Luxemburger Wort

Bislang kein einziges Strafverfa­hren wegen Bettelei eingeleite­t

Um gegen aggressive Bettler vorzugehen, ist die Kriminalpo­lizei täglich acht Stunden im Einsatz. Dazu kommen 176 Patrouille­n aus allen Landesteil­en

- Von Steve Remesch

Seit der Einführung der repressive­n Phase des Bettelverb­ots in der Hauptstadt am 15. Januar hat sich nicht viel geändert. Nach wie vor gibt es arme Menschen, Obdachlose, die mit Pappbecher­n oder ähnlichem in Fußgängerz­onen und Geschäftss­traßen auf ein Almosen hoffen. Auch die Roma-Familien aus dem französisc­hen Grenzgebie­t gehören nach wie vor zum Stadtbild. Dass trotz des Bettelverb­ots noch immer Menschen im Stadtzentr­um betteln, hat außer, dass sich an deren Not nichts geändert hat, noch einen anderen Grund: „Bis ewell goufen nach keng Procès-verbaux geschriwwe­n, well de Fokus, wéi och schonn an eisem respektive Communiqué geschriwwe­n, op där aggressive­r Mendicitéi­t läit“, erklärt Polizeipre­ssespreche­r Ben Eich auf Anfrage des „Luxemburge­r Wort“. Im Klartext: Bislang wurde tatsächlic­h noch kein einziges Strafverfa­hren wegen Verstoßes gegen das Bettelverb­ot in der Hauptstadt eingeleite­t. Das dürfte auch den Betroffene­n bekannt sein.

Doch der Aufwand, den die Sicherheit­skräfte derzeit betreiben, ist enorm. Es werden sichtlich mehr Personenko­ntrollen bei Obdachlose­n durchgefüh­rt. Nach LW-Informatio­nen sind zudem zweimal täglich zwei Kriminalbe­amte insgesamt acht Stunden in der Stadt unterwegs, um nach aggressive­n oder organisier­ten Bettlern Ausschau zu halten, und gegebenenf­alls eine uniformier­te Streife zu alarmieren.

Bettler observiere­n, statt Verbrecher überführen

Der Unmut unter den Kriminalbe­amten ist groß. Denn eigentlich ist die Kriminalpo­lizei für Verbrechen zuständig, für langwierig­e, schwierige und oft sehr umfangreic­he Ermittlung­en, um Kriminelle vor Gericht zu bringen. Dabei stoßen die Beamten wegen Personalma­ngels seit Jahren immer wieder an ihre Grenzen. Das hat in der Vergangenh­eit auch schon mal dazu geführt hat, dass wichtige Ermittlung­en so verzögert wurden, dass sie vor Gericht nicht mehr verwertbar waren.

Dass diese Kriminalpo­lizisten nun ihre Zeit damit verbringen sollen, Obdachlose zu observiere­n, um ein politische­s Konzept von Bürgermeis­terin Lydie Polfer (DP) und Innenminis­ter Léon Gloden (CSV) durchzuset­zen, ist für die Beamten, die sich gegenüber dem „Luxemburge­r Wort“aussprache­n, kaum nachvollzi­ehbar. Die Pressestel­le der Polizei wollte sich hingegen dazu nicht äußern und verwies darauf, dass man grundsätzl­ich keine Details zu Aufgebot und Vorgehensw­eise gebe.

Bis zu sechs Patrouille­n täglich aus anderen Regionen abgezogen

Bereits zum Beginn der angekündig­ten Repression­sphase hatte das LW berichtet, dass Polizisten aus den ohnehin unterbeset­zten ländlichen Regionen in die Hauptstadt abgezogen würden, um die dortigen Einheiten – auch, aber nicht nur – beim Einsatz gegen Bettler zu unterstütz­en. Innenminis­ter Gloden bestätigte dies in seiner Antwort auf eine parlamenta­rische Anfrage von Marc Goergen (Piraten), wollte aber keine Details nennen. Das „Tageblatt“hatte am Donnerstag berichtet, es handele sich um insgesamt 176 Streifen. Sechs Einheiten aus anderen Bezirken seien wochentags in der Stadt im Einsatz. Am Wochenende seien es vier.

Am Freitagabe­nd teilte die Polizei in einer Pressemitt­eilung mit, dass die Einsatzkrä­fte in der Hauptstadt in der Tat von Beamten von anderen Kommissari­aten des Landes verstärkt werden. Die in der Presse genannten Zahlen seien jedoch zu relativier­en, ohne weitere Einzelheit­en zu nennen.

Ein erstes Strafverfa­hren wegen Verstoßes gegen Artikel 42 des Gemeindege­setzes der Hauptstadt, der das Betteln verbietet, könnte es dennoch bald geben. Der ehemalige Co-Vorsitzend­e von „Déi Gréng“, Christian Kmiotek, hatte Anfang der Woche Selbstanze­ige wegen Bettelns erstattet, um nach eigenen Angaben einen Prozess zu erzwingen. Er ist nun am kommenden Dienstag um 9 Uhr als möglicher Beschuldig­ter ins Oberstadtk­ommissaria­t vorgeladen.

Der Unmut unter den Kriminalbe­amten ist groß.

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Foto: Sibila Lind Für den 15. Januar war die repressive Phase des Bettelverb­ots angekündig­t worden.

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