beiden stören also niemanden?

Nein. Ich kenne sie auch, ich bin viel zu Fuß in Düdelingen unterwegs und kaufe in vielen verschiede­nen Supermärkt­en ein. Ich sehe immer dieselben Gesichter. Sie sitzen da, grüßen und fragen auch nach Geld. Meiner Erfahrung nach sind sie aber nicht beharrlich. Das hängt aber auch von der eigenen Wahrnehmun­g ab. Ob ich entscheide, jemandem etwas zu geben, ist meine Wahl, und es ist seine Freiheit dort zu sitzen und zu betteln. Es gibt Menschen, die stört das, andere stört das nicht.

Es gab keine Beschwerde­n von Bürgern, die sich daran störten, wie man das aus der Diskussion in der Hauptstadt kennt?

Im Herbst 2022 hatten wir mehr Bettler hier in Düdelingen, jetzt hat sich das wieder beruhigt. Damals hatten wir auch Situatione­n, in denen Bürger uns als Gemeinde kontaktier­t haben, respektive auch die Polizei. Damals gab es den ein oder anderen, der Menschen nachgegang­en ist, sie angefasst und nach Geld gefragt hat. Das ist natürlich nicht zu tolerieren. Einfaches Betteln ist das eine, wenn aber eine gewisse Aggression da ist, darf man sich das nicht gefallen lassen. Dann muss die Polizei eingeschal­tet werden. Das haben vereinzelt­e Personen getan und die Polizei hat dementspre­chend eingegriff­en. Das ist aber nicht permanent an der Tagesordnu­ng. Es gibt auch die Menschen, die einfach nur mit dem Becher da sitzen, betteln und hoffen, dass sie etwas bekommen. Das ist dann das klassische, einfache Betteln.

Die Situation hatte sich 2022 also schnell gebessert?

Sie hat sich einerseits gebessert, weil wir, nachdem Bürger uns kontaktier­t hatten, uns mit der Polizei, dem Geschäftsv­erband und unseren Sozialdien­sten zusammenge­setzt hatten, um die Sache gezielt anzugehen. Wir hatten einen

Informatio­nsstand auf dem Marktplatz, mit dem die Polizei darüber informiert­e, was das einfache Betteln ausmacht, und dass das legal ist. Wir haben die Bürger informiert und sensibilis­iert. Wenn Menschen sich nicht an die Regeln gehalten haben, redeten die Polizei und die Sozialdien­ste mit ihnen. Die Polizei hat dann auch protokolli­ert. Dann waren aber andere Dinge dahinter als einfaches Betteln.

In Düdelingen hat man das Problem des aggressive­n Bettelns also gelöst bekommen, ohne ein Gesetz, wie es die Stadt Luxemburg jetzt hat?

Im Herbst 2022 gab es noch das alte Polizeireg­lement. Das haben wir im Juli vergangene­n Jahres geändert. Jetzt steht dort nichts mehr über das Betteln drin. Im Polizeireg­lement von 2010 hatte der Bürgermeis­ter die Möglichkei­t, auf dem Stadtgebie­t das Betteln territoria­l und punktuell einzuschrä­nken. Zu dieser Zeit mussten Polizeireg­lemente nicht vom Innenminis­terium angenommen werden. In der Stadt Luxemburg ist es der Gemeindera­t, der entscheide­t, welche Straßen und welche Uhrzeiten gelten. In unserem ehemaligen Reglement hatte der Bürgermeis­ter eine Vollmacht. Ich habe diesen Artikel nie angewendet, auch nicht im Herbst 2022, als es eine Verstärkun­g der Bettelei gab. Ich fand, dass der Ermessenss­pielraum einfach zu groß war. Die Exekutive hätte über die Einschränk­ung einer Freiheit entschiede­n.

Wann entstand die Idee, diesen Paragrafen aus dem Polizeireg­lement zu entfernen? War das vor dem Beginn der Diskussion­en in der Hauptstadt Anfang des Jahres?

Das geschah parallel zu den ganzen Diskussion­en, die es in der Stadt Luxemburg gab, jenen um die neue Verfassung und rund um das Lacatus-Urteil. Es war eine komplette Überarbeit­ung des Polizeireg­lements. Das war auch zu dem Zeitpunkt, als das Gesetz zur Kompetenze­rweiterung der „Pecherten“durch die Chamber ging.

Wieso hat die Stadt Düdelingen 2010 diesen Paragrafen zum Betteln ins Polizeireg­lement geschriebe­n?

Das war zu dieser Zeit nicht akut, ähnliche Bestimmung­en standen bereits im vorigen Polizeireg­lement.

Ein Bettelverb­ot stand also auch bereits vor 2010 im Polizeireg­lement?

Im vorigen Polizeireg­lement stand auch bereits etwas zum Betteln drin. Andere Gemeinden hatten dies auch. Damals gab es in Düdelingen noch keine Bettler, höchstens vielleicht mal einen. Zu dem Zeitpunkt war das keine Diskussion.

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 ?? Foto: Anouk Antony/LW-Archiv ?? Die Stadt Düdelingen hatte im Herbst 2022 ein Problem mit aggressive­m Betteln, sagt Bürgermeis­ter Dan Biancalana (LSAP).
Foto: Anouk Antony/LW-Archiv Die Stadt Düdelingen hatte im Herbst 2022 ein Problem mit aggressive­m Betteln, sagt Bürgermeis­ter Dan Biancalana (LSAP).
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Foto: Sibila Lind/LW-Archiv Die Stadt Düdelingen hatte im Herbst 2022 ein Problem mit aggressive­m Betteln, sagt Bürgermeis­ter Dan Biancalana (LSAP).

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