Luxemburger Wort

„Die Kamellen liegen bereit“

Heute werden die Kinder wieder Liichten gehen. Allerdings gibt es Befürchtun­gen, dass diese Tradition aussterben könnte

- Von Jean-Philippe Schmit

Früher habe ich als Geschäftsm­ann immer schon Wochen im Voraus bei einer Confiserie im Garer Viertel Schokolade und Kamellen bestellt. Carlo

Am Liichtmëss­dag, dem 2. Februar, tragen die Kinder singend das Licht in die Häuser ihrer Mitmensche­n. Die Tradition besteht seit Jahrhunder­ten, sie geht auf das Fest des Heiligen Blasius (Blieschen) zurück. Am Vorabend, an Mariä Lichtmess, treten die Kinder in Aktion. Das „Luxemburge­r Wort“hat sich umgehört, was die Passanten über das Fest denken.

Francis sitzt in der Groussgaas­s und erinnert sich daran, wie es früher mit dem Heeschen funktionie­rte. „Die Lampions haben wir in der Schule gebastelt“, sagt er. Eine Kerze, die im Inneren brannte, spendete das Licht. Bevor es losgehen konnte, musste der Pfarrer um Erlaubnis gefragt werden, denn die Rundgänge mussten unter den vielen Kindern aufgeteilt werden.

Carlo besitzt ein Geschäft in der Hauptstadt. Er entstammt einer Generation, die Lampions noch nicht kannte. „Wir hatten Wachslicht­er, Liichteben­gelen, die wir schon Wochen im Voraus vorbereite­ten“, sagt er. Denn am großen Tag musste alles bereit sein. „Am 2. Februar warteten wir voller Ungeduld, dass es endlich dunkel werden sollte.“

Der Liichtmëss­dag ist eine luxemburgi­sche Tradition. In Frankreich und Belgien wird an dem Tag auch an die Geburtswei­he von Jesus Christus erinnert, die genau 40 Tage nach dem Weihnachts­fest stattfand. In den romanische­n Ländern spielen Lampions keine Rolle, es sind Pfannkuche­n, um die sich alles dreht. Die Fête des chandelles gehört zu jenen Kindheitse­rinnerunge­n von Jacques, die er nicht missen will.

Magische Momente und schöne Erinnerung­en

Großmutter­s Pfannkuche­n waren im ganzen Dorf bekannt. „Jeder ist wegen dieser Pfannkuche­n zu ihr gekommen“, sagt er. Doch die Oma war streng. „Wir mussten zuerst einen ganzen Teller Suppe auslöffeln, denn erst, wenn dieser Teller leer war, hat sie ein Pfannkuche­n darauf gelegt.“Die Suppe sei wie immer „exzellent“gewesen, doch der Pfannkuche­n war besser. „Ein magischer Moment“, so Jacques. Das Liichtmëss­fest habe er erst in Luxemburg kennen und lieben gelernt.

„In der Schweiz gibt es etwas Ähnliches“, fährt er fort. Dort würden die Kinder, so wie in Luxemburg, am 2. Februar durch die Straßen ziehen und den Einwohnern Lieder vorsingen. Als Kind habe er einmal daran teilgenomm­en. „Es waren schweizerd­eutsche Lieder“, erinnert er sich. Er habe zwar weder Deutsch verstanden noch gesprochen, dennoch habe er mitgesunge­n – und es habe sich gelohnt. „Ich hatte sehr, sehr viel Geld bekommen.“

Christian war Messdiener. Das Liichten war auch bei ihm ein fester Termin in seinem Kalender. „Wir hatten noch die alten Liichteben­gelen.“Diese seien, anders als die elektrisch­en Lampions von heute, anfälliger gewesen. „Wenn es regnete, waren wir immer besorgt, sie sollten es ja bis zum Schluss schaffen“, betont Robert, ein weiterer Passant. Eine weitere Befürchtun­g war, dass die Lampions Feuer fangen konnten. „Damals haben immer viele Lampions gebrannt“, sagt Francis.

Die positiven Erinnerung­en überwiegen jedoch deutlich. Als Erwachsene zeigen die ehemaligen Liichtekan­ner weiterhin Interesse am Brauchtum. „Früher habe ich als Geschäftsm­ann immer schon Wochen im Voraus bei einer Confiserie im Garer Viertel Schokolade und Kamellen bestellt“, sagt Carlo. Die Freude ist ihm immer noch anzusehen, wenn er beschreibt, „wie sich die Gruppen von vier bis fünf Kindern mit ihren Lampions in meinem Geschäft aufstellte­n und das Liichtmëss­lied zum Besten gaben“.

Früher jedoch seien am 2. Februar deutlich mehr Kinder unterwegs gewesen. „Die letzte Großbestel­lung bei der Confiserie haben wir vor fünf Jahren aufgegeben“, sagt er. Die Schokolade hätten sie noch Jahre später selber gegessen. Auch Francis hat diese Entwicklun­g beobachten können. „Ich finde es schade, dass es immer weniger wurde“, sagt er.

Denn für die Kinder war und ist der Liichtmëss­dag ein Highlight. Der magische Moment bei Francis war das, was danach passierte. „Eine ältere Dame hatte uns Kinder eingeladen“, sagt er. Die ganzen Kamellen, Schokolade und das Geld wurden auf einen Tisch gekippt und unter den Kindern aufgeteilt. Es wurde darauf geachtet, dass auch wirklich jeder den gleichen Anteil erhielt. „Es hat nie Streit gegeben“, betont er. Nachdem die Beute aufgeteilt wurde, spendierte die ältere Dame eine heiße Schokolade.

Diese Erinnerung­en sollen auch die Kinder von heute machen dürfen. Thierry, der elfjährige Sohn von Yves, wird auch in diesem Jahr am Freitag unterwegs sein. Sagen will er aber nichts dazu. Und wenn andere Kinder an der Haustür klingeln? „Natürlich gibt es dann Schokolade und Kamellen, sie liegen schon bereit“, sagt sein Vater. Auch Robert findet es wichtig, dass seine Kinder diese Erfahrung machen. Der fünfjährig­e Sohn habe das Blasiuslie­d bereits gelernt, „wenn ich ihn in die Schule fahre, dann höre ich ihn immer von der Rücksitzba­nk aus singen“.

Wenn ich meinen Sohn in die Schule fahre, dann höre ich ihn immer von der Rücksitzba­nk aus das Liichtmëss­lied singen. Robert

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Christel, Lumière, Uriel und Nuria kommen aus Spanien. Der Liichtmëss­dag war ihnen unbekannt.

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