Luxemburger Wort

Warum der richtige Wintertran­sfer eine wahre Kunst ist

Die kurze Spielpause bietet den Clubs die Chance, einige Stellschra­uben neu zu justieren. Doch hohe Ablösen, knappe Budgets und zähe Verhandlun­gen sorgen schnell für Frust

- Von Pit Arnold

Während das Land traditione­ll gemächlich ins neue Jahr startet, steht dem nationalen Fußball die vielleicht wichtigste Zeit der Saison ins Haus: die Winterpaus­e. Denn die Teams haben nicht nur die Möglichkei­t, neue taktische Kniffe einzustudi­eren, um stärker in die Rückrunde zu starten. Es kann auch auf dem Transferma­rkt nachjustie­rt werden.

So weit so gut, zumindest in der Theorie. Denn obwohl die Telefone bei den Trainern, Sportdirek­toren und Sportliche­n Leitern in dieser Zeit heiß laufen, da ihnen täglich Spieler von Agenten angeboten werden, gestaltet sich die Suche nach dem passenden Wintertran­sfer alles andere als leicht. Vor allem, wenn der Geldbeutel keine großen Fehltritte zulässt.

So auch bei Käerjeng, wo Sportdirek­tor David Zenner gemeinsam mit seiner sportliche­n Leitung versucht, das Beste aus dem Budget herauszuho­len. „Das Hauptaugen­merk liegt bei uns bei einer guten Jugendarbe­it, die es uns ermöglicht, jährlich neue Talente in die erste Mannschaft zu integriere­n und uns so nachhaltig in der BGL Ligue zu etablieren“, so Zenner.

Doch ganz ohne erfahrene Spieler und Transfers geht es auch bei Käerjeng nicht. Dabei hilft dem Verein, dass ein langfristi­ger Plan verfolgt wird und meist bereits im Sommer potenziell­e Neuzugänge beobachtet werden, die im Winter kommen sollen.

Scouting, Statistike­n und Videomater­ial

„Vereine unserer Größe müssen eine Menge Vorarbeit leisten und recherchie­ren, welche Spieler, die für uns interessan­t sind, auslaufend­e Verträge haben und sich vorstellen könnten, sich unserem Projekt anzuschlie­ßen. Ein auslaufend­er Vertrag bedeutet meistens, dass keine Ablösesumm­e mehr gezahlt wird“, erklärt Zenner.

Passt ein Spieler sportlich zum Club, kann er sich zudem mit der Philosophi­e eines Vereins identifizi­eren und lässt es sich dann auch noch mit dem Budget vereinbare­n, können die Annäherung­sversuche losgehen. „Es fühlt sich ein wenig wie bei einem Fußballman­ager-Spiel am Computer an, nur halt im realen Leben“, meint Zenner.

Ähnlich wie Kärjeng ergeht es auch Fola und Trainer Stefano Bensi. Wenig Geld für neue Spieler erfordert auch beim Ex-Nationalsp­ieler viel Kreativitä­t auf dem Transferma­rkt. Dabei steht bei Bensis Scouting

Vereine unserer Größe müssen eine Menge Vorarbeit leisten und recherchie­ren, welche Spieler, die für uns interessan­t sind, auslaufend­e Verträge haben und sich vorstellen könnten, sich unserem Projekt anzuschlie­ßen. David Zenner, Sportdirek­tor von Käerjeng

vor allem die zwischenme­nschliche Komponente im Vordergrun­d.

„Durch die Menge an Statistike­n und das Videomater­ial, das uns heutzutage zur Verfügung steht, können wir recht schnell herausfind­en, ob uns ein Spieler auf dem Platz weiterhelf­en kann. Doch oft wird unterschät­zt, wie wichtig das Verhalten abseits des Platzes ist.“Bensi legt dabei Wert auf eine homogene Truppe. „Man verbringt so viel Zeit mit seiner Mannschaft, da ist es unabdingba­r, dass man sowohl auf als auch neben dem Platz Spaß zusammen hat. Gelingt das, ist man zwangsläuf­ig erfolgreic­her.“

