Der vorläufige Höhepunkt eines parteiinternen Streits
Die Parteiführung von Fokus und ehemalige Mitglieder liefern sich einen erbitterten Schlagabtausch
Seit Dezember schwelt in der Partei Fokus ein interner Streit, der nun eine weitere Eskalationsstufe erreicht hat. Am Sonntag hat das Nationalkomitee drei Mitglieder aus der Partei ausgeschlossen. Dabei handelt es sich um den früheren Generalsekretär Gary Kneip, den früheren Schatzmeister Jacques Linster, der den Wahlkampf der Partei mit einem Darlehen von 50.000 Euro unterstützt hat, und um Georges Keipes, allesamt Gründungsmitglieder und Kandidaten bei den Nationalwahlen im Oktober.
In einem Presseschreiben wirft das Nationalkomitee um Parteipräsident Marc Ruppert und Fokus-Sprecher Frank Engel den drei Mitgliedern vor, „wiederholt und auf verschiedene Art und Weise versucht zu haben, die Zusammenarbeit und die Beschlussfassung der Parteigremien durch die Verbreitung von Falschinformationen zu beeinflussen“, und „parteiinterne und vertrauliche Informationen bewusst nach außen getragen zu haben“.
Die Mitglieder von Parteigremien seien bewusst belogen, die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen der gewählten Parteiorgane infrage gestellt und sogar versucht worden, interne Diskussionen in Parteigremien ohne Wissen der Teilnehmer mit einem Mobiltelefon aufzuzeichnen.
Im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“erklärt Gary Kneip, die Parteiführung versuche, mit fadenscheinigen Vorwürfen interne Kritiker loszuwerden. Er und andere Gründungsmitglieder werfen der Parteiführung vor, elementare Governance-Regeln nicht zu respektieren, „dies umso mehr als die Partei, die nunmehr von öffentlichen Geldern (14.200 Euro monatlich) profitiert, sich absolut regelkonform verhalten muss“, so Kneip.
Der frühere Generalsekretär beanstandet, dass ein neuer Vorstand im Handelsregister hinterlegt und auch der Bank mitgeteilt worden sei, die die Konten der asbl führt, „ohne dass vorher eine Generalversammlung stattgefunden hätte“.
Zwar handle es sich um eine Formsache, da die neue Parteiführung ebenfalls die asbl anführen sollte, dennoch sei es brandgefährlich, sich über solche „Lappalien“hinwegzusetzen. Weiter kritisiert Kneip, dass der neue, „auf tönernen Füßen stehende“asbl-Vorstand finanzielle Abmachungen beschlossen habe, wohl wissend, dass die Gelder der Partei gehören und nicht den asbl-Gremien, und man sich an die Statuten der Partei zu halten habe, „die besagen, dass Wahlbudgets von einem Parteikongress abgesegnet werden müssen“.
Ein Brief und seine Folgen
Einer der Gründe für den Rauswurf könnte ein Brief sein, den Georges Keipes verfasst und per E-Mail an einzelne Parteimitglieder, darunter auch Gary Kneip, verschickt hat. Bei dem Brief handelt es sich Kneip zufolge um einen Entwurf, mit Vorschlägen, wie die Partei geführt werden sollte, und der dem Exekutivkomitee, also der Parteiführung zwecks Diskussion zugestellt werden sollte. „Der Brief hat nichts Konspiratives“, so der frühere Generalsekretär.
In dem Brief, der dem LW vorliegt, werden vermeintliche Missstände angeprangert: Die Mitglieder des Exekutivkomitees hätten unkontrollierte Macht, es gebe ein „KuddelMuddel“bei den Finanzen, und es fehle an einer transparenten und offenen Kommunikation zwischen dem Exekutivkomitee und anderen Gremien.
Der Brief handelt aber auch von Frank Engel, der als arrogant und cholerisch beschrieben wird. Mit ihm als Entscheider sei eine basisdemokratische Organisation nicht möglich. Der Autor des Briefes schlägt denn auch vor, zu fordern, dass Engel abgesetzt und prioritär das Darlehen zurückgezahlt werden soll. Weiter wird gefordert, aus budgetären Gründen nicht an den Europawahlen teilzunehmen, sowie eine Reform der Statuten, damit die Generalversammlung beziehungsweise das Nationalkomitee „eine ernsthafte Kontrolle über das Exekutivkomitee ausüben“kann.
In seiner Antwort an Keipes schrieb Gary Kneip, der Brief gehe in die richtige Richtung. Er regte aber noch an, den Bereich „Governance“und „Finanzen“sowie die Kreditrückzahlung und die geplante Vergütung von Mitgliedern der Parteileitung einzubauen.
