Luxemburger Wort

„Ich habe mich schon gefragt, ob ich überhaupt Rennen gewinnen kann“

Kevin Geniets blickt auf seinen ersten Profisieg zurück und tankt eine Menge Selbstvert­rauen für die nächsten Aufgaben

- Von Joe Geimer

567 Tage. Kevin Geniets hat am Sonntag eine lange Durststrec­ke beendet. Bob Jungels feierte im Sommer 2022 bei der Tour de France einen viel beachteten Etappensie­g. Im vergangene­n Jahr durfte hingegen keiner der männlichen Radprofis aus Luxemburg jubeln. Nun hat das Jahr 2024 mit einem Paukenschl­ag begonnen: Geniets hat am Sonntag gleich bei seinem ersten Einsatz ein echtes Ausrufezei­chen gesetzt. Beim GP La Marseillai­se war kein Kraut gegen den 27-Jährigen gewachsen.

Die Reaktionen im Anschluss sprachen Bände: Geniets kullerten die Freudenträ­nen über die Wangen. Er drückte gefühlt jeden im Zielbereic­h. Es war eine Mischung aus Freude, Befreiung und der Gewissheit, sich einen Traum erfüllt zu haben. Das iTüpfelche­n des Gefühlscha­os war die Reaktion der Teamkolleg­en aus dem Trainingsl­ager auf Teneriffa. Gemeinsam schauten sie sich die letzten Kilometer in einem der Hotelzimme­r an und rasteten komplett aus, als Geniets seine langen Arme ausbreitet­e und direkt vor dem Orange Vélodrome in Marseille mit einem wahren Urschrei-Jubel seinen Emotionen freien Lauf ließ.

„Ich sagte mir: heute oder nie“, erzählte er im Anschluss im Siegerinte­rview. In einem langen Sprint zog er seinem Konkurrent­en Alex Baudin (F/Decathlon) den Zahn. Gemeinsam hatte sich das Duo rund 30 Kilometer vor dem Ziel abgesetzt. Die beiden Fahrer kennen sich gut und trainieren in der Region rund um Annecy und Chambéry auch schon mal miteinande­r. Gemeinsam setzten sie alles daran, um nicht mehr eingeholt zu werden und retteten ihren Vorsprung ins Ziel.

Triumph mit Ansage

Für Geniets ist es der erste Sieg als Profi bei einem internatio­nalen Rennen. Bislang standen nur drei Landesmeis­tertitel bei der

Elite in seinem Palmarès. „Dies ist meine sechste Profisaiso­n. Ich habe schon oft für die Kapitäne gearbeitet. Es ist ein gutes Gefühl, endlich ein Rennen zu gewinnen. Ich habe mich schon gefragt, ob ich überhaupt Rennen gewinnen kann. In diesen sechs Jahren gab es viele Enttäuschu­ngen, zweite oder dritte Plätze. Das nervt irgendwann einfach nur. Aber jetzt hat es endlich geklappt. Bisher habe ich solche Siege nur in meinen Träumen gefeiert. Ich genieße es einfach, weil es eben nicht oft passiert. Aber ich hoffe, dass das jetzt der Startschus­s für mich ist und eine Blockade gelöst wurde. Die Beine, um zu gewinnen, habe ich schon eine ganze Weile“, erläuterte der Fahrer von Groupama-FDJ gegenüber „Directvelo“. Er ergänzte: „Ich wollte wirklich endlich ein Rennen gewinnen. Es ist ein wichtiger Tag in meiner Karriere.“

Für Geniets war es auch so etwas wie ein Triumph mit Ansage: Schon vor dem Wettkampf hatte er im Interview mit dem „Luxemburge­r Wort“erklärt, dass er sich in sehr guter körperlich­er Form befinden würde, dass sein Rennprogra­mm extra angepasst wurde und seine Mannschaft ihm in den ersten Wochen der Saison die Rolle des Leaders anvertraue­n würde. Zudem hatte Groupama-FDJ am Sonntag die perfekte Taktik: Früh das Rennen schwer machen, das Tempo forcieren und dann mit Geniets im richtigen Augenblick reagieren und kontern. Der Plan wurde von Rémy Rochas und Co. perfekt in die Tat umgesetzt.

Geniets erklärt: „Das Team hat ein wenig Druck auf mich ausgeübt, aber ich habe das auch selbst getan. Die Mannschaft hat mir wirklich vertraut, schon seit mehreren Jahren. Ich habe jüngst drei Wochen im Höhentrain­ingslager auf Teneriffa verbracht, davon eine Woche allein. Ich bin direkt von dort aus nach Marseille geflogen. Ich habe viele Opfer gebracht. Es ist selten, dass sich das direkt auszahlt, also muss man es genießen.“

Der 27-jährige Luxemburge­r ist nun von einer Riesenlast befreit. Und das nächste Rennen folgt schon bald: Morgen geht es für Geniets mit der Etoile des Bessèges weiter. Die Grundvorau­ssetzung ist identisch. Dem Luxemburge­r ist auch dort alles zuzutrauen. 2020 war er schon einmal Vierter bei dem Etappenren­nen im Süden Frankreich­s. Das Terrain sollte ihm liegen. Die Mannschaft setzt weiter auf ihn. Selbsvertr­auen hat Geniets nun einiges getankt. Die Konkurrenz ist gewarnt.

Ich habe viele Opfer gebracht. Es ist selten, dass sich das direkt auszahlt, also muss man es genießen. Kevin Geniets

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Fotos: Getty Images Kevin Geniets freut sich über seinen Premierens­ieg bei einem großen internatio­nalen Rennen.
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Kevin Geniets spurtet kraftvoll zum Triumph.

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