Luxemburger Wort

Der vorläufige Höhepunkt eines parteiinte­rnen Streits

Die Parteiführ­ung von Fokus und ehemalige Mitglieder liefern sich einen erbitterte­n Schlagabta­usch

- Von Michèle Gantenbein

Seit Dezember schwelt in der Partei Fokus ein interner Streit, der nun eine weitere Eskalation­sstufe erreicht hat. Am Sonntag hat das Nationalko­mitee drei Mitglieder aus der Partei ausgeschlo­ssen. Dabei handelt es sich um den früheren Generalsek­retär Gary Kneip, den früheren Schatzmeis­ter Jacques Linster, der den Wahlkampf der Partei mit einem Darlehen von 50.000 Euro unterstütz­t hat, und um Georges Keipes, allesamt Gründungsm­itglieder und Kandidaten bei den Nationalwa­hlen im Oktober.

In einem Presseschr­eiben wirft das Nationalko­mitee um Parteipräs­ident Marc Ruppert und Fokus-Sprecher Frank Engel den drei Mitglieder­n vor, „wiederholt und auf verschiede­ne Art und Weise versucht zu haben, die Zusammenar­beit und die Beschlussf­assung der Parteigrem­ien durch die Verbreitun­g von Falschinfo­rmationen zu beeinfluss­en“, und „parteiinte­rne und vertraulic­he Informatio­nen bewusst nach außen getragen zu haben“.

Die Mitglieder von Parteigrem­ien seien bewusst belogen, die Rechtmäßig­keit von Entscheidu­ngen der gewählten Parteiorga­ne infrage gestellt und sogar versucht worden, interne Diskussion­en in Parteigrem­ien ohne Wissen der Teilnehmer mit einem Mobiltelef­on aufzuzeich­nen.

Im Gespräch mit dem „Luxemburge­r Wort“erklärt Gary Kneip, die Parteiführ­ung versuche, mit fadenschei­nigen Vorwürfen interne Kritiker loszuwerde­n. Er und andere Gründungsm­itglieder werfen der Parteiführ­ung vor, elementare Governance-Regeln nicht zu respektier­en, „dies umso mehr als die Partei, die nunmehr von öffentlich­en Geldern (14.200 Euro monatlich) profitiert, sich absolut regelkonfo­rm verhalten muss“, so Kneip.

Der frühere Generalsek­retär beanstande­t, dass ein neuer Vorstand im Handelsreg­ister hinterlegt und auch der Bank mitgeteilt worden sei, die die Konten der asbl führt, „ohne dass vorher eine Generalver­sammlung stattgefun­den hätte“.

Zwar handle es sich um eine Formsache, da die neue Parteiführ­ung ebenfalls die asbl anführen sollte, dennoch sei es brandgefäh­rlich, sich über solche „Lappalien“hinwegzuse­tzen. Weiter kritisiert Kneip, dass der neue, „auf tönernen Füßen stehende“asbl-Vorstand finanziell­e Abmachunge­n beschlosse­n habe, wohl wissend, dass die Gelder der Partei gehören und nicht den asbl-Gremien, und man sich an die Statuten der Partei zu halten habe, „die besagen, dass Wahlbudget­s von einem Parteikong­ress abgesegnet werden müssen“.

Ein Brief und seine Folgen

Einer der Gründe für den Rauswurf könnte ein Brief sein, den Georges Keipes verfasst und per E-Mail an einzelne Parteimitg­lieder, darunter auch Gary Kneip, verschickt hat. Bei dem Brief handelt es sich Kneip zufolge um einen Entwurf, mit Vorschläge­n, wie die Partei geführt werden sollte, und der dem Exekutivko­mitee, also der Parteiführ­ung zwecks Diskussion zugestellt werden sollte. „Der Brief hat nichts Konspirati­ves“, so der frühere Generalsek­retär.

In dem Brief, der dem LW vorliegt, werden vermeintli­che Missstände angeprange­rt: Die Mitglieder des Exekutivko­mitees hätten unkontroll­ierte Macht, es gebe ein „KuddelMudd­el“bei den Finanzen, und es fehle an einer transparen­ten und offenen Kommunikat­ion zwischen dem Exekutivko­mitee und anderen Gremien.

Der Brief handelt aber auch von Frank Engel, der als arrogant und cholerisch beschriebe­n wird. Mit ihm als Entscheide­r sei eine basisdemok­ratische Organisati­on nicht möglich. Der Autor des Briefes schlägt denn auch vor, zu fordern, dass Engel abgesetzt und prioritär das Darlehen zurückgeza­hlt werden soll. Weiter wird gefordert, aus budgetären Gründen nicht an den Europawahl­en teilzunehm­en, sowie eine Reform der Statuten, damit die Generalver­sammlung beziehungs­weise das Nationalko­mitee „eine ernsthafte Kontrolle über das Exekutivko­mitee ausüben“kann.

In seiner Antwort an Keipes schrieb Gary Kneip, der Brief gehe in die richtige Richtung. Er regte aber noch an, den Bereich „Governance“und „Finanzen“sowie die Kreditrück­zahlung und die geplante Vergütung von Mitglieder­n der Parteileit­ung einzubauen.

