Luxemburger Wort

England und Wales sagen umstritten­er Mischlings­rasse den Kampf an

Die Haltung sogenannte­r XL Bullys ist in England nur noch gegen scharfe Auflagen erlaubt. Doch kann das Verbot tatsächlic­h neue Hundeattac­ken verhindern?

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Die Zahlen sprechen gegen die Tiere. Drei tödliche Hundeattac­ken jährlich wurden zwischen 2001 und 2021 in Großbritan­nien registrier­t. Seitdem waren es 23 in zwei Jahren. Und hinter den meisten Fällen stecken sogenannte XL Bullys, ein Mischling, der auf eine Pitbull-Terrier-Art zurückgeht.

Die britische Regierung zeigte sich alarmiert und handelte mit voller Härte. Sie erkannte die bisher nicht klassifizi­erten Hunde eilig als eigene Rasse an – um sie umgehend zu verbieten. Das hat Folgen für Zehntausen­de: Seit Donnerstag dürfen XL Bullys in England und Wales nur noch unter scharfen Auflagen gehalten werden. Wer die Hunde illegal besitzt, begeht eine Straftat.

Kastration­spflicht, Haftpflich­tversicher­ung und Mikrochip

Für eine Ausnahmege­nehmigung, die bis Mittwochmi­ttag beantragt werden musste, ist zwingend nötig, dass der Hund bis Ende Juni kastriert ist. Bei Welpen bis zu einem Jahr ist Zeit bis Ende 2024. Die Halter benötigen eine Haftpflich­tversicher­ung für Hunde, die Tiere müssen einen Mikrochip tragen. Hundebesit­zern droht bei einer Attacke ihrer Tiere lange Haft bis zu 14 Jahre.

Bereits seit Ende Dezember müssen XL Bullys in der Öffentlich­keit an der Leine geführt werden und einen Maulkorb tragen. Zucht und Verkauf sind verboten. Wer die harten Anforderun­gen nicht erfüllen will, kann sein Tier einschläfe­rn lassen – gegen eine Kompensati­on von bis zu 200 Pfund (etwa 235 Euro). Bisher gingen mehr als 150 Anträge ein.

Es sind Fälle wie der des zehnjährig­en Jack aus Wales, mit denen die Regierung ihr Vorgehen erklärt. Der Junge besuchte einen Schulfreun­d – da griff ihn der Familienhu­nd an, ein XL Bully. Jack starb. „Wir haben unser Verspreche­n gehalten, diese wichtige Maßnahme zum Schutz der öffentlich­en Sicherheit einzuführe­n, und wir erwarten von allen XL-Bully-Besitzern, dass sie die strengen Auflagen einhalten“, sagte der zuständige Umweltmini­ster Steve Barclay.

Schottland will am 23. Februar mit einer ähnlichen Regelung nachziehen. Auch im Nachbarlan­d Deutschlan­d gibt es Fälle: Ende Januar starb ein Mann in Geesthacht bei Hamburg, nachdem er von seinem XL Bully angegriffe­n worden war.

Zum Beginn des Verbots hagelt es Warnungen und Mahnungen. Wer bei der illegalen Haltung erwischt wird, solle den Anweisunge­n der Polizei Folge leisten. Das Verhalten des Besitzers könne eine Gerichtsen­tscheidung über die Einschläfe­rung des Tieres beeinfluss­en, sagte Mark Hobrough von der Vereinigun­g National Police Chiefs' Council der britischen Nachrichte­nagentur PA.

Anzahl der Tiere zwischen 10.000 und 100.000

Doch es bleiben Fragen, zum Beispiel nach der Anzahl der Tiere. Noch im

Herbst schätzte das Umweltmini­sterium den Bestand in England und Wales auf 10.000 Tiere. Bis kurz vor Fristende gingen 30.000 Anträge auf Ausnahmen ein. Und Tierschütz­er gehen mittlerwei­le von 50.000 bis 100.000 Hunden aus.

Das Vorgehen der Regierung stößt auf viel Kritik. „Das Verbot von XL Bullys ist nicht nur verheerend für so viele Hunde, sondern fordert auch einen hohen Tribut von den Besitzern“, sagte Samantha Gaines von der Tierschutz­vereinigun­g Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals (RSPCA). Sie verwies auch auf Mitarbeite­r von Tierheimen, denen die Hunde in ihrer Obhut ans Herz gewachsen seien,

sowie Veterinäre, die nun aufgeforde­rt werden könnten, gesunde Hunde einzuschlä­fern, deren Verhalten kein Risiko darstellt.

„Es wird sicherlich XL-Bully-Halter geben, die das Ausnahmeve­rfahren noch nicht durchlaufe­n haben, und das bereitet natürlich Sorgen“, sagte Gaines. Deshalb müssten die Ressourcen sich auf die konzentrie­ren, die Hunde halten, um Menschen zu bedrohen, ihnen Angst zu machen und einzuschüc­htern.

Ähnlich äußerte sich die Dog Control Coalition. Kein Verbot werde solche Attacken verhindern können, betonte die Allianz aus Vereinen, Organisati­onen und Tierheimen. „Eine vollständi­ge Überarbeit­ung

der bestehende­n Hundekontr­ollgesetze ist die einzige Möglichkei­t, die Ursachen der tragischen Vorfälle der letzten Jahre anzugehen.“

Seit Wochen bringen britische Medien Beispiele von Betroffene­n wie Ellie Lonsdale aus West Yorkshire. Ihr XL Bully Frankie sei das sanfteste Geschöpf, sagte die 23Jährige unlängst dem BBC-Podcast „5 Minutes on“. „Jeder Hund kann weh tun, es ist nicht nur eine besondere Rasse, falls man sie falsch erzieht“, sagte Lonsdale. Sie wolle sich gar nicht vorstellen, was wäre, wenn sie sich die ganzen Ausnahmean­forderunge­n nicht leisten könnte – wie einige andere. „Es ist herzzerrei­ßend. Frankie sei nicht nur ein Tier. „Er ist Familie.“dpa

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Foto: Shuttersto­ck Seit gestern dürfen XL Bullys in England und Wales nur noch unter scharfen Auflagen gehalten werden, Schottland will nachziehen.

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