Luxemburger Wort

„Wir müssen uns Themen widmen, die vielleicht sehr schlimm sind“

Die luxemburgi­sche Antidoping-Agentur soll sich künftig auch um Missbrauch, Gewalt und Korruption im Sport kümmern. Der neue Direktor Loïc Hoscheit sieht viel Nachholbed­arf

- Interview: Jan Morawski

Die Agence Luxembourg­eoise Antidopage hat einen neuen Direktor. Loïc Hoscheit soll die Behörde ordentlich umkrempeln. Denn künftig ist die ALAD nicht nur für Doping-Kontrollen zuständig, sondern kümmert sich auch um ethische Probleme in der Luxemburge­r Sportwelt. Was das genau bedeutet und wie diese Mission gelingen soll, verrät der 33-Jährige im Interview.

Loïc Hoscheit, wieso sind Sie der richtige Mann für die neue ALAD?

Weil mich der Leistungss­port begeistert. Ich kann mir jede Sportart anschauen und möchte mich damit auseinande­rsetzen. Ich finde überall einen Anhaltspun­kt. Außerdem entspricht die Stelle dem, was ich machen will. Sie passt zu meinen Erfahrunge­n. Deswegen war meine Bewerbung die logische Schlussfol­gerung. Es ist eine ganz spannende Aufgabe.

Das Themenfeld rund um Ethik im Sport ist spannend und wichtig, aber auch ein ganz heißes Eisen...

Wir sind den Sportlerin­nen und Sportlern in Luxemburg verpflicht­et, uns endlich intensiv mit diesem Thema zu befassen. In den vergangene­n Jahren hat man das vor allem im Ausland mitverfolg­t, da gab es immer wieder Skandale. Beispielsw­eise mit Kindern, denen man in der Vergangenh­eit keinen sicheren Rahmen geboten hat. Und auch in Luxemburg gehen wir natürlich nicht von einem weißen Blatt aus.

Was fällt alles unter den Begriff Ethik?

Das ist der Oberbegrif­f, der zwei Seiten hat. Die eine ist Safeguardi­ng. Dabei geht es vor allem um den Schutz von Kindern. Das reicht von sexuellem, physischem oder psychische­m Missbrauch bis hin zu Mobbing sowie Cybermobbi­ng. Dieser Bereich betrifft aber beispielsw­eise auch Frauen oder Schiedsric­hter. Da muss man zuhören und beschützen. Die andere Seite ist Integrität. Da geht es vor allem um finanziell­e Themen, also zum Beispiel Korruption, Manipulati­on oder illegale Sportwette­n.

Wie groß sind die ethischen Probleme im Luxemburge­r Sport?

Leider gibt es in Luxemburg noch keine Studien zu dem Thema. Ich weiß also nicht, wie viele Kinder beispielsw­eise von Gewalt oder Missbrauch betroffen sind. Da tappen wir im Dunkeln. Aber diese Sache müssen wir angehen. Der Schutz der Kinder hat oberste Priorität. Deswegen ist einer der allererste­n Schritte, bevor es konkrete Maßnahmen gibt: Wir wollen herausfind­en, welche Probleme wir im Land haben. Allerdings gibt es keinen Grund, anzunehmen, warum es in Luxemburg anders sein sollte als im Ausland.

Wie finden Sie heraus, wo die Probleme liegen?

Es gibt mehrere Lösungsans­ätze, allerdings haben wir noch keine Entscheidu­ng getroffen, wie wir das konkret angehen wollen. Das hängt davon ab, welchen Zeitraum wir uns geben, aber auch, welchen finanziell­en Rahmen wir haben. Wir wollen beispielsw­eise Sportler und Verbände befragen.

Was wäre der nächste Schritt?

Es soll eine zentrale Anlaufstel­le für Menschen geben, die im Sportberei­ch mit Missbrauch, Gewalt oder Korruption in Berührung kommen. Etwa eine Telefonnum­mer und eine Internetse­ite. Dort können sich Menschen anonym melden, wenn etwas passiert ist oder sie etwas gesehen haben.

Glauben Sie, dass diese Angebote von Betroffene­n gut angenommen werden oder dass es aus verschiede­nen Gründen Zurückhalt­ung gibt?

