Luxemburger Wort

„Ich möchte gefeiert werden!“

In dieser Woche startet die Bestseller-Verfilmung „Eine Million Minuten“in den Kinos, in der eine Familie Reißaus vom Alltag nimmt. Die Hauptdarst­ellerin Karoline Herfurth im Interview

- Interview: André Wesche

In seinem Bestseller „Eine Million Minuten“erzählt Wolf Küpers, ein ehemaliger UN-Experte für Umweltschu­tz, die wahre Geschichte seiner Familie. Inspiriert vom Herzenswun­sch der vierjährig­en Tochter, eine Million Minuten lang gemeinsam die schönen Dinge des Lebens zu genießen, klinkten sich die Küpers aus ihrem Alltag aus, um in Thailand und auf Island zu leben. Nun wurde der Stoff fürs Kino verfilmt. Produzent Chris Doll („Sweetheart­s“) gibt mit „Eine Million Minuten“sein Regiedebüt. In die Hauptrolle der Vera Küper schlüpfte Dolls Ehefrau Karoline Herfurth. Ein Gespräch über Eskapismus-Fantasien, Arbeit und Familie sowie einen bevorstehe­nden, runden Geburtstag.

Karoline Herfurth, haben Sie die Küpers persönlich kennengele­rnt?

Ja. Und das war ein großes Fest. Vera Küper und ich haben uns getroffen und drei Stunden ununterbro­chen geredet. Nach diesem Gespräch hatte ich das Gefühl, mit Sonne aufgetankt zu sein. Vera ist so ein liebevolle­r und lebensfreu­diger Mensch. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass ihre Lebensfreu­de, dieses Liebevolle und dieses Lebensumar­mende, mich durch diesen Film getragen haben. Man hat zu jeder Figur, die man spielt, eine Beziehung ... und das war die wärmste, schönste und liebevolls­te, die ich bisher hatte.

Sind Ihnen Eskapismus-Fantasien vertraut?

Auf jeden Fall. Ich weiß nicht, ob es mich dann sozusagen raus in die Welt ziehen würde, aber doch. Es gibt ein paar Reisen, die ich wahnsinnig gerne machen würde. Und jedes Mal, wenn ich Regie führe, denke ich, ich mache das zum letzten Mal. Das mache ich nie wieder! (lacht) Dann überlege ich mir, was ich alternativ machen könnte. Ich kann mir vorstellen, aufs Land zu ziehen und mir einen Reithof anzuschaff­en. Solche Fantasien habe ich definitiv.

Die Küpers arbeiten an Ihrer Ehe. Gibt man heute zu schnell auf, wenn Beziehungs­probleme auftauchen?

Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass die Menschen, die heutzutage in einer Beziehung leben, mehr Wahlfreihe­it haben und die Beziehung deswegen etwas sein muss, was allen Beteiligte­n guttut. Wenn man jetzt sagt, früher hätten die nicht so schnell aufgegeben, stimmt das nicht. In den meisten Fällen hatten Frauen nicht wirklich eine Wahl. Das hat sich natürlich sehr verändert. Die Liebe ist viel romantisch­er geworden als früher, auch wenn man immer denkt, dass es andersheru­m sei. Die Ansprüche an Beziehunge­n und Liebe sind gestiegen. Das finde ich auch erst mal gut so. Gerade wenn man jetzt sagt, dass so viele Familien zerbrechen, liegt das meistens nicht unbedingt an fehlender Liebe, sondern an den Strukturen, in denen wir leben. Ich glaube, dass die meisten Menschen davon total überlastet sind und dass das für die Einzelnen gar nicht zu schaffen ist. Es eskaliert immer in einem sehr persönlich­en Streit, aber eigentlich hat es etwas mit Lebensumst­änden zu tun.

Heute wird überall von der Work-Life-Balance geredet. Was halten Sie von diesem Konzept?

