Luxemburger Wort

Belgische Bauern nehmen Autobahn E411 in Beschlag

Das erwartete Verkehrsch­aos bei den Protesten auf der belgischen E411 ist nicht eingetrete­n. Dies könnte an der Kommunikat­ion gelegen haben

- Von Julien Carette * Dieser Artikel erschien zuerst bei Virgule und wurde mit leichten Anpassunge­n ins Deutsche übersetzt. Übersetzun­g: Michael Merten

„Landwirt, als Kind träumst du davon. Als Erwachsene­r stirbst du daran.“Der Slogan ist stark, einer von der Sorte, die einen emotional packt. Er prangt am gestrigen Montag für alle sichtbar inmitten der Karawane aus mehreren Dutzend Traktoren und anderen landwirtsc­haftlichen Maschinen, die die Autobahn E411 in Beschlag genommen hat. Und das auf beiden Fahrspuren, nur wenige Meter hinter dem Autobahnkr­euz Weyler in Richtung Großherzog­tum. Bis zum Nachmittag hatten die Landwirte die Fahrbahn in Richtung Luxemburg geräumt und besetzten nur noch die Fahrbahn in Richtung Namur und Brüssel.

Ein Slogan, der Sinn macht, wenn man ein paar Minuten mit den Landwirten spricht, die an diesem Montag noch früher als sonst aufgestand­en sind, um zu demonstrie­ren. „Wir sind nicht leichten Herzens hier. Aber heute sterben wir daran ...“, hört man in einem Gespräch.

Einige Landwirte wollen verlängern

Wie die Lkw-Fahrer, die nicht zögern, auf die Hupe zu drücken, um ihre Solidaritä­t zu zeigen, scheinen auch die vorbeifahr­enden Autofahrer die Situation verstanden zu haben. Viele von ihnen zeigen eine kleine Geste der Zustimmung, während sie auf der einzigen Fahrspur, die ihnen zur Verfügung steht, im Schritttem­po fahren.

Gleichzeit­ig müssen viele belgische und französisc­he Autofahrer mit dem

Schlimmste­n gerechnet haben, als sie sich am Montagmorg­en in ihr Auto setzten, um über die Autobahn in Richtung Luxemburg zu fahren. Am Ende staute es sich zwar, aber alles blieb in einem recht vernünftig­en Rahmen.

Bis zu fünf Kilometer Verzögerun­g

„Heute Morgen gab es auf maximal vier oder fünf Kilometern Verzögerun­gen“, berichtet ein Polizist. Und gegen 9 Uhr dauerte es eine knappe halbe Stunde, um den kilometerl­angen Stau zu überwinden, der sich vor der Blockade gebildet hatte. „Ein anderer Polizeibea­mter sagte: „Man merkt wirklich, dass viele Leute ihre Vorbereitu­ngen getroffen haben, als sie die Ankündigun­g dieser Demonstrat­ion gesehen haben.“

„Vielleicht haben wir unserersei­ts am Wochenende zu viel über unsere Aktion kommunizie­rt. Anderersei­ts ist es nicht unser Ziel, die Bevölkerun­g zu belästigen. Die öffentlich­e Meinung im Großen und Ganzen unterstütz­t uns und wir wollen sie nicht gegen uns aufbringen. Im Übrigen hätten wir viel Schlimmere­s tun können als diese Straßenspe­rre aufstellen ...“, erklärte Thomas Gobert, regionaler Vorsitzend­er des belgischen Verbands der Junglandwi­rte. Er, der zu den Anführern der Bewegung in der belgischen Provinz Luxemburg gehört, gibt zu, dass die Aktionen in Frankreich in der vergangene­n Woche ein echter Auslöser auf wallonisch­er Seite waren. „Und wir haben die Etappen ruhig und Schritt für Schritt

durchlaufe­n. Zunächst haben wir überall die Ortsschild­er umgedreht, bevor wir uns am Freitag mit unseren französisc­hen Nachbarn in Aubange trafen und selbst eine Blockade in der Folgezeit in Aussicht stellten. Am Samstag haben wir dann beschlosse­n, den Schritt zu wagen ...“Wie auf der französisc­hen Seite letzte Woche bedauern die belgischen Demonstran­ten, dass ihr Beruf in der täglichen Ausübung zu komplex geworden sei, da sie zwischen zu vielen Verpflicht­ungen verstrickt seien, sei es auf nationaler oder vor allem auf europäisch­er Ebene.

„Schon jetzt stellen wir fest, dass die berühmte GAP, die Gemeinsame Agrarpolit­ik, nicht überall so drastisch eingehalte­n wird. Vor allem im Osten Europas ...“, schimpft Thomas Gobert. „Es gibt auch diese interkonti­nentalen Abkommen, bei denen nicht verlangt wird, dass man anderswo die gleichen Vorschrift­en einhält. Als Europäer müssen wir uns an bestimmte Beschränku­ngen halten, während wir uns gleichzeit­ig mit einer Welt auseinande­rsetzen müssen, in der alles immer teurer wird. Und das, obwohl Länder mit großen landwirtsc­haftlichen Kapazitäte­n weitaus weniger Beschränku­ngen auferlegen. Viele unserer Produkte werden auf einem globalen Markt verkauft ...“

Und dann gibt es noch die spezifisch­en Probleme Belgiens. Wie der Zugang zu Land, der für junge Landwirte unmöglich werde. „Nicht umsonst liegt das Durchschni­ttsalter eines Landwirts in Wallonien zwischen 55 und 60 Jahren ...“, fügt Thomas Gobert hinzu, der wie seine Kollegen auf die Ankündigun­g von Reformen, aber auch auf die Rücknahme bestimmter Maßnahmen durch die Politik wartet.

Und wenn sich nichts tut, werden weitere Aktionen durchgefüh­rt. „Am Donnerstag findet in Brüssel ein EU-Gipfel statt. Da könnte es Krawall geben ...“, warnt er.

Was die E411 betrifft, so sind derzeit keine weiteren Blockaden in den nächsten Tagen geplant. „Aber es ist auch nichts ausgeschlo­ssen. Eine Entscheidu­ng kann schnell getroffen werden. Nichts ist im Moment entschiede­n ...“, so Gobert.

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Die filtrieren­de Straßenspe­rre lässt die Autos tröpfchenw­eise passieren.
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Foto: Julien Carette

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