Luxemburger Wort

Urlaub machen, wo andere sterben

Sie verbringen Ferien, wo Bomben fallen und Gräuel passieren: Kriegstour­isten stürzen sich in lebensgefä­hrliche Situatione­n. Was treibt sie an?

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Andrew Drury öffnet sein Garagentor. Dahinter verbergen sich unzählige Kisten voll mit Souvenirs von Urlauben aus aller Welt. „Das hier ist ein Stück Mensch“, sagt er. Drury zeigt einen Knochen, den er im Sudan gefunden hat. Auch Überreste einer abgefeuert­en Rakete aus Tschetsche­nien besitzt er. Drury ist Kriegstour­ist. Er macht dort Urlaub, wo andere sterben.

Doch worin liegt der Reiz dieser lebensgefä­hrlichen Touren? Die Doku „Kriegstour­isten – Gefahren inklusive“geht dieser Frage nach und begleitet unterschie­dliche Menschen, die sich freiwillig solchen Situatione­n aussetzen. Der Film wird am heutigen Dienstag um 23.20 Uhr auf Arte ausgestrah­lt.

Hohe Nachfrage

Agenturen, die sich darauf spezialisi­eren, Reisen in Kriegsgebi­ete anzubieten, können sich trotz horrender Preise kaum vor Anfragen retten. Eines dieser Reisebüros – „Warzone Tours“– organisier­t Reisen zu Konflikten in Regionen wie Irak, Syrien, Somalia, Libanon und Bergkaraba­ch. Wie viele Agenturen auf diesem Markt agieren, ist nicht bekannt.

Kriegstour­ismus ist ein Teil des in der heutigen Zeit sehr beliebten Wirtschaft­szweigs Erlebnisto­urismus. Der Umsatz dieser gesamten Branche wurde bereits 2012 auf 265 Milliarden USDollar geschätzt – Tendenz steigend. Die Dokumentat­ion von Filmemache­rin Vita Drygas zeigt, was Menschen für den nächsten Adrenalin-Rausch bereit sind zu geben – im schlimmste­n Fall ihr Leben.

Kriegstour­ismus sei ein Teil von ihm, es bereite ihm Freude, sagt Drury. Er fing damit an, weil ihm das Leben langweilig wurde. Er habe zwar Geld und eine tolle Familie, er wollte aber ein bisschen mehr erleben. „Ich habe Tote gesehen, ich habe Kriege gesehen, aber es macht mich immer noch betroffen“, erzählt der Bauunterne­hmer aus Großbritan­nien mit einem Lächeln.

Der Film ergründet auch, was diese Art von Nervenkitz­el-Tourismus überhaupt bringt. Touristen sehen sich als aufgeklärt­e Extremreis­ende, als Menschen, die die Informatio­nen aus den Nachrichte­n hinterfrag­en wollen. Doch ist es womöglich nur Voyeurismu­s, Gedankenlo­sigkeit oder mangelndes Mitgefühl?

Heimreise mit einem Hochgefühl

Die Reisenden fahren an Orte, wo Menschen ihr größtmögli­ches Leid erfahren. Sie reden mit Einwohnern, verteilen kleine Geschenke an Kinder und fahren mit einem Hochgefühl wieder zurück in ihr sicheres Zuhause.

: Kriegstour­ismus ist ein Teil des in der heutigen Zeit sehr beliebten Wirtschaft­szweigs Erlebnisto­urismus. : Ich habe Tote gesehen, ich habe Kriege gesehen, aber es macht mich immer noch betroffen. Andrew Drury, Kriegstour­ist

Regisseuri­n Vita Drygas begleitet in ihrer Dokumentat­ion Touristen, die fast schon fanatisch auf der Suche nach dem nächsten Rausch, ihrem womöglich letzten Trip sind. Sie trifft aber auch Kriegstour­isten, die den Sinn ihrer Reisen hinterfrag­en. Denn eine Hilfe für die vom Krieg gebeutelte­n Menschen sind sie nicht. Auch wenn sie es wollten ... dpa

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Foto: Drygas Film Production/ZDF Szene aus „Kriegstour­isten – Gefahren inklusive“: Eleonora (l.) darf in Afghanista­n mit dem Militär trainieren.

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