Bislang kein einziges Strafverfahren wegen Bettelei eingeleitet
Um gegen aggressive Bettler vorzugehen, ist die Kriminalpolizei täglich acht Stunden im Einsatz. Dazu kommen 176 Patrouillen aus allen Landesteilen
Seit der Einführung der repressiven Phase des Bettelverbots in der Hauptstadt am 15. Januar hat sich nicht viel geändert. Nach wie vor gibt es arme Menschen, Obdachlose, die mit Pappbechern oder ähnlichem in Fußgängerzonen und Geschäftsstraßen auf ein Almosen hoffen. Auch die Roma-Familien aus dem französischen Grenzgebiet gehören nach wie vor zum Stadtbild. Dass trotz des Bettelverbots noch immer Menschen im Stadtzentrum betteln, hat außer, dass sich an deren Not nichts geändert hat, noch einen anderen Grund: „Bis ewell goufen nach keng Procès-verbaux geschriwwen, well de Fokus, wéi och schonn an eisem respektive Communiqué geschriwwen, op där aggressiver Mendicitéit läit“, erklärt Polizeipressesprecher Ben Eich auf Anfrage des „Luxemburger Wort“. Im Klartext: Bislang wurde tatsächlich noch kein einziges Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Bettelverbot in der Hauptstadt eingeleitet. Das dürfte auch den Betroffenen bekannt sein.
Doch der Aufwand, den die Sicherheitskräfte derzeit betreiben, ist enorm. Es werden sichtlich mehr Personenkontrollen bei Obdachlosen durchgeführt. Nach LW-Informationen sind zudem zweimal täglich zwei Kriminalbeamte insgesamt acht Stunden in der Stadt unterwegs, um nach aggressiven oder organisierten Bettlern Ausschau zu halten, und gegebenenfalls eine uniformierte Streife zu alarmieren.
Bettler observieren, statt Verbrecher überführen
Der Unmut unter den Kriminalbeamten ist groß. Denn eigentlich ist die Kriminalpolizei für Verbrechen zuständig, für langwierige, schwierige und oft sehr umfangreiche Ermittlungen, um Kriminelle vor Gericht zu bringen. Dabei stoßen die Beamten wegen Personalmangels seit Jahren immer wieder an ihre Grenzen. Das hat in der Vergangenheit auch schon mal dazu geführt hat, dass wichtige Ermittlungen so verzögert wurden, dass sie vor Gericht nicht mehr verwertbar waren.
Dass diese Kriminalpolizisten nun ihre Zeit damit verbringen sollen, Obdachlose zu observieren, um ein politisches Konzept von Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) und Innenminister Léon Gloden (CSV) durchzusetzen, ist für die Beamten, die sich gegenüber dem „Luxemburger Wort“aussprachen, kaum nachvollziehbar. Die Pressestelle der Polizei wollte sich hingegen dazu nicht äußern und verwies darauf, dass man grundsätzlich keine Details zu Aufgebot und Vorgehensweise gebe.
Bis zu sechs Patrouillen täglich aus anderen Regionen abgezogen
Bereits zum Beginn der angekündigten Repressionsphase hatte das LW berichtet, dass Polizisten aus den ohnehin unterbesetzten ländlichen Regionen in die Hauptstadt abgezogen würden, um die dortigen Einheiten – auch, aber nicht nur – beim Einsatz gegen Bettler zu unterstützen. Innenminister Gloden bestätigte dies in seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Marc Goergen (Piraten), wollte aber keine Details nennen. Das „Tageblatt“hatte am Donnerstag berichtet, es handele sich um insgesamt 176 Streifen. Sechs Einheiten aus anderen Bezirken seien wochentags in der Stadt im Einsatz. Am Wochenende seien es vier.
Am Freitagabend teilte die Polizei in einer Pressemitteilung mit, dass die Einsatzkräfte in der Hauptstadt in der Tat von Beamten von anderen Kommissariaten des Landes verstärkt werden. Die in der Presse genannten Zahlen seien jedoch zu relativieren, ohne weitere Einzelheiten zu nennen.
Ein erstes Strafverfahren wegen Verstoßes gegen Artikel 42 des Gemeindegesetzes der Hauptstadt, der das Betteln verbietet, könnte es dennoch bald geben. Der ehemalige Co-Vorsitzende von „Déi Gréng“, Christian Kmiotek, hatte Anfang der Woche Selbstanzeige wegen Bettelns erstattet, um nach eigenen Angaben einen Prozess zu erzwingen. Er ist nun am kommenden Dienstag um 9 Uhr als möglicher Beschuldigter ins Oberstadtkommissariat vorgeladen.
Der Unmut unter den Kriminalbeamten ist groß.