Ein Stück Stoff überführt einen Räuber
Im März 2019 überfallen zwei bewaffnete Männer einen Supermarkt in Niederanven. Die Tat ist offenbar gut geplant, doch ihnen unterläuft ein Fehler
Kurz vor 20 Uhr fährt am 9. März 2019 ein Suzuki Jimny auf das Gelände des Einkaufszentrums Les Arcades in Niederanven. Doch die beiden Insassen sind nicht an einem schnellen Einkauf kurz vor Ladenschluss interessiert. Sie haben andere Pläne. Die Männer ziehen sich Sturmhauben über und betreten mit Pistolen bewaffnet die Match-Filiale. Mit 15.000 Euro entkommen sie in der Dunkelheit.
Auf einem Feldweg in Waldhof wechseln sie das Fluchtfahrzeug. Den Suzuki, der etwa zehn Tage zuvor im Süden des Landes gestohlen worden war, stecken sie mitsamt ihrer Kleidungsstücke in Brand. Mit dem gleichen Audi, mit dem sie gut zwei Wochen zuvor nach Luxemburg gefahren waren, verschwinden sie in Richtung Montenegro.
Damit hätte sich ihre Spur womöglich verlieren können. Doch neben dem brennenden Fahrzeug finden Polizisten eine selbst gebastelte Sturmhaube aus einem abgetrennten Pulloverärmel. Eine DNS-Analyse offenbart schließlich die Identität eines der Täter. Milovan R. musste sich nun am Freitag vor Gericht verantworten, nachdem er im vergangenen September nach Luxemburg ausgeliefert worden war. Der heute 35-Jährige bestreitet nicht, an dem Raubüberfall beteiligt gewesen zu sein. Er habe die Tat nur begangen, weil er bei seinem Komplizen Geldschulden in Höhe von 5.000 Euro gehabt habe. Der Mann habe ihn bedroht. „Ich wollte nichts Kriminelles tun“, übersetzt ein Dolmetscher die Worte des Angeklagten aus dem Serbischen.
Den Namen seines Komplizen will der Angeklagte nicht verraten. „Das kann ich nicht. Ich habe Angst“, antwortet er dem Vorsitzenden Richter. Sein Schweigen bricht er auch nicht, als der Richter ihn darauf hinweist, dass die Identität des Mannes den Behörden bekannt sei. Schließlich sei das Fahrzeug der beiden auf der Hin- und Rückfahrt an der ungarischen Grenze kontrolliert worden.
Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass die Männer den Raubüberfall akribisch vorbereitet hatten. Dafür sprechen auch Aufnahmen der Überwachungskamera. Sie zeigen, wie die Männer sich zielstrebig ein kleines Büro am Ende eines für Kunden nicht zugänglichen Ganges ansteuern, ganz so, als würden sie sich dort auskennen. Innerhalb von nicht einmal zwei Minuten verlassen sie die Filiale wieder mit ihrer Beute.
Maskierte im Kassenbüro
Milovan R. sieht sich selbst in einer passiven Rolle. An den Vorbereitungen will der Angeklagte nicht beteiligt gewesen sein. So habe er weder die Örtlichkeiten im Vorfeld ausgekundschaftet, noch den als Fluchtfahrzeug genutzten Suzuki Jimny gestohlen. Bei den beim Überfall verwendeten Pistolen habe es sich lediglich um Spielzeugwaffen gehandelt.
„Das Kassenbüro zu finden, das war nicht so einfach“, sagt die damalige Chefkassiererin der Match-Filiale am Freitag vor Gericht. Die Örtlichkeiten hätten die Täter mit Sicherheit im Vorfeld ausgespäht. Aufgefallen sei dies jedoch niemandem. Sie habe kurz vor Ladenschluss die Kassenbeträge in dem Büro gezählt, als die maskierten Männer in den Raum getreten seien. Einer von ihnen habe mit einer Waffe gestikuliert und auch Englisch gesprochen, erinnert sich die Frau im Zeugenstand. Der Mann habe die Pistole weiter auf sie gerichtet, während sein Komplize das Geld eingepackt habe.
„Jeder hat im Leben eine zweite Chance verdient“
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft betont in seinem Strafantrag, dass die Männer Kunden und Angestellte des Geschäfts mit ihren Waffen bedroht hätten. Dabei sei es unerheblich, ob sie echte Pistolen benutzt hätten. Die Tat sei mit aufwendigen Vorbereitungen verbunden gewesen. Deshalb sei der Angeklagte nicht nur für den Raubüberfall, sondern auch für die Bildung einer verbrecherischen Vereinigung (Association des malfaiteurs) zu verurteilen. Der Ankläger fordert eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren.
„Jeder hat im Leben eine zweite Chance verdient“, sagt dagegen der Strafverteidiger des Angeklagten. Sein Mandant sei sich der Schwere seiner Taten und dem dadurch entstandenen Schaden bewusst. Er sei jedoch nicht an den Planungen beteiligt gewesen und sei nur wegen seiner Schulden zum Mittäter geworden. Der Anwalt bat die Richter, eine Haftstrafe möglichst lange zur Bewährung auszusetzen, damit der Mann wieder auf die Beine komme und zu seiner Familie zurückkehren könne.
Das Urteil ergeht am 7. März.
Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass die Männer den Raubüberfall akribisch vorbereitet hatten.