Luxemburger Wort

Das Rennen um die besten Nistplätze hat begonnen

Die ersten Kraniche überfliege­n wieder das Großherzog­tum. Ein Experte erklärt, warum der Vogelzug früher als gewöhnlich begonnen hat

- Von Jean-Philippe Schmit

„Die ersten Kraniche haben Luxemburg auf ihrem Rückflug nach Norden überflogen“, bestätigt Jim Schmitz, Vizepräsid­ent von natur&ëmwelt. Und das bereits zu Weihnachte­n. Schon vor den Feiertagen sind die ersten Gruppen aufgebroch­en, nach dem Kälteeinbr­uch und dem vielen Schnee im neuen Jahr ging es wieder in die entgegenge­setzte Richtung.

Immer wieder kommt es vor, dass einzelne Gruppen zu früh aufbrechen. „Bei einem Kälteeinbr­uch fliegen sie dann wieder Richtung Süden. Sie flüchten vor der Kälte“, erklärt Schmitz. 300 bis 500 Kilometer schafft ein Kranich locker am Tag. So war es auch an Weihnachte­n. Die Kraniche, die am westeuropä­ischen Vogelzug teilnehmen, pendeln zwischen ihren Sommerquar­tieren in Skandinavi­en und den Winterquar­tieren in den Korkeichen­wäldern der Extremadur­a im Südwesten der Iberischen Halbinsel. Entlang dieser Zugroute liegen zahlreiche Gebiete, die den Kranichsch­aren als Rastplätze dienen und in die sie im Winter einfliegen können.

Im Winter in Spanien, im Sommer in Skandinavi­en

Richtig los geht es dann Ende Januar, Anfang Februar. „Die ganz großen Kranichtru­pps mit 200.000 bis 250.000 Tieren brechen Mitte Februar auf.“Beim Frühjahrsz­ug haben es die Kraniche sehr eilig. Im Herbst, wenn sie der Sonne entgegenfl­iegen, ist das anders. Dann lassen sich die Krukerten Zeit, denn auf dem Hinflug wurden die Jungtiere des Vorjahres noch von den Eltern begleitet. Auf dem Rückflug muss sich die Vorjahresb­rut allein zurechtfin­den und sich eine eigene Gruppe suchen.

Im neuen Jahr kennen die erwachsene­n Paare nur ein Ziel: den Brutplatz des

Vorjahres wiederzufi­nden – oder einen besseren. Die Reise in die Brutgebiet­e im Norden Europas wird zum Wettlauf. „Sie haben es eilig, die besten Brutplätze zu finden“, sagt Jim Schmitz. Dabei beginnt die Brutsaison erst im März. „Manchmal auch früher, wenn das Wetter mitspielt.“

„Die Kraniche sind nicht unmittelba­r vom Aussterben bedroht“, sagt Schmitz weiter. Seit einiger Zeit gebe es sogar Kranichpaa­re, die nicht mehr am Vogelzug teilnehmen. Sie würden sich in den Rastgebiet­en, etwa den Feuchtbiot­open Lothringen­s, niederlass­en und seien sesshaft. „Das gab es früher nicht“, sagt der Kranichexp­erte.

In diesen Gebieten sei das Nahrungsan­gebot das ganze Jahr über ausreichen­d. Denn Kraniche sind Allesfress­er. Sie fressen Frösche und Schnecken, größere Insekten und kleinere Säugetiere. „Alles, was ihnen in den Schnabel kommt“, erklärt Schmitz. Im HulaSchutz­gebiet im Norden Israels nahe der libanesisc­hen Grenze liegt das Überwinter­ungsgebiet der Ostroute-Kraniche. Dort würden Traktoren großflächi­g Mais ausbringen, „um die Kraniche von den Feldern der Menschen fernzuhalt­en“.

Gefahr der Vogelgripp­e im Fokus

Der Herbstzug der östlichen Kraniche wurde jedoch von einem tödlichen Virus überschatt­et. „Mehrere Zehntausen­d Tiere sind im November tot im Hortobágy Nationalpa­rk in Ungarn aufgefunde­n worden, wo Ende Oktober noch 200.000 Kraniche gleichzeit­ig Rast einlegten“, berichtete der Naturschut­zbund Deutschlan­d (NABU) im vergangene­n Jahr. Auf der ostbaltisc­h-ungarische­n Zugroute habe ein massiver Ausbruch der für Vögel hochanstec­kenden und meist tödlich verlaufend­en Vogelgripp­e vom Typ H5N1 zu dem Massenster­ben geführt.

„Von Ungarn aus haben sich in den vergangene­n Jahren immer wieder Tiere auf den Weg nach Westen statt nach Süden gemacht“, so der NABU weiter. Folglich

Der Herbstzug der östlichen Kraniche wurde jedoch von einem tödlichen Virus überschatt­et.

könnten infizierte Tiere das Virus unter den Kranichen der westeuropä­ischen Population­en verbreiten. „Bisher ist in Luxemburg noch kein Kranich an H5N1 gestorben“, beruhigt Schmitz. Dennoch gelte es, hauptsächl­ich bei Wasservöge­ln, besonders wachsam zu sein.

„Wenn wir in der Beringungs­station Schlammwis­s mit Wasservöge­ln arbeiten, sind wir immer auf der Hut“, sagt Schmitz. Im Verdachtsf­all würden die Tiere einem diagnostis­chen Test unterzogen. „Wir haben schon über 30.000 Vögel beringt, H5N1 haben wir noch nie gefunden.“

Ein Ausbruch der Vogelgripp­e in Luxemburg hätte nicht nur für die Wildvögel, sondern auch für die Geflügelbe­triebe schwerwieg­ende Folgen. Die Gefahr einer Übertragun­g auf den Menschen schätzt Schmitz als gering ein. Der Kontakt mit toten Wasservöge­ln sollte dennoch vermieden werden. „Wer einen toten Kranich oder Wasservoge­l findet, sollte das Veterinära­mt informiere­n“, betont Schmitz.

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Foto: Nadine Schartz Am Liichtmëss­tag: Kraniche überfliege­n Herborn.
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Foto: dpa 300 bis 500 Kilometer schafft ein Kranich am Tag.

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