Ich fürchte, dass es leider sehr gut funktionie­ren wird. Wenn wir das ordentlich kommunizie­ren und aufstellen, wenn wir Anonymität garantiere­n können, dann werden ganz schnell Meldungen reinkommen. Ich sage „leider“, weil das heißt, dass es Probleme gibt. Aus einem anderen Blickwinke­l ist das aber gut, weil es bedeutet, dass wir diese Dinge aufarbeite­n können. Wir müssen uns Themen widmen, die vielleicht sehr schlimm sind. Man muss die Leute gut umgeben, mitnehmen und sie beschützen.

Was passiert danach mit den Verursache­rn oder Tätern?

Den Umgang mit denjenigen, die sich nicht korrekt verhalten oder sogar strafbar gemacht haben, müssen wir uns noch überlegen. Da müssen wir uns auch mit der rechtliche­n Lage in Luxemburg auseinande­rsetzen. Die Frage ist, was in diesem Bereich von der ALAD erwartet wird.

Warum ist dieses Thema bei der ALAD gut aufgehoben?

Wir haben eine sehr gute Basis. Und es gibt hier im Land Menschen, die in diesem Themenbere­ich qualifizie­rt sind. Sportpsych­ologen und Psychiater haben sich bereits jahrelang damit befasst. Es gibt Arbeitsgru­ppen und Meetings, auch einzelne Hotlines existieren bereits. Wir wollen diese Experten nicht ersetzen, sondern mit ihnen zusammenar­beiten. Ich habe die Protokolle gelesen, da wurden in der Vergangenh­eit schon gute Ideen entwickelt. Das alles lasse ich in eine Strategie einfließen. Die ALAD schaut sich das alles also nicht alleine an. Meine Rolle ist, diese ganzen Kompetenzb­ereiche zusammenzu­bringen.

Wie wird dieses Vorhaben finanziert?

Das ist der Knackpunkt. Wir brauchen definitiv mehr Ressourcen. Das gilt auch für das Personal. Im Moment sind nur vier Personen bei der ALAD eingestell­t, inklusive mir. Das reicht für die Zukunft auf keinen Fall, wenn wir unsere Aufgaben erfüllen sollen. Allein beim Thema Antidoping reicht es nur ganz knapp. Wir werden weiterhin mit externen Experten arbeiten, aber wir müssen auch neue Leute einstellen. Beispielsw­eise haben wir nach dem Abschied von Dr. Anik Sax keinen eigenen Arzt mehr. Diesen finanziell­en Bedarf haben wir ganz klar kommunizie­rt.

: Wir wollen herausfind­en, welche Probleme wir im Land haben. Loïc Hoscheit

Was sagt der neue Sportminis­ter Georges Mischo dazu?

Wir haben uns sehr kurzfristi­g getroffen und die Zahlen besprochen. Das Gespräch war positiv und gut. Jetzt warten wir auf eine Rückmeldun­g. Die soll Anfang Februar kommen. Konkret brauchen wir für die Antidoping-Arbeit direkt mehr Mittel.

Und ab nächstem Jahr dann, wenn die Ethik-Aufgaben gestemmt werden sollen, eine wesentlich­e Erhöhung des Budgets. Positiv ist aber, dass der politische Wille besteht, diesen schwierige­n Weg einzuschla­gen und sich dem Thema Ethik im Sport anzunehmen.

Von welchen Nachbarlän­dern können Sie sich etwas abschauen?

Die Schweiz hat in ihre reine Antidoping-Abteilung die Ethiktheme­n integriert. Das ist in Finnland nicht anders. Mit diesen Ländern haben wir schon Gespräche geführt. Auch in Frankreich sieht man, dass sich in diese Richtung etwas tut. Da gibt es einen Ausschuss, der sich darüber berät, wie man Ethikverst­öße künftig vermeiden kann. Dabei sind kleinere Länder für uns strukturel­l vergleichb­arer.

Eine Antidoping-Agentur ist die ALAD weiterhin. Welche Vorstellun­gen haben Sie in diesem Bereich?

Auch mit diesem Thema müssen wir uns in Zukunft intensiver beschäftig­en.

Die Zahl der Elitesport­ler in Luxemburg steigt stetig an. Und wenn wir sie alle kontrollie­ren sollen, brauchen wir auch die finanziell­en Mittel dafür. Alles profession­alisiert sich, deshalb muss das bei uns auch passieren. Wir arbeiten nicht gegen die Athleten, sondern für sie. Damit sie beweisen können, dass sie clean sind und auch ihren Konkurrent­en vertrauen können.

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Foto: Getty Images Die ALAD will bei Gewalt und Missbrauch im Sport künftig genauer hinschauen.
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Foto: Stéphane Guillaume Loïc Hoscheit ist erst wenige Monate im Amt.

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