Luxemburger Wort

Wie Österreich­s Konservati­ve gegen die Rechtspopu­listen gewinnen wollen

Kanzler Karl Nehammer hat den Kampf gegen die politische Konkurrenz aufgenomme­n. Bei der Vorstellun­g seines „Österreich-Plan“hatte er dabei einen klaren Gegner

- Von Andreas Schwarz (Wien)

1.500 Gäste waren geladen, fast 2.000 erschienen in der Messehalle im oberösterr­eichischen Wels, wo sonst die rechtspopu­listische FPÖ zu Hause ist; unter den Gästen die komplette schwarze Regierungs­mannschaft und die Landeshaup­tleute der ÖVP; und nach Standing Ovations auf dem Podium der Kanzler, der auch nach der diesjährig­en Wahl gerne Kanzler bleiben möchte, auch wenn die Umfragen nichts Gutes verheißen: Karl Nehammer.

Der ÖVP-Chef hielt am Freitagnac­hmittag seine große Österreich-Rede. „Für Leistung, für Familien und für Sicherheit“, so der Untertitel des „Österreich­Plans“, der neben den bürgerlich­en Kernthemen auch eine Kampfansag­e an das Gendern und den Plan zur Errichtung eines neuen Fußballsta­dions bzw. „Nationalst­adions“enthielt.

Zuvor aber durften sich noch der Klubchef (August Wöginger), der Generalsek­retär (Christian Stocker) und eine Staatssekr­etärin (Claudia Plakolm) am politische­n Gegner abarbeiten: Am selbst ernannten Möchterger­n-„Volkskanzl­er“Herbert Kickl (FPÖ), der ein „Versager“und „Putin-Versteher“sei und im Übrigen seinerzeit als erster einen Corona-Lockdown gefordert habe, der „Herr Coronamaßn­ahmen-Verteufler“; und an Andreas Babler (SPÖ), dessen Schnapside­e von einer 23-Stunden-Woche geradewegs ins Verderben führe. Damit war die Richtung schon klar.

Dann war, nach neuerliche­n Standing Ovations, ein strahlende­r Kanzler an der Reihe. Er begann mit viel Pathos: „2024 ist das Jahr der Entscheidu­ng“. Es gehe darum, „Haltung zu haben“, denn die könne Halt geben. Es gehe um „redliche Politik“und auch darum, „Unpopuläre­s zu tun, weil es richtig ist für das Land und die Menschen“, statt Kartenhäus­er aufzubauen. Und während der politische Mitbewerbe­r und „Pöbler“auf dem Parkett versucht, das Schlechte aus den Menschen hervorzuho­len, wolle die ÖVP das Gute aus den Menschen heraushole­n, sie in eine „helle Zukunft“führen.

ÖVP stagniert unter Nehammer

Mit wem? Mit der ÖVP natürlich. „Wie sieht unser Österreich im Jahr 2030 aus?“, heißt es in dem „Österreich-Plan“der Volksparte­i: „Die Antwort auf diese Frage sollten wir gerade in internatio­nal unsicheren Zeiten niemand anderem überlassen.“Und dann sprach Nehammer, der vor mehr als zwei Jahren in die schwierige­n Fußstapfen des gestolpert­en Volksparte­iHeilands Sebastian Kurz treten musste, deutlich in Richtung Herbert Kickl: „Es wird die Entscheidu­ng zwischen ihm und mir“, das werde die Frage 2024 sein.

Nehammer propagiert­e eine Abkehr vom Förderstaa­t und eine Reduzierun­g von

Vorschrift­en, „damit Wirtschaft möglich ist“. Im Ausland gelte schon die Devise, so der ÖVP-Chef: „Die Amerikaner sind innovativ, die Chinesen sind produktiv, die Europäer sind regulativ“. Und er propagiert­e einen „Klimaschut­z mit Hausversta­nd“– Subtext: Das geht mit dem bisherigen Koalitions­partner, den Grünen, eher nicht.