Parteiführung über Brief vorzeitig informiert
Die Parteiführung hat wohl frühzeitig Kenntnis von dem Brief und dem E-Mail-Verkehr bekommen. „Offenbar ist der Brief in Papierform anonym im Briefkasten der Partei gelandet“, erzählt Kneip. „Dieser Brief wurde dann am Sonntag als Abschrift dem Nationalkomitee vorgelegt, und Marc Ruppert hat den genauen Wortlaut meiner Antwort an Keipes vorgelesen.“Möglich ist, dass einer der Mail-Empfänger den Schriftverkehr „geleakt“hat, was Kneip zufolge aber keinen Sinn ergebe. Er hat einen anderen, schlimmen Verdacht.
Eine E-Mail-Adresse im Verteiler war eine Fokus-E-Mail-Adresse. Kneip geht davon aus, dass die Parteiführung den E-Mail-Verkehr über diese Fokus-Adresse mitgelesen hat, „dass die Parteiführung also die E-Mail-Konten ihrer Mitglieder überwacht, weil im Schriftverkehr eventuell Missstände dargelegt werden, die unhaltbar sind“. Kneip spricht von einer Verletzung des Briefgeheimnisses und von „Zuständen wie in Nordkorea“, die einer demokratischen Partei nicht würdig seien.
Ob der Brief nun der Grund für den Rauswurf ist, weiß Kneip nicht. Der Rauswurf sei sowieso illegal, sagt er mit Verweis auf die Parteistatuten. Laut den Statuten kann die Partei gegen Personen, die der Partei schaden oder sich nicht an Regeln halten, eine Disziplinarprozedur „selon les modalités du rè
glement d’ordre intérieur“lancieren. Zum anderen ist dort die Rede von einem Deontologie-Kodex, an den alle Mitglieder sich halten müssen, „sous peine d’exclusion“. Doch Kneip zufolge „gibt es weder ein Reglement, noch einen Deontologie-Kodex“. Er habe die Parteiführung aufgefordert, ihm die Gründe für seinen Rauswurf schriftlich zukommen zu lassen. Bis heute warte er darauf.
Wie der Streit angefangen hat
Der interne Streit hat angefangen, als die ersten staatlichen Gelder im Dezember geflossen sind. Fokus hat ein Anrecht auf staatliche Parteienfinanzierung in Höhe von rund 14.000 Euro monatlich. Seither gibt es Streit über die Art und Weise, wie die Partei geführt wird und Entscheidungen getroffen werden, und über die Rückerstattung des Darlehens.
Laut einem internen Schreiben der Parteiführung, das am Dienstag an die Parteimitglieder geschickt worden ist und das dem LW vorliegt, soll Jacques Linster über einen Anwalt „entgegen allen Vereinbarungen“die sofortige Rückzahlung der gesamten ausstehenden Kreditsumme gefordert haben. Das sei aber so nicht abgemacht worden, erklärt Fokus-Präsident Marc Ruppert am Mittwoch auf LW-Nachfrage. „Wir zahlen das Darlehen in Höhe von 50.000 Euro in monatlichen Raten zurück, stehen also zu unserem Engagement.“
Im Januar sei die erste Zahlung in Höhe von 2.688 Euro erfolgt. Ruppert weist darauf hin, dass Linster der Partei kein Geld vorgestreckt oder geliehen habe, sondern einen Bankkredit unterzeichnet und die Summe der Partei zu Wahlkampfzwecken zur Verfügung gestellt habe. Diesen Kredit zahle die Partei nun zurück. Dem internen Schreiben ist der im Dezember ausgearbeitete Finanzplan beigefügt, „um den Gerüchten ein Ende zu setzen, wir würden nicht zurückzahlen“, so Ruppert.
Was die Parteiführung zum Ausschluss der drei Mitglieder bewogen habe, seien die Falschbehauptungen, die sich über die vergangenen Wochen angehäuft und der Partei und einzelnen Personen geschadet hätten. Was die Parteiführung den drei Mitgliedern im Einzelnen vorwirft, wollte Ruppert nicht sagen. Die Partei erwäge rechtliche Schritte, „die möglicherweise strafrechtlich eine Rolle spielen“. Dabei gehe es einerseits um die heimliche Aufzeichnung, aber auch um Lügen, die wissentlich verbreitet worden seien, und um das „Unter-Druck-Setzen“von Personen.
Die drei am Sonntag ausgeschlossenen Gründungsmitglieder planen Kneip zufolge, Mitte Februar „mit allen Details“an die Öffentlichkeit zu gehen. Er selbst werde wegen Verletzung des Briefgeheimnisses gegen Präsident Marc Ruppert und Unbekannt Klage einreichen.
Wahlbudgets müssen von einem Parteikongress abgesegnet werden. Gary Kneip, Gründungsmitglied und ehemaliger Fokus-Generalsekretär