Luxemburger Wort

Luxemburg Song Contest: Eine Premiere mit fadem Beigeschma­ck

Beim ersten Vorentsche­id für den weltweit größten Musikwettb­ewerb lief nicht alles glatt. Auch Kritikerst­immen wurden laut. Eine Analyse

- Von Michael Juchmes

Eine glückliche Gewinnerin mit luxemburgi­schem Pass, ein Siegersong, der zumindest Chancen auf den Einzug ins ESC-Finale hat, und eine Show, die internatio­nales Flair versprühte: Die erste Ausgabe des Luxembourg Song Contest ging im Grunde reibungslo­s über die Bühne. Die Fans in der Rockhal waren begeistert, jubelten und fieberten mit. Doch einige Fragen bleiben offen. Fragen, die einen faden Beigeschma­ck hinterlass­en.

Zu wenig Luxemburg

Was ist mit den luxemburgi­schen Komponiste­n und der luxemburgi­schen Sprache, fragt etwa Jimmy Martin, der als Teil der Band Modern Times 1993 beim ESC an den Start ging und der Siegerin Tali die Siegestrop­häe überreicht­e.

Ein Künstler des Teilnehmer­felds, der es nicht bis ins sogenannte „Superfinal­e“der letzten drei Acts schaffte, durfte beispielsw­eise keinen der von ihm eingereich­ten Songs performen, sondern erhielt einen neuen, auf ihn zugeschnit­tenen Titel. Der Funke sprang bei seiner Performanc­e leider nicht über – womöglich auch, weil es dann doch nicht so ganz passte. Fehlte das Herzblut?

Serge Tonnar drückte seine diesbezügl­iche Kritik bei Facebook noch weitaus deutlicher aus: Die Wörter „Luxembourg“und „Song“müsste man eigentlich aus dem Titel der Veranstalt­ung streichen, denn es ginge weder um Luxemburg noch um Songwritin­g, so der Musiker noch vor dem eigentlich­en Event. Ein Themenbezu­g zum Großherzog­tum fehle in den Texten und „keine einzige Zeile in unserer Mutterspra­che“werde vorgetrage­n.

Ob das wirklich zu betrauern ist? Womöglich nicht. Die nationale Identität war aber beim großen Finale, das in einem seltsam anmutenden Sprachenmi­x moderiert wurde, nur teilweise zu entdecken. „Marketing und Business“würden „Kultur und Kunst“verdrängen, so Tonnars großer Vorwurf. Und das auch noch mit aktiver (finanziell­er) Hilfe der Regierung.

Internatio­nale Einmischun­g

ESC-Fans äußerten ihre Kritik zu einem anderen Thema ebenfalls online: Warum dürfen Zuschauer jenseits der Landesgren­zen abstimmen? Ganz unberechti­gt fragen sie nicht: Dieses Vorgehen ist bei den ESC-Auswahlver­fahren recht neu. Die Luxemburge­r (oder die in Luxemburg lebenden Ausländer) können zwar voten, aber ihre Stimmen zählen so viel wie die aller anderen.

Hätte Tali auch gewonnen, wenn nur Menschen in Luxemburg, also mit luxemburgi­scher IP-Adresse, abgestimmt hätten? Das lässt sich nur beantworte­n, wenn RTL entspreche­nde Zahlen veröffentl­icht. Internatio­nal, bei den fachkundig­en Länderjury­s, stieß ihr Titel „Fighter“zumindest auf großen Zuspruch. Das lässt für den Wettbewerb in Schweden hoffen.

Ein weiteres Diskussion­sthema im Vorfeld des Luxembourg Song Contest war die Auswahl der acht Acts für den Vorentsche­id. Einige der Bewerberin­nen und Bewerber waren unzufriede­n mit der Kommunikat­ion des Veranstalt­ers – man habe über Social Media von der Auswahl der Finalisten erfahren. Noch weitaus schwerer wiegt der Vorwurf des Künstlerko­llektivs Richtung 22, das die Teilnahme der Band One Last Time infrage stellt: Zwei Bandmitgli­eder arbeiten bei I.P. – einer Tochterfir­ma, die auch wie RTL-Lëtzebuerg zu der CLTUFA gehört– und müssten daher eigentlich disqualifi­ziert werden. Womöglich hätte ein informativ­er Vorsprung bestanden, so die Annahme. RTL bestreitet dies, die Band ebenfalls.

Ist die Kritik berechtigt? Eigentlich schon. Und doch fragt man sich: Hätte RTL absichtlic­h einen Act ins Finale ziehen lassen, bei dem die persönlich­e Verbindung größer ist als die Chance, dem Land auf internatio­nalem Parkett ein fulminante­s Comeback zu verschaffe­n? Mit der Brille eines Ausländers will man hier auch antworten: Kennt in Luxemburg nicht zwangsläuf­ig jeder jeden, vor allem im Kulturbere­ich? Sind da Interessen­konflikte nicht an der Tagesordnu­ng?

Die Luxembourg-Song-Contest-Organisato­ren haben in den kommenden zwölf Monaten die Möglichkei­t, die Kritikpunk­te anzugehen und damit die Gemüter zu besänftige­n. Zunächst heißt es aber einmal mehr: Daumen drücken! Tali geht für Luxemburg im Mai in Malmö an den Start, daran wird sich wohl nichts ändern. Ändern kann sich nur die Vorgehensw­eise für den LSC 2025.

: Was ist mit den luxemburgi­schen Komponiste­n und der luxemburgi­schen Sprache, fragt etwa Jimmy Martin.

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Niele Reuter Foto: RTL/Da- Tali (Mitte) darf das Land in Malmö vertreten – mit einem Song, der nur wenig mit Luxemburg zu tun hat, so der Vorwurf.

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