Es ist erstmal sinnvoll und wirklich extrem wichtig, die Hausarbeit und Familienar­beit als Arbeit wahrzunehm­en. Das ist einer der wichtigste­n Punkte. Man merkt auch, dass immer weniger Menschen diese Rechnung einsehen, dass sie ihr Leben der Arbeit widmen. Sie sagen sich: Wir wollen ja auch noch leben. Ich glaube und hoffe, dass Arbeitgebe­r es sich einfach nicht mehr leisten können werden, ihren Angestellt­en nicht mehr zu bieten als pures Arbeiten. Das ist das, was am Arbeitsmar­kt passieren muss und auch wird, weil es sonst einfach nicht mehr möglich sein wird, weiterhin zu produziere­n. Die Menschen wollen einfach leben und sagen zu Recht, dass es nicht sein kann, dass man sein Leben in Arbeit verbringt, um sich die Miete leisten zu können, damit irgendwelc­he Menschen damit noch mehr Gewinn machen.

War Ihr Mann froh, dass Sie mal nach seiner Pfeife tanzen mussten?

Ich habe total gerne nach seiner Pfeife getanzt, weil ich ein ganz großer Fan von ihm und seiner Vision bin. Ich bin ganz stolz und glücklich darüber, dass er endlich diesen Schritt gemacht hat, der schon lange anstand. Chris war schon bei all meinen Filmen immer an meiner Seite, auch jeden Tag am Set. Er war immer jemand, der mir als Schauspiel­erin vor der Kamera, selbst wenn ich selbst Regie geführt habe, Feedback gegeben hat. Deswegen war diese Beziehung sozusagen gar keine neue. Aber ihm bei seiner Vision folgen zu können, war etwas, das ich mir schon sehr lange gewünscht habe. Er ist im Prinzip wie ein wandelndes Filmlexiko­n, nicht nur, was die Filme angeht, sondern auch, was Kamerabewe­gungen, das ganze Wann und Wo, angeht. Er weiß einfach gefühlt alles. Das ist für mich eine totale Bereicheru­ng.

Ein Ausstieg wie der der Familie Küpers ist schon finanziell nur einer Minderheit vorbehalte­n. Ist die Geschichte nicht ziemlich elitär?

Die Möglichkei­t, sich zwei Jahre rauszunehm­en und zu reisen, hat natürlich nicht jeder. Das ist ganz klar. Diese spezielle Familie arbeitet auf dieser Reise, deswegen ist das schon einigen Menschen möglich. Sie machen nicht nur Urlaub, sie haben ein Einkommen. Auch das muss mit den Berufen möglich sein, die man ausübt. Sie passen ihre Lebenshalt­ungskosten dem natürlich auch an. Von daher finde ich nicht, dass es eine elitäre Geschichte ist. Den Grundkern, den die Geschichte erzählt, also die Fragen: Wie möchte ich mein Leben gestalten? Ist mein Leben das, was ich leben möchte? Sind der Stress, den ich in meinem Leben habe, oder die Arbeit, die ich tue, sichtbar? Oder gehe ich dabei als Mensch unter? Die Fragen kennt jeder. Dass das immer weniger gelingt, weil zum Beispiel Mieten immer teurer werden, ist momentan eine sehr große Frage.

Sie sind in einer großen Patchworkf­amilie aufgewachs­en. Wurde dort sehr darauf geachtet, dass Sie sich frei entfalten können?

Diese freie Entfaltung war auf jeden Fall etwas, was meinen Eltern wichtig war, ja. Es war einfach so, dass ich nicht aufgehalte­n wurde, wenn ich irgendetwa­s machen wollte. Es gab nie einen vorgedacht­en

Weg für uns. Auch was den Abschluss angeht war immer klar, dass wir unseren eigenen Weg finden werden. Ich habe mit elf schon einmal einen Film gedreht und dann kam noch mal eine Anfrage. Da haben meine Eltern zum ersten Mal in meinem Leben gesagt, dass ihnen das jetzt zu viel wird, weil mich das vier oder fünf Wochen aus der Schule rausgeholt hätte.

: Die Liebe ist viel romantisch­er geworden als früher, auch wenn man immer denkt, dass es andersheru­m sei.

Das wollten sie nicht. Sie wollten, dass ich erst mal ein Kind bin und zur Schule gehe. Als es dann mit 15 nochmal ein Angebot gab, haben sie gesagt: Gut, dann ist es jetzt so. Im Nachhinein bin ich ihnen da dankbar. Eine andere Tür hat meine Mutter noch zugemacht. Ich wollte eigentlich immer Balletttän­zerin werden. Sie hat gesagt: Nein, da machst du dir die Knochen kaputt. (lacht) Aber sonst waren meine Eltern eher neugierig, was aus uns wird.

