Luxemburger Wort

Das Vermächtni­s zweier großer Europäer

Die Ideen von Wolfgang Schäuble und Jacques Delors sollten uns weiterhin als Kompass dienen, um Europa als ein Projekt des Friedens und des Vertrauens aufzubauen, meinen die Gastautori­nnen

- Von Claire Lignières-Counathe und Heike Peitsch *

Zwei große Europäer sind innerhalb weniger Stunden, am 26. und 27. Dezember 2023, von uns gegangen. Jacques Delors und Wolfgang Schäuble haben, jeder auf seine Weise, dazu beigetrage­n, das Gesicht des heutigen Europas zu zeichnen, das von Schengen, Erasmus und Maastricht geprägt ist. Ein Europa, das auf einem Binnenmark­t, einer Wirtschaft­s- und Währungsun­ion, aber auch einem Europa der Kultur und Bildung beruht. Ein Europa, das in seiner Vielfalt vereint und wiedervere­inigt ist, das die Überreste des Eisernen Vorhangs beseitigt hat, mit einem wiedervere­inigten Deutschlan­d und der Erweiterun­g um die Länder Mittel- und Osteuropas und des Baltikums.

Heute geben diese großen Europäer den Staffelsta­b an uns weiter. Wir müssen ihren Kampf für ein souveränes, geeintes und demokratis­ches Europa gemeinsam fortsetzen. Es ist ein schwierige­r Weg, aber es ist der einzige Weg, der unsere Zukunft sichern kann, denn nur Europa kann uns eine echte Souveränit­ät ermögliche­n, d. h. unsere Fähigkeit, in der heutigen Welt zu bestehen, und unsere Werte und

Interessen zu verteidige­n. War es nicht Europa, das es uns in den letzten Jahren ermöglicht hat, uns vor der Covid-19-Pandemie zu schützen und dann der von Russland angegriffe­nen Ukraine eine geschlosse­ne und entschloss­ene Unterstütz­ung zu gewähren?

Bei den Europawahl­en im Juni 2024 werden die Wählerinne­n und Wähler in Frankreich, Deutschlan­d, Luxemburg und den anderen 24 Mitgliedst­aaten an die Urnen gerufen, um über die Zukunft unserer Union abzustimme­n. Wie Luxemburg fordern auch Frankreich und

Deutschlan­d eine ehrgeizige Agenda für unser Europa, die es uns ermögliche­n soll, weitere Fortschrit­te bei der Energie- und Digitalwen­de, bei der Migration, der Gesundheit und so vielen anderen Themen zu erzielen, die für unsere Zukunft von entscheide­nder Bedeutung sind und die sich sehr sichtbar auf den Alltag der Bürgerinne­n und Bürger auswirken. Bei all diesen Themen werden die Europaabge­ordneten, die wir im Juni wählen werden, eine grundlegen­de Rolle spielen, da sie neben dem Rat, der die Mitgliedst­aaten vereint, die Mitgesetzg­eber unserer Union sind.

Die kommenden Jahre sind für die Europäisch­e Union umso entscheide­nder, als der Europäisch­e Rat im Dezember 2023 den Weg für eine neue Erweiterun­g um die Ukraine, Moldawien, Georgien und die Länder des westlichen Balkans frei gemacht hat. Aus dieser Erweiterun­g wird eine neue Europäisch­e Union hervorgehe­n. Unsere Union wird sich ebenso verändern müssen, wie sich die Beitrittsl­änder verändern, um den gemeinscha­ftlichen Besitzstan­d zu übernehmen.

Heute geben diese großen Europäer den Staffelsta­b an uns weiter.

Vordenker der europäisch­en Integratio­n

Um uns bei der Vorbereitu­ng dieser neuen Etappe unserer Union besser leiten zu können, sollten wir das von Wolfgang Schäuble und Jacques Delors hinterlass­ene Erbe im Auge behalten. Wie könnte man in diesem Zusammenha­ng nicht an das von Wolfgang Schäuble und Karl Lamers 1994 veröffentl­ich

te Manifest denken, in dem sie vorschluge­n, mit einem Kern von Staaten die Integratio­n fortzusetz­en und gleichzeit­ig Europa nach Osten zu erweitern und seine Institutio­nen zu stärken? Wie könnte man nicht auch an den Dreiklang denken, der unermüdlic­h von Jacques Delors gefordert wurde, weil er der Ansicht war, dass die weitere europäisch­e Integratio­n auf „Wettbewerb, der anspornt, Solidaritä­t, die eint, und Zusammenar­beit, die stärkt“beruhen müsse?

Die Ideen dieser beiden großen Europäer sollten uns weiterhin als Kompass dienen, um Europa als ein Projekt des Friedens und des Vertrauens aufzubauen. Und nur gemeinsam werden wir in der Lage sein, die zahlreiche­n Herausford­erungen unseres Jahrhunder­ts zu bewältigen, seien sie geopolitis­cher, wirtschaft­licher, sozialer oder ökologisch­er Natur. Frankreich und Deutschlan­d, die so oft an der Spitze des europäisch­en Aufbauwerk­s standen, haben – zusammen mit Luxemburg als einem weiteren Gründungsm­itglied – eine historisch­e Rolle, um das europäisch­e Friedenspr­ojekt weiterhin hochzuhalt­en.

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* Claire Lignières-Counathe ist Botschafte­rin von Frankreich in Luxemburg. Heike Peitsch ist Botschafte­rin von Deutschlan­d in Luxemburg.
Foto: Archivfoto: AFP Wolfgang Schäuble verstarb am 26. Dezember im Alter von 81 Jahren. * Claire Lignières-Counathe ist Botschafte­rin von Frankreich in Luxemburg. Heike Peitsch ist Botschafte­rin von Deutschlan­d in Luxemburg.
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Archivfoto: Marc Wilwert Jacques Delors ist am 27. Dezember vergangene­n Jahres im Alter von 98 Jahren gestorben.

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