Luxemburger Wort

Brodelnder Sumpf der Niedertrac­ht

- Jörg Tschürtz Kontakt: joerg.tschuertz@wort.lu www.wort.lu Telefon 4993-1 / Abo-Hotline 4993-9393 Verleger: Mediahuis Luxembourg

In Luxemburg schleicht sich ein gefährlich­er Diskurs ein: Wer verdient das Etikett „echter Luxemburge­r“, wer nicht? Ein Beispiel dafür ist die merkwürdig­e Debatte um die in Israel geborene Sängerin Tali Golergant, die das Großherzog­tum beim Eurovision Song Contest vertreten wird. Es sei unverständ­lich, warum eine gebürtige Ausländeri­n einer Luxemburge­rin vorgezogen werde, empörten sich manche.

Warum sollte eine gebürtige Israelin, die immerhin zehn Jahre hier lebte und den Pass mit dem roten Löwen besitzt, das Land nicht bei einem internatio­nalen Event vertreten? Nur, weil sie kaum Luxemburgi­sch spricht? Mit Stolz weisen manche darauf hin, dass Luxemburg den „Grand Prix Eurovision“insgesamt fünfmal gewonnen hat. Nicht ein einziges Mal stand dabei ein „Stacklëtze­buerger“auf der Bühne, um vor europäisch­em Publikum ein urluxembur­gisches Volkslied über die unberührte Landschaft des Öslings zum Besten zu geben.

Geradezu bizarr mutet die Sehnsucht mancher nach einem unverfälsc­hten „Luxemburge­rtum“an. Es ist inakzeptab­el, wenn bestimmte Krawallmac­her scharfe Trennlinie­n zu „den Anderen“, die sich hier niedergela­ssen haben und immerhin 47,4 Prozent der Einwohner ausmachen, ziehen. Zum Glück zählt diese radikalpat­riotische Gruppe hierzuland­e zu einer absoluten Minderheit. Einwanderu­ng wird von einem Großteil der Bevölkerun­g immer noch positiv gesehen.

Als Vehikel für Ausgrenzun­g und Spaltung dient den scheinbar heldenhaft­en Patrioten vermehrt die Landesspra­che. Eine Aktuelle Stunde in der Chamber zu einer Statec-Erhebung über die Zahl der Luxemburgi­sch-Sprecher im Land hat diese Woche einmal mehr gezeigt, dass es rechten Parteien wie der ADR nicht um Fakten geht, sondern darum, konstant Öl ins Feuer gießen.

Umso erstaunlic­her ist es, dass der Identitäts­diskurs nun auch von Vertretern des linken Parteiensp­ektrums befeuert wird. Der Sänger und déi-Lénk-Aktivist Serge Tonnar hatte diese Woche alle Mühe, die Debatte auf seiner Facebook-Seite wieder einzufange­n, nachdem er den mangelnden künstleris­chen Wert des Luxembourg Song Contest scharf kritisiert hatte. „Il n‘y a pas une seule chanson qui parle de Luxembourg ou de ce qui s‘y pas, et pas une seule ligne dans notre langue“, hatte Tonnar unter anderem geschriebe­n. Wer mit den Wölfen heult, um Likes zu sammeln, darf sich nicht wundern, wenn ihm die Sache nolens volens um die Ohren fliegt.

Luxemburg genießt im Ausland den Ruf eines weltoffene­n und multikultu­rellen Landes. Bei genauerem Hinsehen kommen jedoch manchmal Zweifel an diesem Bild auf. Es wäre fatal, wenn die Stimmung aus dem brodelnden Sumpf der Niedertrac­ht in den Online-Kommentarf­oren in die breite Gesellscha­ft überschwap­pen würde.

Die Landesspra­che darf kein Vehikel für Ausgrenzun­g und Spaltung sein.

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