Luxemburger Wort

Richtig Spenden will gelernt sein

Banken beschäftig­en sogenannte „Philanthro­py Advisor“, die wohlhabend­en Kunden helfen, ihr Geld für gemeinnütz­ige Zwecke auszugeben

- Von Thomas Klein

„Wer reich stirbt, stirbt in Schande“. Dieser Satz stammt nicht etwa von irgendwelc­hen sozialisti­schen Aktivisten, sondern vom Stahlmagna­ten und Erzkapital­isten Andrew Carnegie. Er war überzeugt, dass einer der wichtigste­n Gründe, reich zu werden, darin besteht, der Gesellscha­ft etwas zurückgebe­n zu können. Tatsächlic­h gab er bis zu seinem Tod im Jahr 1919 über 95 Prozent seines Vermögens aus, um wohltätige Zwecke zu unterstütz­en, Bildung zu fördern und öffentlich­e Bibliothek­en zu errichten.

Man muss kein Millionär sein, um sein Geld für eine gute Sache arbeiten zu lassen, aber es hilft. Viele der Banken, die in sich in Luxemburg um die Vermögen besonders wohlhabend­er Kunden (das sogenannte „Wealth Management“) kümmern, beschäftig­en „Philanthro­py Advisor“. Sie beraten Kunden dabei, ihr Kapital für wohltätige Zwecke einzusetze­n. „Die Menschen, die wir mit der Philanthro­pie-Beratung unterstütz­en, sind in der Regel Kunden mit Einlagen von über einer Million bei unserer Bank“, sagt Jacqueline Komin, Senior Philanthro­py Advisor bei InsingerGi­llisen, der niederländ­ischen Niederlass­ung der Privatbank Quintet. Die Bank berät auch wohlhabend­e Luxemburge­r Kunden, die sich für Philanthro­pie interessie­ren.

Die UBS bietet diesen Service bei Beträgen von zwei Millionen Euro aufwärts an, sagt Mischa Eckart, der das Wealth Management der Luxemburge­r Niederlass­ung der Schweizer Bank leitet. Am Anfang der Beratung gehe es immer darum, die Präferenze­n der Kunden herauszufi­nden. „Wir nennen das ‚Legacy Strategy‘. Wir versuchen, mit dem Klienten herauszuar­beiten, was ist der tiefere Zweck hinter dem Vermögen? Was soll an die nächste Generation, was soll an die Zukunft weitergege­ben werden?“, sagt Eckart.

Unterschie­dliche Motivation­en

Viele Kunden haben anfangs nur das Vorhaben im Sinn, wohltätige Zwecke zu unterstütz­en, aber keine genaue Vorstellun­g davon, wofür und wie sie spenden wollen. „Wir stellen am Anfang viele Fragen. Was begeistert Sie besonders? Was möchten Sie in der Welt verändern, was möchten Sie erhalten? Möchten Sie sofort beginnen oder im Testament eine wohltätige Organisati­on bedenken? Möchten Sie selbst involviert sein oder sollen wir das alles übernehmen?“, erklärt Komin ihre Arbeit.

Wichtig sei auch die Frage, ob der Spender anonym bleiben will. „Manche Menschen möchten, dass ihr Familienna­me in der Öffentlich­keit steht. Andere Leute sagen: Wenn ich jetzt anfange zu spenden, ziehe ich vielleicht viel Aufmerksam­keit auf mich, die ich nicht möchte. Deshalb möchte ich meine Familie anonym halten“, so Komin.

Die Motivation­en zu spenden und die Ausgangsla­ge, seien dabei höchst unterschie­dlich, sagt Sophie Eisenmann, die den Bereich Social Impact und Philanthro­pie der UBS in Europa leitet. „Manche Kunden haben ein Vermögen aufgebaut, haben aber keine eigenen Kinder und wollen dafür sorgen, dass das Geld dann sinnvoll verwendet wird. Manche Unternehme­r haben ihre Firma verkauft und wollen nun einen Teil dieses Kapitals philanthro­pisch oder sozial einsetzen“, sagt sie. „Andere sind tief von einem bestimmten Thema angetriebe­n oder haben eine religiöse Motivation.“Die Probleme, die die wohlhabend­en Kunden angehen wollen, veränderte­n sich dabei. Der Kampf gegen den Klimawande­l sei gerade in Luxemburg ein Thema, das ihre Klienten bewegt.

Spender werden jünger und weiblicher

„In der Vergangenh­eit wurde vor allem für lokale Konzerthal­len oder Museen oder für die Bekämpfung bestimmter Krankheite­n gespendet. Heute geht es mehr um Nachhaltig­keit, Diversität oder Inklusion“, sagt Jacqueline Komin. „Manchmal ist der Zweck auch nahe an den Hobbies der Menschen oder an ihrem eigenen Karrierewe­g. Und ich habe auch einige Menschen getroffen, die sich wegen des Reichtums, den sie geerbt haben, schämen oder sich unwohl fühlen. Und sie wollen sicherstel­len, dass er zumindest einem guten Zweck dient.“

Verändert habe sich auch die Zusammense­tzung ihrer Kundschaft. „Als ich vor 20 Jahren mit dem Beruf anfing, waren es vor allem Männer, die eine Stiftung für die Zeit nach ihrem Lebensende gründen wollen. Heute bringen sich weitaus mehr Frauen ein. Und die Kunden sind heute jünger als sie es früher waren. Viele sind Unternehme­nsgründer und sind so zu Reichtum gekommen. Die wollen sofort mit der Wohltätigk­eit loslegen und nicht bis zu ihrem Tod warten“, sagt sie.

