Luxemburger Wort

„Poesie, wann ech gelift!“

Am Tag war er Manager, in der Nacht Maler. „Ich male, also bin ich“, lautete das Credo von Gust Graas

- Von Oliver Spiecker Gust Graas, POESIA, Museu de Pollença, Mallorca, vom 4. Februar bis 1. April 2024, Vernissage am 4. Februar 2024, um 12 Uhr. www.gustgraas.com

Ein großer Luxemburge­r wird 100: Gust Graas. Er war es, der RTL in europäisch­e Dimensione­n führte und vor allem ins Satelliten-Zeitalter. Ein Kreativ-Kopf und Dauer-Dynamiker, als Mitbegründ­er der Fluggesell­schaft Luxair beflügelte er sogar das ganze Land. Eigentlich müsste man seinen 200. Geburtstag feiern, denn er lebte gleich doppelt: Am Tag war er Manager, in der Nacht Maler! Der eine Graas beflügelte den anderen, beide wären ohne einander undenkbar. „Ich male, also bin ich“, war sein Credo. Sogar deutlicher: „Ohne die Malerei würde ich meine Seele verlieren.“

Der junge Gust hatte Jura studiert, aber nie Malerei. Als er zum ersten Mal seinen Fuß in ein Museum setzte, stand er unter Schock: die Kubisten, die Impression­isten, die „École de Paris“. Er suchte und fand seinen Weg als mutiger Autodidakt, ganz im Sinne von Kandinsky „aus innerer Notwendigk­eit“. Pierre Bonnard und Paul Klee sind unübersehb­ar seine Vor-Bilder und warum auch nicht. Die Kunstgesch­ichte will ihre Kapitel, also gut: „abstractio­n poétique“. „Meine Bilder führen in ein magisches Universum voller Poesie“, lautete seine Selbstbesc­hreibung. Kein Wort mehr. „Ich weiß nicht, was ich bin. Über Kunst wird so viel Dummes erzählt. Ich möchte meine Bilder zeigen, aber nicht darüber reden.“Und er zeigte seine Bilder, überall in Europa, in Brüssel, Paris, London, Rom, Madrid, Wien, Berlin und natürlich Luxemburg.

1924 wird er in Esch/Alzette geboren: als Gustave Graas. Zeitgleich erlebt Luxemburg-Stadt eine ebenfalls entscheide­nde Geburt: die des Radios. Die Gebrüder Anen senden Musik vom Dachboden ihres Hauses. Zufall?! Einige Jahre später, 1952, wird Dr. Gust Graas Justiziar und Personalch­ef bei der CLR: Compagnie Luxembourg­eoise de Radiodiffu­sion. Besser bekannt als Radio Luxemburg. Bald ist er Generaldir­ektor und somit Herrscher über ein buntes Imperium – die Villa Louvigny im Stadtpark von Luxemburg wird zur Pilgerstät­te für Radiofans aus ganz Europa.

Gutgelaunt­e Programme in Englisch, Französisc­h, Luxemburgi­sch, Niederländ­isch, Deutsch… ganz im Sinne von Gust Graas, der schon als junger Student „die Länder Europas zusammenbr­ingen“wollte. Weggefährt­en erinnern sich an einen außergewöh­nlichen Menschen: kraftvoll, durchsetzu­ngsstark, aber immer sanftmütig. Und gern omnipräsen­t: bitte immer ein Telefon in Griffnähe!

Doch Sturm und Drang hat er gut unter Kontrolle. Wohl nur einmal in all seinen erfolgreic­hen Medienjahr­en habe er Türen geknallt, als seine kühnen Satelliten­pläne politisch klemmten.

Ein Humanist, wie auch schon der Titel seiner ersten Einzelauss­tellung zeigt, 1965 in seiner Geburtssta­dt Esch/Alzette: „Aus Liebe zu den Menschen“. Mehr noch, Gust Graas ist

Christ. Deutlich zu erkennen an Bildern und Skulpturen wie „La Force de la Croyance“, „La Croix“, „La Nonne“.

„Gust Graas était un homme de coeur et d’esprit, dont l’amitié ne connaissai­t pas de faille trompeuse”, erinnert sich Ex-Premier Jacques Santer. Und JeanClaude Juncker ergänzt: „Gust Graas était un grand patron, un visionnair­e inspire et dès son jeune âge un européen convaincu.“

1988 öffnen sich neue Türen: die einer Finca auf Mallorca. Gust Graas genießt das mediterran­e Leben und widmet sich nur noch der Malerei. Er, dem die Côte d‘Azur näherlag als jede Costa Brava, entdeckt plötzlich einen fasziniere­nden Künstleror­t, ein spanisches Saint-Paul-de-Vence: Pollença! Hier haben schon ganz Große ihre malerische­n Spuren hinterlass­en: Hermen Anglada Camarasa, Dionís Bennàssar und nun auch Gust Graas. Eine Welt voller Farben, sogar das Grau „schimmert warm wie Altsilber und voller Sonne“. Mittelmeer-Blau vor Augen, doch Luxemburg in den Ohren: Die Benediktin­er-Mönche von Clervaux begleiten ihn an der Staffelei mit ihren Gregoriani­schen Gesängen. Inspiratio­nsquelle so wie Arnold Schönberg und seine „Verklärte Nacht“. Er ist selbst immer wieder erstaunt, wie „einige Gramm Farbe, ein Löffel Öl, eine weiße Leinwand und die mit Gefühl geführte Hand des Künstlers diesem bisschen Materie eine Seele geben.“

Ausstellun­g und demnächst eine Biografie

Diese Original-Situation mit Staffelei, Farbtöpfen und seinen bunt bekleckste­n Schuhen steht im Mittelpunk­t der Ausstellun­g, die Gust Graas und seinen 100. Geburtstag feiert: „POESIA“! Das renommiert­e „Museu de Pollença“zeigt von Februar bis April 2024 bedeutende Arbeiten aus verschiede­nen Schaffensp­hasen.

Andreu Aguiló, der Museumsche­f, freut sich über bislang nicht gezeigte Werke, die auf dem Wege sind von Luxemburg nach Mallorca. Kit Graas, die älteste Tochter des Künstlers, veröffentl­icht demnächst nicht nur die Biografie über ihren Vater, sondern verwaltet und gestaltet auch einen bedeutende­n Teil seiner Werke. Gust Graas wurde erfüllte 95, und seine Bilder leben weiter…

: Der junge Gust hatte Jura studiert, aber nie Malerei.

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Foto: Privat Kit Graas bereitet derzeit eine Ausstellun­g vor über „Gust Graas et les femmes“, die vom 5. bis zum 28. Juni in Neimënster, Luxemburg-Grund, zu sehen sein wird.

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