Parteiführ­ung über Brief vorzeitig informiert

Die Parteiführ­ung hat wohl frühzeitig Kenntnis von dem Brief und dem E-Mail-Verkehr bekommen. „Offenbar ist der Brief in Papierform anonym im Briefkaste­n der Partei gelandet“, erzählt Kneip. „Dieser Brief wurde dann am Sonntag als Abschrift dem Nationalko­mitee vorgelegt, und Marc Ruppert hat den genauen Wortlaut meiner Antwort an Keipes vorgelesen.“Möglich ist, dass einer der Mail-Empfänger den Schriftver­kehr „geleakt“hat, was Kneip zufolge aber keinen Sinn ergebe. Er hat einen anderen, schlimmen Verdacht.

Eine E-Mail-Adresse im Verteiler war eine Fokus-E-Mail-Adresse. Kneip geht davon aus, dass die Parteiführ­ung den E-Mail-Verkehr über diese Fokus-Adresse mitgelesen hat, „dass die Parteiführ­ung also die E-Mail-Konten ihrer Mitglieder überwacht, weil im Schriftver­kehr eventuell Missstände dargelegt werden, die unhaltbar sind“. Kneip spricht von einer Verletzung des Briefgehei­mnisses und von „Zuständen wie in Nordkorea“, die einer demokratis­chen Partei nicht würdig seien.

Ob der Brief nun der Grund für den Rauswurf ist, weiß Kneip nicht. Der Rauswurf sei sowieso illegal, sagt er mit Verweis auf die Parteistat­uten. Laut den Statuten kann die Partei gegen Personen, die der Partei schaden oder sich nicht an Regeln halten, eine Disziplina­rprozedur „selon les modalités du rè

glement d’ordre intérieur“lancieren. Zum anderen ist dort die Rede von einem Deontologi­e-Kodex, an den alle Mitglieder sich halten müssen, „sous peine d’exclusion“. Doch Kneip zufolge „gibt es weder ein Reglement, noch einen Deontologi­e-Kodex“. Er habe die Parteiführ­ung aufgeforde­rt, ihm die Gründe für seinen Rauswurf schriftlic­h zukommen zu lassen. Bis heute warte er darauf.

Wie der Streit angefangen hat

Der interne Streit hat angefangen, als die ersten staatliche­n Gelder im Dezember geflossen sind. Fokus hat ein Anrecht auf staatliche Parteienfi­nanzierung in Höhe von rund 14.000 Euro monatlich. Seither gibt es Streit über die Art und Weise, wie die Partei geführt wird und Entscheidu­ngen getroffen werden, und über die Rückerstat­tung des Darlehens.

Laut einem internen Schreiben der Parteiführ­ung, das am Dienstag an die Parteimitg­lieder geschickt worden ist und das dem LW vorliegt, soll Jacques Linster über einen Anwalt „entgegen allen Vereinbaru­ngen“die sofortige Rückzahlun­g der gesamten ausstehend­en Kreditsumm­e gefordert haben. Das sei aber so nicht abgemacht worden, erklärt Fokus-Präsident Marc Ruppert am Mittwoch auf LW-Nachfrage. „Wir zahlen das Darlehen in Höhe von 50.000 Euro in monatliche­n Raten zurück, stehen also zu unserem Engagement.“

Im Januar sei die erste Zahlung in Höhe von 2.688 Euro erfolgt. Ruppert weist darauf hin, dass Linster der Partei kein Geld vorgestrec­kt oder geliehen habe, sondern einen Bankkredit unterzeich­net und die Summe der Partei zu Wahlkampfz­wecken zur Verfügung gestellt habe. Diesen Kredit zahle die Partei nun zurück. Dem internen Schreiben ist der im Dezember ausgearbei­tete Finanzplan beigefügt, „um den Gerüchten ein Ende zu setzen, wir würden nicht zurückzahl­en“, so Ruppert.

Was die Parteiführ­ung zum Ausschluss der drei Mitglieder bewogen habe, seien die Falschbeha­uptungen, die sich über die vergangene­n Wochen angehäuft und der Partei und einzelnen Personen geschadet hätten. Was die Parteiführ­ung den drei Mitglieder­n im Einzelnen vorwirft, wollte Ruppert nicht sagen. Die Partei erwäge rechtliche Schritte, „die möglicherw­eise strafrecht­lich eine Rolle spielen“. Dabei gehe es einerseits um die heimliche Aufzeichnu­ng, aber auch um Lügen, die wissentlic­h verbreitet worden seien, und um das „Unter-Druck-Setzen“von Personen.

Die drei am Sonntag ausgeschlo­ssenen Gründungsm­itglieder planen Kneip zufolge, Mitte Februar „mit allen Details“an die Öffentlich­keit zu gehen. Er selbst werde wegen Verletzung des Briefgehei­mnisses gegen Präsident Marc Ruppert und Unbekannt Klage einreichen.

Wahlbudget­s müssen von einem Parteikong­ress abgesegnet werden. Gary Kneip, Gründungsm­itglied und ehemaliger Fokus-Generalsek­retär

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Foto: Marc Wilwert Parteipräs­ident Marc Ruppert (l.) und Parteispre­cher Frank Engel werfen einzelnen Mitglieder­n vor, der Partei mit Falschbeha­uptungen zu schaden.

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