Das Rennen um die besten Nistplätze hat begonnen
Die ersten Kraniche überfliegen wieder das Großherzogtum. Ein Experte erklärt, warum der Vogelzug früher als gewöhnlich begonnen hat
„Die ersten Kraniche haben Luxemburg auf ihrem Rückflug nach Norden überflogen“, bestätigt Jim Schmitz, Vizepräsident von natur&ëmwelt. Und das bereits zu Weihnachten. Schon vor den Feiertagen sind die ersten Gruppen aufgebrochen, nach dem Kälteeinbruch und dem vielen Schnee im neuen Jahr ging es wieder in die entgegengesetzte Richtung.
Immer wieder kommt es vor, dass einzelne Gruppen zu früh aufbrechen. „Bei einem Kälteeinbruch fliegen sie dann wieder Richtung Süden. Sie flüchten vor der Kälte“, erklärt Schmitz. 300 bis 500 Kilometer schafft ein Kranich locker am Tag. So war es auch an Weihnachten. Die Kraniche, die am westeuropäischen Vogelzug teilnehmen, pendeln zwischen ihren Sommerquartieren in Skandinavien und den Winterquartieren in den Korkeichenwäldern der Extremadura im Südwesten der Iberischen Halbinsel. Entlang dieser Zugroute liegen zahlreiche Gebiete, die den Kranichscharen als Rastplätze dienen und in die sie im Winter einfliegen können.
Im Winter in Spanien, im Sommer in Skandinavien
Richtig los geht es dann Ende Januar, Anfang Februar. „Die ganz großen Kranichtrupps mit 200.000 bis 250.000 Tieren brechen Mitte Februar auf.“Beim Frühjahrszug haben es die Kraniche sehr eilig. Im Herbst, wenn sie der Sonne entgegenfliegen, ist das anders. Dann lassen sich die Krukerten Zeit, denn auf dem Hinflug wurden die Jungtiere des Vorjahres noch von den Eltern begleitet. Auf dem Rückflug muss sich die Vorjahresbrut allein zurechtfinden und sich eine eigene Gruppe suchen.
Im neuen Jahr kennen die erwachsenen Paare nur ein Ziel: den Brutplatz des
Vorjahres wiederzufinden – oder einen besseren. Die Reise in die Brutgebiete im Norden Europas wird zum Wettlauf. „Sie haben es eilig, die besten Brutplätze zu finden“, sagt Jim Schmitz. Dabei beginnt die Brutsaison erst im März. „Manchmal auch früher, wenn das Wetter mitspielt.“
„Die Kraniche sind nicht unmittelbar vom Aussterben bedroht“, sagt Schmitz weiter. Seit einiger Zeit gebe es sogar Kranichpaare, die nicht mehr am Vogelzug teilnehmen. Sie würden sich in den Rastgebieten, etwa den Feuchtbiotopen Lothringens, niederlassen und seien sesshaft. „Das gab es früher nicht“, sagt der Kranichexperte.
In diesen Gebieten sei das Nahrungsangebot das ganze Jahr über ausreichend. Denn Kraniche sind Allesfresser. Sie fressen Frösche und Schnecken, größere Insekten und kleinere Säugetiere. „Alles, was ihnen in den Schnabel kommt“, erklärt Schmitz. Im HulaSchutzgebiet im Norden Israels nahe der libanesischen Grenze liegt das Überwinterungsgebiet der Ostroute-Kraniche. Dort würden Traktoren großflächig Mais ausbringen, „um die Kraniche von den Feldern der Menschen fernzuhalten“.
Gefahr der Vogelgrippe im Fokus
Der Herbstzug der östlichen Kraniche wurde jedoch von einem tödlichen Virus überschattet. „Mehrere Zehntausend Tiere sind im November tot im Hortobágy Nationalpark in Ungarn aufgefunden worden, wo Ende Oktober noch 200.000 Kraniche gleichzeitig Rast einlegten“, berichtete der Naturschutzbund Deutschland (NABU) im vergangenen Jahr. Auf der ostbaltisch-ungarischen Zugroute habe ein massiver Ausbruch der für Vögel hochansteckenden und meist tödlich verlaufenden Vogelgrippe vom Typ H5N1 zu dem Massensterben geführt.
„Von Ungarn aus haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder Tiere auf den Weg nach Westen statt nach Süden gemacht“, so der NABU weiter. Folglich
Der Herbstzug der östlichen Kraniche wurde jedoch von einem tödlichen Virus überschattet.
könnten infizierte Tiere das Virus unter den Kranichen der westeuropäischen Populationen verbreiten. „Bisher ist in Luxemburg noch kein Kranich an H5N1 gestorben“, beruhigt Schmitz. Dennoch gelte es, hauptsächlich bei Wasservögeln, besonders wachsam zu sein.
„Wenn wir in der Beringungsstation Schlammwiss mit Wasservögeln arbeiten, sind wir immer auf der Hut“, sagt Schmitz. Im Verdachtsfall würden die Tiere einem diagnostischen Test unterzogen. „Wir haben schon über 30.000 Vögel beringt, H5N1 haben wir noch nie gefunden.“
Ein Ausbruch der Vogelgrippe in Luxemburg hätte nicht nur für die Wildvögel, sondern auch für die Geflügelbetriebe schwerwiegende Folgen. Die Gefahr einer Übertragung auf den Menschen schätzt Schmitz als gering ein. Der Kontakt mit toten Wasservögeln sollte dennoch vermieden werden. „Wer einen toten Kranich oder Wasservogel findet, sollte das Veterinäramt informieren“, betont Schmitz.