Die Piraten könnten mit erneuter Transparenz-Klage scheitern
Die Partei zieht vor das Verwaltungsgericht, um Einblick in die Corona-ImpfstoffLieferverträge zu bekommen. Mit ungewissem Ausgang
Beim Rechtsstreit, um Einblick in die Verträge zu den Corona-Impfstoff-Bestellungen zu bekommen, seien die Plädoyers vor dem Verwaltungsgericht für Januar 2025 angesetzt, teilte Sven Clement am Montagmorgen Journalisten mit.
Der Piraten-Abgeordnete versucht seit August 2020 Einblick in jene Verträge zu erhalten, die die Europäische Kommission im Namen der Luxemburger Regierung mit verschiedenen Pharmafirmen geschlossen hatte, um die Bevölkerung während der CovidPandemie mit Impfstoff zu versorgen.
Trotz mehr als einem Dutzend parlamentarischer Anfragen bei der Regierung und acht Briefen beim zuständigen Gesundheitsministerium hatte Clement keinen Einblick bekommen und deshalb am 14. Februar 2023 gegen das Ministerium auf Zugang zu den Verträgen vor dem Verwaltungsgericht geklagt. Das „Wort“berichtete.
Insgesamt sollen die Verträge einen Wert von geschätzt 67 Millionen haben, allerdings ist unklar, zu welchen Konditionen diese abgeschlossen wurden. Darin haben sich die EU-Länder verpflichtet, weiterhin Impfstoffe einzukaufen, dies, obwohl die Pandemie als beendet gilt, und bereits mehr als 1,1 Millionen Impfdosen vernichtet werden mussten.
Pirat Sven Clement kritisiert fehlende Transparenz
Der Piraten-Abgeordnete kritisiert die mangelnde Transparenz der Regierungen, denn nachdem er bereits von der vorigen Gesundheitsministerin keinen Einblick erhalten hatte, scheint die neue Gesundheitsministerin dieselbe Haltung in dem Dossier einzunehmen.
Dies obwohl, wie Clement betont, mit dem „Arrêt Clement“der Verwaltungsgerichtshof (in der Affäre um den RTL-Konzessionsvertrag) geurteilt hatte, dass Abgeordnete berechtigt sind, Zugang zu solchen Informationen zu bekommen. Und seit 1. Juli mit der neuen Verfassung dieses Recht auch dort verankert wurde.
Die Chamber hat zudem ihre Verfahrensregeln beim Zugang zu vertraulichen Dokumenten im Rahmen einer neuen Hausordnung überarbeitet. Sodass Clement argumentiert, die Dokumente müssten nun für ihn einsehbar sein. „Da wird parlamentarische Kontrolle verhindert, dabei ist sie genau da gefragt“, unterstrich Sven Clement.
Recht der Abgeordneten mit Verfassung vom Juli 2023 gestärkt
Allerdings, so glasklar, wie sie der Pirat schildert, ist die Bewertung der Rechtslage vielleicht nicht: Zum einen handelt es sich bei dem Fall um einen, in dem Europäisches Recht und nationales Recht aufeinandertreffen. Clement argumentiert selbst, die Europäische Kommission habe die Impfstoff-Einkäufe getätigt – allerdings im Auftrag der Mitgliedstaaten.
Das Gesundheitsministerium hatte seinerzeit unter anderem argumentiert, die Dokumente nicht herausgeben zu können, weil Europäisches Recht und Vertraulichkeit auf der Ebene tangiert sei. Tatsächlich sind auch auf EU-Ebene Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg anhängig, um Einblick in die Verträge zu den Impfstofflieferungen zwischen Kom
mission und Pharmafirmen fordern. Bisher ist kein Urteil gefallen.
EU-Abgeordnete der Grünen/EFA-Fraktion, darunter die Luxemburger Grüne Tilly Metz, hatten bereits im Oktober 2021 beim Europäischen Gerichtshof Klage eingereicht, in der sie die „stillschweigende Weigerung“der Kommission beklagen, Zugang zu Informationen im Zusammenhang mit Impfstoffverträgen zwischen der Europäischen Kommission und Impfstoffherstellern zu gewähren.
Die Sache hat noch einen zweiten Haken: Clement hat vor dem Luxemburger Verwaltungsgericht Mitte Februar 2023 geklagt. Das war nach der Weigerung des Gesundheitsministeriums Anfang Februar, Einsicht zu gewähren. Damals jedoch war die Rechtslage eine andere und das Recht der Abgeordneten nicht zusätzlich gestärkt. „Der Zugang ist heute klarer gere
gelt“, sagt Jörg Gerkrath, Rechtsprofessor an der Uni Luxemburg, Spezialist in öffentlichem Recht und in Europarecht. Gerkrath war beteiligt an einem Rechtsgutachten für das Gesundheitsministerium.
Ähnliche Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig
Er sieht Chancen für die Regierungsseite: Weil die Rechtslage zu dem Zeitpunkt eine andere gewesen sei – und weil die Frage nach der Zuständigkeit, EU-Ebene oder nationale Ebene, nicht einwandfrei geklärt sei.
Sven Clement hat inzwischen eine weitere Anfrage an die neue Gesundheitsministerin Martine Deprez (CSV) gestellt und auch sie aufgefordert, ihm Einsicht in die Dokumente zu geben – allerdings sei die ministerielle Position unverändert. Seine Klage vor dem Verwaltungsgericht basiert jedoch auf der Verweigerung noch unter der LSAP-Gesundheitsministerin Paulette Lenert – und somit der damals geltenden Rechtslage.
Im Januar sollen die Plädoyers der beiden Seiten vor dem Verwaltungsgericht gehört werden. Ein Urteil könnte dann vielleicht im Laufe des Frühjahrs fallen. Mit Berufungsverfahren könnte es allerdings bis nach 2026 dauern, bis endgültig geklärt ist, ob ein Parlamentarier Einblick in die umstrittenen Lieferverträge bekommt.
Da wird parlamentarische Kontrolle verhindert, dabei ist sie genau da gefragt Sven Clement, Abgeordneter der Piratepartei