Die „Garer Leit“bleiben auf der Strecke
Zum zweiten Mal werden die Menschen am Samstag durchs Bahnhofsviertel ziehen. Es ist ihr nächster Versuch, endlich Gehör zu bekommen – und Lösungsansätze für die unhaltbaren Zustände in ihren Wohn- und Geschäftsstraßen. Dass die Menschen im Garer Quartier erneut ein Zeichen setzen, ist nicht verwunderlich: Ihre Sorgen und Ängste sind komplett in den Hintergrund geraten.
Dabei war das Sicherheitsproblem in Wahlkampfzeiten ein willkommenes Anliegen. Seit dem 11. Dezember gibt es in Luxemburg-Stadt jedoch nur ein Thema: das von CSV und DP selbst auf die Agenda gesetzte, höchst umstrittene Bettelverbot. Nun kann man einwenden, dass dieses nicht nur die schicken Einkaufsstraßen in der Oberstadt, sondern auch das Bahnhofsviertel visiert. Die paar Leute, die dort Passanten um Geld bitten, stellen für Einwohner und Geschäftsleute des Garer Quartier allerdings das geringste Problem dar.
Vielmehr sind es Kriminalität, Drogenhandel- und Drogenkonsum, die ihren Alltag zum Albtraum machen. Um es deutlicher zu formulieren: Anwohner müssen sich ihren Weg durch Erbrochenes, Fäkalien und blutige Spritzen bahnen, um zu ihrer Wohnung zu gelangen, haben Angst vor Angriffen und sorgen sich um ihre Kinder.
In ihrer Whatsapp-Gruppe mit mehr als 750 Mitgliedern lassen die Garer ihrem Frust freien Lauf, berichten von Einbrüchen, Überfällen und gesundheitsgefährdenden Hinterlassenschaften, alles mit Fotos dokumentiert. Kurzum: Sie beklagen „un problème aux multiples facettes – sociales, sanitaires, urbanisitiques et sécuritaires“, wie es in einem offenen Brief an die neue Regierung heißt. In ihrem Regierungsabkommen antwortet CSV-DP mit einem ganzen Katalog an ausschließlich repressiven Maßnahmen. Was jedoch weder im Koalitionsvertrag vorkommt, noch in den jüngsten Stadtratssitzungen diskutiert wurde, sind akute Präventiv- und Sozialmaßnahmen, welche auch die Save-the-Gare-Bewegung ausdrücklich fordert.
Ein Umstand, der offenbar selbst Sozialschöffin Corinne Cahen (DP) umtreibt: „Die Diskussion sollte stärker auf den Leuten, die Hilfe benötigen, und denjenigen, die Hilfe anbieten, fokussieren“, sagte sie diese Woche im „100,7“-Interview. Die explizite Frage, ob sie das Bettelverbot befürwortet, beantwortete sie indes nicht.
Die Menschen im Bahnhofsviertel wissen jedenfalls: Ihre Probleme löst das „Heescheverbuet“, das die politisch Verantwortlichen prioritär behandeln und folglich auch die Polizei verstärkt beansprucht, nicht. Immerhin: Mitte Januar haben Innenminister Léon Gloden und der Schöffenrat den Brennpunkt Bahnhofsviertel mit Savethe-Gare-Vertretern besucht. Für die Garer ein erster wichtiger Schritt, dem noch viele weitere folgen müssen. Die ganze Energie, die Regierung und Stadtverantwortliche derzeit in die Rechtfertigung und Verteidigung des Bettelverbots investieren, sollten sie besser für die Bewältigung der Probleme im Bahnhofsviertel aufwenden. Und genau dafür stehen die Garer Leit am Samstag zu Recht ein.
Bettler stellen für die Einwohner des Garer Quartier wohl das geringste Problem dar.