Brodelnder Sumpf der Niedertracht
In Luxemburg schleicht sich ein gefährlicher Diskurs ein: Wer verdient das Etikett „echter Luxemburger“, wer nicht? Ein Beispiel dafür ist die merkwürdige Debatte um die in Israel geborene Sängerin Tali Golergant, die das Großherzogtum beim Eurovision Song Contest vertreten wird. Es sei unverständlich, warum eine gebürtige Ausländerin einer Luxemburgerin vorgezogen werde, empörten sich manche.
Warum sollte eine gebürtige Israelin, die immerhin zehn Jahre hier lebte und den Pass mit dem roten Löwen besitzt, das Land nicht bei einem internationalen Event vertreten? Nur, weil sie kaum Luxemburgisch spricht? Mit Stolz weisen manche darauf hin, dass Luxemburg den „Grand Prix Eurovision“insgesamt fünfmal gewonnen hat. Nicht ein einziges Mal stand dabei ein „Stacklëtzebuerger“auf der Bühne, um vor europäischem Publikum ein urluxemburgisches Volkslied über die unberührte Landschaft des Öslings zum Besten zu geben.
Geradezu bizarr mutet die Sehnsucht mancher nach einem unverfälschten „Luxemburgertum“an. Es ist inakzeptabel, wenn bestimmte Krawallmacher scharfe Trennlinien zu „den Anderen“, die sich hier niedergelassen haben und immerhin 47,4 Prozent der Einwohner ausmachen, ziehen. Zum Glück zählt diese radikalpatriotische Gruppe hierzulande zu einer absoluten Minderheit. Einwanderung wird von einem Großteil der Bevölkerung immer noch positiv gesehen.
Als Vehikel für Ausgrenzung und Spaltung dient den scheinbar heldenhaften Patrioten vermehrt die Landessprache. Eine Aktuelle Stunde in der Chamber zu einer Statec-Erhebung über die Zahl der Luxemburgisch-Sprecher im Land hat diese Woche einmal mehr gezeigt, dass es rechten Parteien wie der ADR nicht um Fakten geht, sondern darum, konstant Öl ins Feuer gießen.
Umso erstaunlicher ist es, dass der Identitätsdiskurs nun auch von Vertretern des linken Parteienspektrums befeuert wird. Der Sänger und déi-Lénk-Aktivist Serge Tonnar hatte diese Woche alle Mühe, die Debatte auf seiner Facebook-Seite wieder einzufangen, nachdem er den mangelnden künstlerischen Wert des Luxembourg Song Contest scharf kritisiert hatte. „Il n‘y a pas une seule chanson qui parle de Luxembourg ou de ce qui s‘y pas, et pas une seule ligne dans notre langue“, hatte Tonnar unter anderem geschrieben. Wer mit den Wölfen heult, um Likes zu sammeln, darf sich nicht wundern, wenn ihm die Sache nolens volens um die Ohren fliegt.
Luxemburg genießt im Ausland den Ruf eines weltoffenen und multikulturellen Landes. Bei genauerem Hinsehen kommen jedoch manchmal Zweifel an diesem Bild auf. Es wäre fatal, wenn die Stimmung aus dem brodelnden Sumpf der Niedertracht in den Online-Kommentarforen in die breite Gesellschaft überschwappen würde.
Die Landessprache darf kein Vehikel für Ausgrenzung und Spaltung sein.