Mit Comics punkten
Die Brafa Art Fair überzeugt durch Atmosphäre, Preise und Gestaltung
Elegant gedeckte Tische säumen den Weg des Messebesuchers. Über samtweiche, beigefarbene Teppichböden führt er von einem Stand zum nächsten. In den weitläufigen Gängen dienen Sushi-, Seafood- oder Champagnerbars als luxuriöse Ruhepole und Anlaufstellen für müde, vielfach hochhackige Beine. Hier und da ist Lounge-Musik zu hören. Nicht wenige blau Bekittelte – in Anlehnung an das surrealistische Magritte-Blau – reichen raffiniertes Fingerfood. Auch auf allzeit präsente Art-Performer braucht man auf der Brafa in Brüssel nicht zu verzichten. Nur dass es sich hier nicht um das Künstlerpaar Eva & Adele handelt, sondern um zwei attraktive junge Damen, die gekleidet wie Stewardessen der 50er Jahre, für Champagner werben. Kein Zweifel: Die Preview (und nicht nur die) der Brafa in Brüssel kann sich sehen lassen.
Von der Hallendecke schweben Wolken. Ein Mann, der ein imaginäres Haus betritt, sowie Leitern, die ins Unendliche aufzusteigen scheinen, ergänzen den surrealistischen Eindruck. Das 100. Jubiläum des Surrealismus in diesem Jahr stand Pate für das originelle Dekor. Ein Grund, der auch der Paul Delvaux-Stiftung als Ehrengast zuteilwird. Zum 30. Todestag des belgischen Surrealisten ist sie mit einer kleinen Sonderschau vertreten. Daneben finden sich unter den rund 10.000 ausgestellten Werken zahlreiche weitere von René Magritte, Max Ernst oder Giorgio de Chirico, die das Festjahr in Belgien einläuten.
Solide Geldanlage
Die Galerien sind individuell gestaltet und auf den Charakter des jeweiligen Kunsthauses abgestimmt. An den Tischen empfangen zahlreiche von ihnen am Abend „ihre“oberen Zehntausend der feinen Brüsseler Sammler-Gesellschaft (inklusive einer wohlhabenden EUKlientel) zu einem fünfgängigen Menü. Als Dank für die „monetäre“Verbundenheit, aber auch, um die Aussicht auf neue gute Geschäfte hochleben zu lassen. Hierin ähnelt die Kunstmesse, die im vergangenen Jahr 65.000 Besucher für sich verbuchen konnte, ihrer nur anderthalb Autostunden entfernten großen Schwester Tefaf in Maastricht. Mit dem Unterschied, dass dort für eine „solide Geldanlage“auch noch die Superreichen aus Saudi-Arabien und anderen Teilen der Welt mit dem Privatjet einfliegen. Entsprechend höher ist das Preisniveau dieser führenden Kunst- und Antiquitätenmesse. Entsprechend höher aber auch sind die Standpreise, die so manchen Händler zum Umzug ins frankophone Brüssel veranlasst haben.
So auch Willem Rueb von Rueb Modern and Contemporary Art aus Amsterdam, der nach 30 Jahren Tefaf von den weitaus günstigeren Standmieten der Brafa schwärmt. „Wegen der Blue-chip galleries aus New York ist die Tefaf für uns einfach unerschwinglich geworden“, sagt der Galerist, der Kunst ab 1945 anbietet, und dessen teuerstes Werk ein Geer van Velde-Gemälde für 175.000 Euro ist. Siebenhundert Euro habe er für den Quadratmeter zuletzt in Maastricht gezahlt, in Brüssel seien es nur 250.
Silberschmiedekunst
Gleich gegenüber hat das Kunsthaus Kende aus Tübingen seinen Stand. Inhaber Christopher Kende ist zum ersten Mal dabei, weshalb er noch keinen Diner-Tisch hat, da man hierfür erstmal einen eigenen Kundenstamm akquirieren muss. Seine Spezialität ist altes und neues Silber-Design, für das die Brafa – neben der Tefaf – die bedeutendste Messe in Europa ist. Seine Becher, Milch- und Zuckergarnituren sowie Kaffee-Tee-Services aus Privat-Besitz rangieren zwischen 2.500 und 32.000 Euro. „High Preis-Objekte lohnen sich nur auf einer Messe wie hier“, weiß der Galerist, „weil auch das Verständnis, der Geschmack und das Geld da sind“. Sein kostbarstes Werk ist ein Kerzenständer aus Sterling Silber für 87.000 Euro. Für das circa 50 cm hohe Objekt hat die japanische Künstlerin Nan Nan Liu, deren Arbeiten sich unter anderem im Victoria & Albert Museum in London befinden, ultra-dünne Silberdrähte aufeinander gelötet und dann unterm Mikroskop mit einem Stichel nachgeschnitten. Zweieinhalb Jahre habe sie dafür gebraucht, so Kende. „Wenn man weiß, wie extrem wärmeleitend Silber ist, weiß man auch, wie leicht eine solch filigrane Arbeit durchbrennen kann und damit irreparabel ist“.
Auch mehrere neue Arbeiten von Ryuhei Sako (Jahrgang 1976) aus Okayama hat er im Angebot. Fünfzehn Jahre Zeit hat sich der Japaner genommen, um die höchst komplizierte traditionelle Schmiedetechnik Mokume-gane aus einer Vielzahl unterschiedlicher, dünner Metallschichten zu erlernen, mit der er rituelle Gefäße für die Teezubereitung zaubert. Den Entstehungsprozess hier zu erklären, würde Seiten füllen.