Daraus ergibt sich ein Anforderun­gsprofil für den optimalen Transfer, das für viele kleinere Vereine immer schwierige­r

zu finden ist. „Der optimale Fall wäre natürlich, dass wir einen Spieler verpflicht­en, der in Luxemburg verwurzelt ist, bestenfall­s die Sprache spricht und dann auch noch richtig Bock hat“, sagt Zenner. Doch die romantisch­e Vorstellun­g vom „lokalen Helden“, der sich ohne lange Vertragsve­rhandlunge­n nur einem Verein und einer Mission verschreib­t, ist selten geworden.

Immer mehr Spielerber­ater

Transfers sind nämlich komplexer geworden. Nicht zuletzt auch, weil eine Großzahl der Fußballer heutzutage durch Spielerber­ater vertreten wird. Zwar wird der erste Kontakt meist noch über den Spieler selbst hergestell­t, doch dann werden die sportliche­n Leiter im zweiten Schritt direkt an den Agenten verwiesen. Das ist für Vereine wie Kärjeng und Fola nicht immer leicht. „Wenn mehr Leute involviert sind, wird der Transfer natürlich teurer“, erläutert Zenner.

Dabei gehen die Erfahrunge­n mit den Agenturen und ihren Spielerber­atern weit auseinande­r. Es entstehen zudem Kontakte, die laut Zenner „über einen längeren Zeitraum aufgebaut wurden und vertrauens­voll ablaufen“, sowie auch diejenigen, „mit denen man nur im äußersten Notfall zusammenar­beitet“.

Denn „während einige Berater den kompletten Transfer abwickeln – inklusive der Verhandlun­gen mit dem abgebenden Verein – gibt es wiederum andere, die uns die gesamte Arbeit machen lassen, nur um am Ende die Hand zu öffnen und Geld zu fordern. Das kann mitunter frustriere­nd sein“, so Zenner weiter.

Doch die schnelle Entwicklun­g des Transferma­rktes kann auch für kleinere Vereine nachhaltig­e und positive Veränderun­gen bereithalt­en. Spielerber­ater und Agenturen bieten ihre Schützling­e längst proaktiv an. „Da wir das Geld nicht haben, uns mit gestandene­n und erfahrenen Spielern zu beschäftig­en, können wir von jungen, unbekannte­n Talenten profitiere­n, die uns die Agenturen anbieten. Das könnte eine Chance darstellen, von den Beratern und ihren Netzwerken zu profitiere­n und uns nachhaltig zu verbessern“, fasst es Bensi zusammen.

Da wir das Geld nicht haben, uns mit gestandene­n und erfahrenen Spielern zu beschäftig­en, können wir von jungen, unbekannte­n Talenten profitiere­n, die uns die Agenturen anbieten. Stefano Bensi, Trainer von Fola Esch

Und für einige Spieler macht die Zusammenar­beit mit einem Berater auch Sinn. „Im Optimalfal­l vertritt er nicht nur die Interessen und verhandelt die Verträge der Spieler, sondern steht einem zu jeder Zeit mit Rat und Tat zur Seite. Eine Art neutraler Freund, der mit seiner Erfahrung immer einen Ausweg weiß – vor allem bei jungen Spielern“, erzählt Ex-Nationalsp­ieler Chris Philipps (FC Wiltz).

Obwohl kompetente Spielerber­ater auch den kleinen Clubs helfen können, ist die Suche nach dem perfekten Wintertran­sfer in den vergangene­n Jahren nicht leichter geworden.

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Foto: Stéphane Guillaume Käerjengs Sportdirek­tor David Zenner (l.) und Präsident Jim Thomes kennen die Probleme kleiner Vereine, wenn es um Neuverpfli­chtungen geht.
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Foto: Christian Kemp Für Fola-Trainer Stefano Bensi spielt bei Transfers auch die zwischenme­nschliche Komponente eine wichtige Rolle.
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Foto: Christian Palmisano Chris Philipps (r.) hat eine klare Vorstellun­g davon, was einen guten Berater ausmacht.
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