„Wir kommen nicht an eine Ökologisierung der Landwirtschaft vorbei“
Vortrag von Mathias Forster zu 100 Jahre biologisch-dynamische Landwirtschaft
Die europäische Landwirtschaft wird von einer Protestwelle erfasst. Überall zeigen Bauern ihren Unmut über die vielfältigen Probleme der europäischen Agrarpolitik. Wie es der Zufall will, hat die Foundation Oikopolis Luxembourg diesen Zeitpunkt gewählt, um eine Konferenz über 100 Jahre bio-dynamische Landwirtschaft mit Mathias Forster zu organisieren.
Der Geschäftsführer der Bio-Stiftung Schweiz engagiert sich für den Ausstieg aus dem Pestizidzeitalter und einen gangbaren Weg von der industrialisierten Landwirtschaft hin zu einer Agrarkultur mit Zukunft: „Weil wir an einer Ökologisierung der Landwirtschaft nicht vorbeikommen und weil längst durch verschiedenste Studien belegt ist, dass auch eine ökologische Landwirtschaft die Weltbevölkerung ernähren kann. Denn es ist nicht nur eine Frage der Masse, der Quantität, sondern weniger Masse mit höherer Wertschöpfung und besserer Qualität kann genauso gut sein“.
Den Bezug zum Boden und seiner Fruchtbarkeit verloren
Für den Mitherausgeber des Buches „Das Gift und wir – Wie der Tod über die Äcker kam und wie wir das Leben zurückbringen können“ist das ein langwieriger Prozess. Denn nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als Rüstungsfabriken zu Chemiewerken oder Traktorenfabriken umfunktioniert wurden, veränderte der Einzug der Technik die moderne Landwirtschaft und industrialisierte das Denken. Dadurch verloren viele Landwirte den Bezug zum Boden, seiner Vitalität und Vielfalt. Hinzu kam das Dogma des ständigen Wachstums: mehr Maschinen, mehr Chemie, mehr Produktion, mehr Gewinn. Doch das ist eine Illusion, denn die Produktivität von Boden, Lebensraum, Tieren und Pflanzen ist nicht unendlich. Vergessen wurde, dass der Boden nicht nur dazu da ist, die Pflanze zu stützen, sondern ihr vor allem die Nährstoffe liefert, die sie zum Wachsen und Gedeihen braucht.
„Es ist so, als würde man einem Drogenabhängigen helfen, von der Droge loszukommen. Er muss lernen, sein Leben zu ändern, Veränderungen vorzunehmen, um ohne diese Substanzen leben zu können. Und das macht Angst. Dasselbe gilt für die industrielle Landwirtschaft, die von diesen Giften abhängig ist. Dann gibt es noch psychologische Grenzen und Schwierigkeiten, weil man auf die Biobäuerinnen und Biobauern zugehen muss, die man immer belächelt und ausgegrenzt hat, weil man auf ihr Wissen angewiesen ist. Das ist sehr, sehr vielfältig. Was passieren muss, um diese Transformation von einer industriellen Landwirtschaft zu einer Agrarkultur der Zukunft zu machen, ist vor allem ein Bewusstseinsprozess“, erklärt Mathias Forster.
Langwieriger, aber notwendiger Umstellungsprozess
Das ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen und nicht von oben nach unten durchgesetzt werden kann. Er erfordert ein allmähliches Umdenken bei den Landwirten. Sie brauchen nicht nur finanzielle Unterstützung (z.B. durch europäische und nationale Beihilfen und Subventionen), sondern auch die Unterstützung der
Verbraucher. Denn wenn diese eine naturnähere und gesündere Landwirtschaft für die Natur und sich selbst wollen, müssen sie dies auch beim Einkauf zeigen und so helfen die Lobby der Agrochemie zu bekämpfen.
Dieses Umdenken findet bei immer mehr Landwirten in Europa und weltweit statt, und Mathias Forster meint, es seien zwar nur kleine Schritte, aber sie gehen in die richtige Richtung. Er veranschaulicht dies gerne mit einer Metapher: Wie die Raupe, die wächst und wächst, bis sie merkt, dass kein Wachstum mehr möglich ist und sich in eine Puppe verwandelt. In dieser Puppe beginnen sich Schmetterlingszellen zu bilden, die von der alten Raupe zerstört werden. Je mehr sich die neuen Zellen wehren, desto mehr werden sie bekämpft. Bis sich die neuen Zellen zu Clustern zusammenschließen, wachsen und die Oberhand gewinnen. Da sie in der Puppe keinen Platz mehr haben, wachsen und drängen sie weiter, um diese Zwangsjacke zu durchbrechen. Wenn äußere Kräfte helfen würden, die „Mauern“zu durchbrechen, wird der Schmetterling nicht überleben. Nur aus eigener Kraft wird der Schmetterling schlüpfen und leuchten.
Es bleibt zu hoffen, dass sich – wie die Raupe zum Schmetterling – die industrielle Landwirtschaft langsam aber sicher in eine Landwirtschaft verwandelt, die die Gesetze der Natur respektiert.