Mit seiner Auslage möchte Christopher Kende eine Lanze brechen für die zeitgenössische Silberschmiedekunst. „Ich will damit einer jüngeren Klientel zeigen, was modernes Silber bedeutet. Dass man das nicht mit den 50er, 60er und 70er Jahre vergleichen kann, die heute immer noch als modern gelten, sondern dass es etwas gibt, von dem man schon allein vom tech
nischen Aspekt her überhaupt keine Ahnung hat, dass es sowas gibt“. Grundsätzlich findet er, sei das, dass man bei Silber nicht von Kunst oder Silberschmiedekunst spricht, sondern von einer Sektion des Kunsthandwerks. „Ja, das ist auch Töpfern, aber eben noch viel mehr. Man betrachtet heutzutage eigentlich nur Malerei und Skulptur als hohe Kunst“, resümiert der Aussteller.
Kende ist einer der wenigen Galeristen, der auch einige Objekte des Wiener ModerneArchitekten und Designers Jozef Hoffmann im Angebot hat, dem das Museum für Kunst und Geschichte im Brüsseler Jubelpark zeitgleich eine Ausstellung widmet. Die im Museum zu sehende „Efeu gebuckelte“Silbervase, einem New Yorker Wolkenkratzer gleich, ist einer der ikonischen Entwürfe Josef Hoffmanns für die Wiener Werkstätte, die selbst heute noch außergewöhnlich modern wirken. Bei Kende ist die Vase für 18.500 Euro zu haben.
Von COBRA bis Tribal Art
Der Tübinger ist einer von einer Handvoll deutschen Galeristen, die auf dieser 69. Auflage der Brafa repräsentiert sind. Die meisten der insgesamt 132 Aussteller kommen aus den Niederlanden, Frankreich und Belgien, da aus Brafa-Sicht hier die potenziellen Sammler sitzen. Erstmals ist auch eine Galerie aus Dänemark (Secher Fine Art & Design) dabei, die, wie Galeristin Alice Secher mutmaßt, wegen ihres COBRA-Schwerpunkts eingeladen wurde. Denn COBRA war besonders erfolgreich in Belgien und den Niederlanden, wo es für diese Kunstströmung auch heute noch viele Käufer gibt. „Im Gegensatz zu Belgien, das ein COBRASammler-Paradies ist, ist die Bewegung in Kopenhagen kaum bekannt. Deshalb sind wir hier“, sagt Alice Secher. Das Sammler-Paradies macht sich an diesem ersten Tag bereits bemerkbar, an dem die Galerie gleich mehrere COBRA-Gemälde verkauft. Für das teuerste Gemälde „Rasputnik“von Asger Jorn, einem der wenigen dänischen `Cobristen´, das mit 370.000 Euro beziffert ist, gibt es ebenfalls schon Interessenten.
Aus Luxemburg angereist sind die Galerien Nosbaum Reding und Zidoun-Bossuyt. Sie hat das Gemälde „Blue Skies” aus dem Jahr 1985 von Jean-Michel Basquiat im Gepäck, das als „absolutes Highlight” der Messe angepriesen wird. Ebenfalls sehenswert ist die von der Galerie Marc Maison rekonstruierte Einrichtung eines Jugendstil-Wohnzimmers. Und auch die Koje von der auf Original-Comics spezialisierten Galerie Huberty & Breyne, die den Künstler Philippe Geluck vertritt, kann im ComicLand Belgien punkten. Genau diese Vielfalt ist es, die die Brafa auszeichnet. Ihre mehr als 20 wahllos aneinandergereihten Themenbereiche reichen von Kunstobjekten aus dem Mittelalter, der Haute Époque und Renaissance, alte und moderne Gemälde, zeitgenössische Kunst, Skulpturen, Porzellan und Keramik, Glaswaren, Teppiche, Archäologie … bis hin zur Tribal Art.
Letztere versetzt hier keinen ins Staunen, da seit Jahren schon die Stammeskunst zum festen Bestandteil der Brafa – wie auch der Tefaf – zählt. Doch während diese auf der Tefaf einer Sektion zugeordnet ist, sind die fünf teilnehmenden Galerien in Brüssel auf der gesamten Ausstellungsfläche der gegenüber dem Atomium liegenden Expo-Hallen verteilt. Eine von ihnen ist die Pariser Galerie Flak. Zur Brafa hat sie eine einzigartige Sammlung von Dutzenden antiker „Kachina“-Puppen aus der Zeit von 1880 bis 1930 mitgebracht. Daneben zählt die Maske eines Schamanen, angefertigt im 19. Jahrhundert von einem Inuit aus Alaska zu den wertvollsten Stücken. Bezüglich des Preises allerdings, hüllt sich der junge Galerie-Mitarbeiter in Schweigen. Über Geld wird eben (zumeist) nur in Kreisen derer gesprochen, die es haben.
Brafa Art Fair, Brüssels Expo, Heysel, Hallen 3 & 4, Place de Belgique 1, 1020 Brüssel, bis 4. Februar, täglich 11 bis 19 Uhr, am Donnerstag bis 22 Uhr. www.brafa.art