Luxemburg Song Contest: Eine Premiere mit fadem Beigeschmack
Beim ersten Vorentscheid für den weltweit größten Musikwettbewerb lief nicht alles glatt. Auch Kritikerstimmen wurden laut. Eine Analyse
Eine glückliche Gewinnerin mit luxemburgischem Pass, ein Siegersong, der zumindest Chancen auf den Einzug ins ESC-Finale hat, und eine Show, die internationales Flair versprühte: Die erste Ausgabe des Luxembourg Song Contest ging im Grunde reibungslos über die Bühne. Die Fans in der Rockhal waren begeistert, jubelten und fieberten mit. Doch einige Fragen bleiben offen. Fragen, die einen faden Beigeschmack hinterlassen.
Zu wenig Luxemburg
Was ist mit den luxemburgischen Komponisten und der luxemburgischen Sprache, fragt etwa Jimmy Martin, der als Teil der Band Modern Times 1993 beim ESC an den Start ging und der Siegerin Tali die Siegestrophäe überreichte.
Ein Künstler des Teilnehmerfelds, der es nicht bis ins sogenannte „Superfinale“der letzten drei Acts schaffte, durfte beispielsweise keinen der von ihm eingereichten Songs performen, sondern erhielt einen neuen, auf ihn zugeschnittenen Titel. Der Funke sprang bei seiner Performance leider nicht über – womöglich auch, weil es dann doch nicht so ganz passte. Fehlte das Herzblut?
Serge Tonnar drückte seine diesbezügliche Kritik bei Facebook noch weitaus deutlicher aus: Die Wörter „Luxembourg“und „Song“müsste man eigentlich aus dem Titel der Veranstaltung streichen, denn es ginge weder um Luxemburg noch um Songwriting, so der Musiker noch vor dem eigentlichen Event. Ein Themenbezug zum Großherzogtum fehle in den Texten und „keine einzige Zeile in unserer Muttersprache“werde vorgetragen.
Ob das wirklich zu betrauern ist? Womöglich nicht. Die nationale Identität war aber beim großen Finale, das in einem seltsam anmutenden Sprachenmix moderiert wurde, nur teilweise zu entdecken. „Marketing und Business“würden „Kultur und Kunst“verdrängen, so Tonnars großer Vorwurf. Und das auch noch mit aktiver (finanzieller) Hilfe der Regierung.
Internationale Einmischung
ESC-Fans äußerten ihre Kritik zu einem anderen Thema ebenfalls online: Warum dürfen Zuschauer jenseits der Landesgrenzen abstimmen? Ganz unberechtigt fragen sie nicht: Dieses Vorgehen ist bei den ESC-Auswahlverfahren recht neu. Die Luxemburger (oder die in Luxemburg lebenden Ausländer) können zwar voten, aber ihre Stimmen zählen so viel wie die aller anderen.
Hätte Tali auch gewonnen, wenn nur Menschen in Luxemburg, also mit luxemburgischer IP-Adresse, abgestimmt hätten? Das lässt sich nur beantworten, wenn RTL entsprechende Zahlen veröffentlicht. International, bei den fachkundigen Länderjurys, stieß ihr Titel „Fighter“zumindest auf großen Zuspruch. Das lässt für den Wettbewerb in Schweden hoffen.
Ein weiteres Diskussionsthema im Vorfeld des Luxembourg Song Contest war die Auswahl der acht Acts für den Vorentscheid. Einige der Bewerberinnen und Bewerber waren unzufrieden mit der Kommunikation des Veranstalters – man habe über Social Media von der Auswahl der Finalisten erfahren. Noch weitaus schwerer wiegt der Vorwurf des Künstlerkollektivs Richtung 22, das die Teilnahme der Band One Last Time infrage stellt: Zwei Bandmitglieder arbeiten bei I.P. – einer Tochterfirma, die auch wie RTL-Lëtzebuerg zu der CLTUFA gehört– und müssten daher eigentlich disqualifiziert werden. Womöglich hätte ein informativer Vorsprung bestanden, so die Annahme. RTL bestreitet dies, die Band ebenfalls.
Ist die Kritik berechtigt? Eigentlich schon. Und doch fragt man sich: Hätte RTL absichtlich einen Act ins Finale ziehen lassen, bei dem die persönliche Verbindung größer ist als die Chance, dem Land auf internationalem Parkett ein fulminantes Comeback zu verschaffen? Mit der Brille eines Ausländers will man hier auch antworten: Kennt in Luxemburg nicht zwangsläufig jeder jeden, vor allem im Kulturbereich? Sind da Interessenkonflikte nicht an der Tagesordnung?
Die Luxembourg-Song-Contest-Organisatoren haben in den kommenden zwölf Monaten die Möglichkeit, die Kritikpunkte anzugehen und damit die Gemüter zu besänftigen. Zunächst heißt es aber einmal mehr: Daumen drücken! Tali geht für Luxemburg im Mai in Malmö an den Start, daran wird sich wohl nichts ändern. Ändern kann sich nur die Vorgehensweise für den LSC 2025.
: Was ist mit den luxemburgischen Komponisten und der luxemburgischen Sprache, fragt etwa Jimmy Martin.