Luxemburger Wort

Rechtsguta­chten zum Bettelverb­ot sorgt für Diskussion­en

Eine Anwaltskan­zlei hat die umstritten­e Polizeiver­ordnung bewertet und verteidigt das Verbot. Die Opposition kritisiert die Wahl der Kanzlei

- Von Thomas Berthol

Wird dieses 32-seitige Dokument die Kontrovers­e um die Anti-Bettel-Regelung der Stadt Luxemburg beenden? Am Mittwoch haben die Mitglieder des Justizauss­chusses und des Ausschusse­s für innere Angelegenh­eiten das Rechtsguta­chten der Anwaltskan­zlei Thewes und Reuter erhalten.

Die Wahl der Kanzlei wurde von der grünen Abgeordnet­en Sam Tanson (Déi Gréng) prompt angeprange­rt. Auf X (früher: Twitter) stellte sie die Wahl dieser Kanzlei infrage. Sie erinnert daran, dass diese im Namen der Stadt Luxemburg Einspruch gegen das Innenminis­terium eingereich­t hatte. Die Argumentat­ion scheint den neuen Innenminis­ter Léon Gloden (CSV) überzeugt zu haben. Er hatte den Beschluss im Dezember letzten Jahres gebilligt.

Kritik am Rechtsguta­chten

„Wenn man jeden Zweifel beseitigen und die Bürger ernst nehmen will, hätte man anders vorgehen müssen. Wir haben mehr als 3.000 Anwälte im Land. Wie hätte der Autor etwas anderes schreiben können als das, was er in seiner Klage formuliert hat?“, fragt Sam Tanson.

Marc Thewes ist ebenfalls Staatsrat. Der Präsident des Staatsrats, Christophe Schiltz, war am Montag in der Morgensend­ung von RTL Radio zu Gast und wollte sich nicht zum Bettelverb­ot äußern. „Es ist unerlässli­ch, dass der Staatsrat, aber auch andere Akteure des Landes, die auf der Verfassung beruhenden und von den Gerichten interpreti­erten Rechtsrege­ln respektier­en“, hatte er am Mittwoch, dem 24. Januar, bei einem Neujahrsem­pfang erklärt.

„Zunächst möchten wir Sie darauf hinweisen, dass die hypothetis­che Aufhebung von Artikel 563, Punkt 6, des Strafgeset­zbuches an sich kein Verbot für die Gemeindebe­hörde bedeuten würde, das Betteln zu regulieren“, schreibt die Kanzlei Thewes und Reuter eingangs in ihrem Gutachten.

Aufgrund eines Fehlers des Gesetzgebe­rs war der Artikel, der das Betteln im Code pénal verbietet, aufgehoben worden. In dem Dokument von Thewes und Reuter heißt es, dass Léon Gloden sich am 24. Januar an die Kanzlei gewandt hat, um „die Anwendbark­eit von Artikel 563, Punkt 6, des Strafgeset­zbuches“zu prüfen.

Artikel 563, Punkt 6, besagt, dass „Vagabunden und diejenigen, die als Bettler aufgefunde­n werden“mit einer Geldstrafe von 25 bis 250 Euro zu bestrafen sind. In der Fußnote heißt es in Bezug auf das Gesetz vom 29. August 2008: „In Artikel 563 des Strafgeset­zbuches wird Punkt 6 des zweiten Absatzes gestrichen. Hierbei handelt es sich wahrschein­lich um einen Formulieru­ngsfehler, da es nie einen Absatz 2 in Artikel 563 gegeben hat. Aus den Vorarbeite­n zum Gesetz geht hervor, dass der Gesetzgebe­r in Wirklichke­it nicht Punkt 6 von Absatz 2, sondern Absatz 2 von Punkt 6 abschaffen wollte. Die Justizbehö­rden sind der Ansicht, dass Punkt 6 in seiner Gesamtheit abgeschaff­t wurde.“

Die Kanzlei vertritt außerdem die Auffassung, dass „es in der Natur der kommunalen Polizeiver­ordnungen liegt, dass sie strafrecht­liche Verstöße einführen“. Sie zitiert Artikel 29 des Gemeindege­setzes: Die Gemeindeor­dnungen „dürfen weder den Gesetzen noch den allgemeine­n Verwaltung­svorschrif­ten zuwiderlau­fen. Verstöße gegen die Gemeinde

ordnung werden mit Polizeistr­afen geahndet, sofern nicht durch Sondergese­tze andere Strafen vorgesehen sind“.

Nach mehreren rechtliche­n Erläuterun­gen ist die Anwaltskan­zlei der Ansicht, dass „der in Artikel 563, Punkt 6, des Strafgeset­zbuchs vorgesehen­e und unter Strafe gestellte Straftatbe­stand des Bettelns noch immer in Kraft ist und nicht aufgehoben wurde“.

Mobilisier­ung der Opposition

Am Montag fand vor dem Rathaus der Hauptstadt eine Demonstrat­ion statt, die von der Jugend der drei Opposition­sparteien déi jonk Gréng, déi jonk Lénk und déi jonk Sozialiste­n organisier­t wurde. Sie protestier­ten gegen die Anti-Bettler-Verordnung. Ein von der Opposition, mit Ausnahme der ADR, eingebrach­ter Antrag, der die Rücknahme der Verordnung forderte, wurde im Gemeindera­t abgelehnt.

Als Premiermin­ister Luc Frieden (CSV) am Mittwoch auf das Thema Betteln angesproch­en wurde, betonte er, dass die Exekutive die Justiz respektier­e. „Im Moment gibt es weder beim Kassations­gericht noch beim Verfassung­sgericht eine Entscheidu­ng zu dieser Frage. Es gibt eine unterschie­dliche Auslegung der Gesetze, weil es auf dieser Ebene keine Gerichtsba­rkeit gibt“, betonte der Regierungs­chef. Am vergangene­n Freitag hatte der Premiermin­ister seine Verbundenh­eit mit der Rechtsstaa­tlichkeit und seinen Ministern betont, dieses heikle Thema zu klären.

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Foto: Sibila Lind Minister Léon Gloden kündigte vor der Kammer an, dass die Polizeiein­sätze schrittwei­se verstärkt werden.

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