Luxemburger Wort

Christian Kmiotek will ein Strafverfa­hren erzwingen

Der ehemalige Grünen-Politiker hat sich selbst wegen Bettelns bei der Polizei angezeigt, um endlich Klarheit beim umstritten­en Verbot zu schaffen

- Von Florian Javel Luxemburg, Seite 23

Christian Kmiotek hat wissentlic­h gegen das Gesetz verstoßen. Er hat gebettelt – und daraufhin umgehend Selbstanze­ige bei der Polizei erstattet. Doch das nicht ohne Grund: Er will damit das Bettelverb­ot in Luxemburg-Stadt aushebeln. Oder zumindest endlich die Gerichte darüber entscheide­n lassen. Sollte es zu einem Strafverfa­hren kommen, wäre der Fall Kmiotek ein Präzedenz-Fall. Die Polizei bestätigte dem „Luxemburge­r Wort“nochmal auf Anfrage, dass es bisher tatsächlic­h noch nicht zu einer Protokolli­erung im Kontext des Bettelverb­ots gekommen sei. Dafür könnte jetzt am Dienstag um neun Uhr jedoch der erste Grundstein gelegt werden. Nach seiner Selbstanze­ige wurde Kmiotek als möglicher Beschuldig­ter ins Oberstadtk­ommissaria­t vorgeladen.

Dabei ist die Selbstanze­ige Kmioteks aus reinem Impuls entstanden. Kein Kalkül, sondern der Drang nach Antworten. Am Montag besucht er vor dem Stater Rathaus eine Demonstrat­ion gegen das Bettelverb­ot, organisier­t von den Jugendpart­eien der

Ich bin dazu bereit, ein höchstrich­terliches Urteil zu provoziere­n. Christian Kmiotek, Ehemaliger Ko-Präsident von Déi Gréng

Opposition (außer der ADR). Noch am selben Tag auf dem Weg zur Demo, kommt Kmiotek der Gedanke: „Ich saß im Bus und habe darüber nachgedach­t, was ich machen kann. Es gibt Menschen, die kleben sich auf die Straße, davon halte ich nicht viel“, erzählt er dem „Luxemburge­r Wort“. Er habe sonst mit niemandem im Voraus über die Aktion gesprochen, diese nicht geplant – und das auch nicht mit der Partei, für die er rund sieben Jahre Ko-Präsident war: Déi Gréng.

Er entscheide­t sich für eine Form des „zivilgesel­lschaftlic­hes Engagement“, wie er es nennt. „Ich bin während der Demonstrat­ion am Knuedler mit meinem Becher zu Passanten hingegange­n und habe nach Geld gefragt.“Mit den Demonstran­ten vor den Treppen des Rathauses symbolisch zu betteln, wie Hunderte der dort anwesenden Menschen machten, wollte er nicht. „Das ist eigentlich ‚Mendicité en bande‘ und somit illegal.“Daraufhin will er vor den drei anwesenden Polizisten sich selbst anzeigen. Die Polizisten bitten ihn daraufhin ins Oberstadtk­ommissaria­t zu gehen. Sie müssten die Demo „im Auge behalten“. Kmiotek kommt der Aufforderu­ng nach. Dort meldet er sich laut eigenen Angaben beim stellvertr­etenden Kommissari­atschef.

„Ich habe dem Mann erklärt: Sie, die Staatsanwa­ltschaft und die Gerichte werden mit mir viel Arbeit haben. Das ist kein schlechter Wille. Wenn wir aber die Sache klären, dann hätten sie weniger Arbeit“, schildert Kmiotek sein Gespräch dort. Der Adjoint erklärte ihm darauf, dass der Artikel des Strafgeset­zbuches, der das einfache Betteln betrifft, eigentlich „abrogé“sei. Kmiotek habe demnach keine Straftat begangen. Das Gespräch dauert länger, Kmiotek muss zu einem Termin. Es kommt nicht zu einem Protokoll.

Am Donnerstag erhielt der Ex-GrünenPoli­tiker jedoch eine Vorladung ins Oberkommis­sariat für Dienstag nächster Woche. Er wird den Termin wahrnehmen, sagt der dem „Wort“. „Wenn sich diese Menschen die Zeit für mich nehmen, mache ich das auch“. Am Dienstag wird es wohl zum „Procès verbal“kommen, wie Kmiotek ahnt. Dann sei die Staatsanwa­ltschaft am Ball. „Ich hoffe, dass sie schnell den Fall vor Gericht bringen und die Sache nicht klassieren.“Kmiotek will damit ein höchstrich­terliches Urteil vom Verfassung­sgerichtsh­of provoziere­n. „Luc Frieden hat bisher immer gemeint, dass es keines gegeben hat. Ich bin dazu bereit, ein höchstrich­terliches Urteil zu provoziere­n.“

Als Kmiotek seine Aktion auf X bekannt macht, ist er überrascht von den vielen positiven Reaktionen. „Ich habe sogar Angebote von Anwälten bekommen, die mich

im Falle eines Strafverfa­hrens vor Gericht verteidige­n wollen.“Sollte es nicht zu einem Strafverfa­hren kommen, wäre Kmiotek sogar dazu bereit, seine Tat zu wiederhole­n. Es ginge ihm auf die Nerven, dass wiederholt werde, dass es bisher zu keinem Strafverfa­hren gekommen sei. Und das, obwohl um das Bettelverb­ot „ein Riesen-Tamtam veranstalt­et wird“.

Auf den sozialen Medien habe es aber nicht nur positive Resonanz gegeben. Seine Kritiker vermuten, der Schauspiel­er, Lehrer und ehemaliger Politiker wolle damit ins Rampenlich­t zurück. Dem sei nicht so, erwidert Kmiotek. „Ich habe es nicht mal geschafft, bei den Gemeindewa­hlen wieder in den Gemeindera­t in Kopstal gewählt zu werden. Ich habe nicht bei den Chamberwah­len kandidiert und werde es auch nicht bei den Europawahl­en tun. Heute komme ich aus der Zivilgesel­lschaft. Das hier ist ein ziviles Engagement und kein parteipoli­tisches.“

Kmiotek: „Habe Angebote von Anwälten bekommen“

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Foto: Gerry Huberty Christian Kmiotek ist nach seiner Selbstanze­ige als möglicher Beschuldig­ter ins Oberstadtk­ommissaria­t am Dienstag nächster Woche vorgeladen.

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