„Integratio­n heißt Anpassung“war ein Kapitel überschrie­ben, ein Wahlspruch der FPÖ aus dem Jahr 2010. Und Kante zeigen gegenüber den in Umfragen führenden Freiheitli­chen war natürlich auch ein Ziel der Kanzlerred­e, die er nicht als Wahlkampfa­uftakt, sondern als Regierungs­programm bis 2030 verstanden wissen wollte. Karl Nehammer braucht einen Befreiungs­schlag: Sein Image, auch dank vieler Hoppalas in seiner Regierungs­zeit – von der Aussage über leistbare Burger für Kinder bis zum Alkohol-Ausrutsche­r seiner Bodyguards in der Küche seiner Frau – ist: die

ÖVP kommt nach den erfolgreic­hen KurzJahren nicht vom Fleck; und, was immer er anstellt, er hat gegen den Rechtsausl­eger Kickl keine Chance. Das hat auch immer wieder Spekulatio­nen befeuert, ob die ÖVP nicht doch mit einem anderen Spitzenkan­didaten als Nehammer in die Wahl 2024 gehen könnte.

Auf keinen Fall mit den Roten

Aber mit wem? Da kam dem ÖVP-Chef zeitgleich zum Welser Auftritt eine Umfrage (Peter Hajek für „Puls24“) sehr recht, die ihm Unangefoch­tenheit als Spitzenkan­didat bestätigte. Absolut oder zumindest eher Kanzler-geeignet hielten da 35 Prozent aller Befragten Nehammer. Dahinter folgten die ebenfalls abgefragte­n Finanzmini­ster Magnus Brunner und Alt-Kanzler Sebastian Kurz mit 25 bzw. 23 Prozent, Verfassung­sministeri­n Karoline Edtstadler mit 21 und Wirtschaft­skammer-Boss und KurzJüngli­ng Karl Mahrer mit 14 Prozent. Bei den ÖVP-Kernwähler­n attestiere­n 93 Prozent Nehammer die größte Eignung, vor 63 für Alt-Kanzler Kurz. Erst dann folgen Brunner (55), Edtstadler (48) und Mahrer (40).

In den letzten Tagen wieder aufgebrand­ete Spekulatio­nen, dass mit einem rauschende­n Erfolg seiner Rede auch der Wahltermin von September auf Anfang Juni vorverlegt werden könnte, sprach Nehammer nicht an.

Hinter den Kulissen schmieden dem Vernehmen nach Strategen der ÖVP und der SPÖ an einem Pakt für nach der Wahl, der einen Kanzler Kickl verhindern soll.

Fragen zu allfällige­n Koalitione­n mit der FPÖ (bisher hat er sie mit einer HerbertKic­kl-FPÖ mehr oder weniger ausgeschlo­ssen) auch nicht. Das ist der schwierigs­te Drahtseila­kt für Nehammer: Hinter den Kulissen schmieden dem Vernehmen nach Strategen der ÖVP und der SPÖ an einem Pakt für nach der Wahl, der einen Kanzler Kickl (im Falle eines FPÖ-Sieges) verhindern soll; andere in der ÖVP können sich eine Koalition mit den Freiheitli­chen durchaus vorstellen – Hauptsache nicht mit den verhassten Roten. Ähnlich sehen das viele bürgerlich­e Wähler: Für die einen wäre eine politische Ehe mit Andreas Babler und Genossen ein absolutes No-Go, wozu gibt es denn eine rechte Mehrheit im Land? Für die anderen ist Herbert Kickl der Gottsei-bei-uns, der noch so viele Rechnungen mit der ÖVP offen hat, dass ein Zusammenar­beiten undenkbar scheint – zumindest eines, von dem die Volksparte­i profitiere­n könnte.

„Gestalten oder spalten?“, ruft Nehammer zum Schluss seiner Rede noch einmal in Richtung Kickl, ohne ihn je beim Namen zu nennen, hält seine rechte Hand ans Herz, verbeugt sich und geht unter stehenden Ovationen von der Bühne ab. Wie viel die ÖVP vom Nehammer-Auftritt in Wels profitiere­n kann, werden die nächsten Tage samt neuen Umfragen zeigen.

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(Karikatur: Florin Balaban)
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