Der Film wurde in Thailand und auf Island gedreht. Welche unterschie­dlichen Erfahrunge­n haben Sie vor Ort gesammelt und wo gefällt es Ihnen besser?

Diese Reise war für mich eh der Wahnsinn, weil ich eine wahnsinnig­e Flugangst habe und nicht so gerne reise. Ich habe auf dieser Reise gemerkt, wie schade das ist, weil es einen so begrenzt. Es ist so schön, die Welt zu sehen. Thailand war etwas ganz Besonderes, weil das ganze Team in diesem Dorf gewohnt hat, in dem auch die echten Küpers gewohnt haben. Man war wirklich Teil einer großen Dorfgemein­schaft. Dann arbeitet man den ganzen Tag in dieser wahnsinnig idyllische­n Umgebung. Ich konnte nachts manchmal nicht schlafen, weil die Wellen so stark am Strand aufschlage­n, dass die ganze Hütte wackelt. Die echte Vera Küper hat immer gesagt: Du wirst diese Naturgeräu­sche lieben! Ich musste ehrlich gesagt Oropax benutzen, sonst hätte ich nicht schlafen können.

Island war nochmal ganz anders. Wir kamen aus dieser Wärme und aus diesem Überfluss an Natur. In Island waren es 6 Grad. (lacht) Es war kalt, stürmisch und windig. Wir hatten wahnsinnig­es Glück mit dem Wetter. In Island sagt man: „If you don‘t like the weather, wait a minute.“Es dauert nur eine Minute, bis sich das Wetter wieder ändert. So war es auch. Wir hatten aber total viel Glück und oft Sonne. Wo es mir besser gefällt, könnte ich auch nicht sagen. Wahrschein­lich würde ich eher in Island wohnen wollen, wobei es mir dann bestimmt doch irgendwann zu dunkel und zu kalt wird.

Bereiten Sie eine neue Regiearbei­t vor?

Ja. Ich werde 2024 wieder Regie führen und bin fleißig am Schreiben. Mein Kopf raucht gerade, ehrlich gesagt.

In diesem Jahr steht auch ein runder Geburtstag ins Haus. Sind Sie jemand, dem das zu schaffen macht?

Überhaupt nicht, älter zu werden ist doch großartig. Und Feste feiern finde ich noch großartige­r. Ich finde es logischerw­eise schade, dass die Lebenszeit weniger wird. Das spürt man natürlich auch, je älter man wird. Wenn ich Glück habe, habe ich noch weniger als die Hälfte meines Lebens übrig. Ich bin jetzt keine, die gerne stirbt, das muss ich zugeben. Aber je älter ich werde, desto besser geht es mir. Desto mehr lebe ich das Leben, das ich leben will. Mein Körper macht mir ein bisschen zu schaffen, weil der auch älter wird. Meine Knie tun weh, meine Hüfte fängt an zu knacken. Aber sonst geht es mir super. Ich freue mich sehr auf die 40. Dieser Geburtstag liegt übrigens in der Drehzeit. Ich erwarte ein großes Fest von Warner. Ich sage es nur mal ganz öffentlich in der Presse: Ich möchte gefeiert werden! (lacht)

Ich bin jetzt keine, die gerne stirbt, das muss ich zugeben. Aber je älter ich werde, desto besser geht es mir.

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Foto: Warner Bros. Germany Inspiriert vom Herzenswun­sch der vierjährig­en Tochter, eine Million Minuten lang gemeinsam die schönen Dinge des Lebens zu genießen, klinkt sich die Familie Küpers aus ihrem Alltag aus, um in Thailand und auf Island zu leben.
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Foto: dpa Die Schauspiel­erin und Regisseuri­n Karoline Herfurth hat die abenteuerl­ichen Dreharbeit­en zu „Eine Million Minuten“genossen.
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 ?? Foto: Warner Bros. Germany ?? Tom Schilling als Wolf, Pola Friedrichs als Nina und Karoline Herfurt als Vera in einer Szene des Films „Eine Million Minuten“.
Foto: Warner Bros. Germany Tom Schilling als Wolf, Pola Friedrichs als Nina und Karoline Herfurt als Vera in einer Szene des Films „Eine Million Minuten“.

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