Wenn der gute Zweck, für den gespendet werden soll, identifizi­ert ist, müssen die Spender sich überlegen, wie das Geld an seine Adressaten kommen soll. Ein klassische­r Weg, den auch Andrew Carnegie gegangen ist, ist es, eine eigene Stiftung einzuricht­en, die sich dauerhaft einem guten Zweck zuwendet und dazu häufig den Namen des Spenders über Jahrzehnte trägt. Das ist aber sehr aufwendig und teuer. Daher bietet die UBS ihren Kunden an, ihre eigene Stiftung an eine Dachstiftu­ng anzudocken. Der Spender muss sich dann nicht um die Administra­tion der Stiftung kümmern. Die UBS ist aus diesem Grund im vergangene­n Jahr eine Kooperatio­n mit der Fondation de Luxemburg eingegange­n.

Einen ähnlichen Weg geht auch Quintet. „Früher gab es mehr Leute, die selbst eine Stiftung gründen wollten. Dann mussten sie einen Verwaltung­srat einrichten und dann alle Steuern und Buchhaltun­g und alles andere erledigen. Die Tatsache, dass man als Verwalter einer Stiftung sichtbar ist, gefällt den meisten Menschen nicht wirklich. Deshalb bevorzugen sie Namensfond­s, bei denen sie über einen Teil ihrer Spenden entscheide­n und den Rest an eine Dachstiftu­ng delegieren“, sagt Komin. Sie habe beispielsw­eise eine Kundin, die Erbin eines großen Vermögens sei. „Sie möchte nicht ihr ganzes Geld ihren Kindern geben, sondern es teilweise für einen guten Zweck spenden. Also eröffnet sie einen Namensfond­s und entscheide­t, wofür sie spenden möchte. Und dann übergibt sie es uns als Philanthro­pie-Berater, damit wir uns darum kümmern“, so Komin. Für die wohlhabend­en Kunden ist die Beratung in der Regel kostenfrei und Teil des Services der Banken im Bereich Wealth Management.

Vertrauen oder Kontrolle?

Wer nicht gleich seine eigene Stiftung ins Leben rufen möchte, kann einfach an bestehende Organisati­onen spenden. „Erfahrungs­gemäß ist eine der zentralen Fragestell­ungen für die Kunden in diesem Bereich: Kommt das Geld wirklich an und wird es wirklich genauso eingesetzt, wie ich das möchte“, sagt Mischa Eckart.

Auch hierbei bieten die Banken Hilfe an. Unter den weltweit 150 Menschen, die

sich bei der UBS dem Thema Philanthro­pie widmen, seien Programmex­perten aus Bereichen wie Gesundheit, Klimaschut­z oder Meeresbiol­ogie. „Da haben wir etwa 150 Organisati­onen und Programme, die wir ganz engmaschig begleiten und die wir auf halbjährli­cher Basis evaluieren. So können wir sicherstel­len, dass der mit den Spenden erwünschte Effekt erzielt wird“, sagt Sophie Eisenmann. Es komme aber auch vor, dass der Kunde schon ein konkretes Programm im Sinn hat. „Dann setzen wir da die gleichen Evaluierun­gskriterie­n an. Wenn es diesen standhält und der Kunde einen Mindestbet­rag von einer Million über drei Jahre an neuen Spenden in dieses Programm einbringt, dann nehmen wir das bei uns auf“, sagt sie.

Die philanthro­pischen Aktivitäte­n in diesem Rahmen seien immer so ausgelegt, dass sie eine „systemisch­e“Veränderun­g herbeiführ­en. „Das könnte sein, dass beispielsw­eise die Regierung in einem Schwellenl­and die Lehrpläne ändert, um die Bildungser­gebnisse zu verbessern, sodass die Effekte weiterhin spürbar sind, auch wenn die Spendengel­der irgendwann nicht mehr fließen“, sagt Eisenmann. Sie nimmt an, dass philanthro­pisches Kapital eine gewisse Hebelfunkt­ion entfalten kann, um zusätzlich sogenannte­s Impact-Kapital anzuziehen, also Geld von Anlegern, die sowohl positive Effekte für Gesellscha­ft oder Umwelt erzielen wollen als auch Profite.

Lebensfreu­de durch Philanthro­pie

Die Strategien, die Kunden bevorzugen, um ihre Philanthro­pie zu verwalten, sind dabei höchst unterschie­dlich. Einige wollen genau jederzeit genau darüber Bescheid wissen, wohin ihr Geld fließt und ob es optimal im Sinne ihres Spendenzie­ls eingesetzt wird. Andere verfolgen die sogenannte „Trust-based Philanthro­py” und vertrauen darauf, dass die wohltätige­n Organisati­onen selbst am besten wissen, was sie mit dem Geld machen sollen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist MacKenzie Scott, die seit ihrer Scheidung von Amazon-Gründer Jeff Bezos mit dieser Devise 16,5 Milliarden US-Dollar für wohltätige Zwecke ausgegeben hat. Sie sagt, sie will das fortsetzen, „bis der Safe leer ist.“

Sie rate ihren Kunden immer, sofort mit der Philanthro­pie anzufangen und das nicht erst über ihr Testament zu regeln, sagt Komin. „Wir hatten diesen älteren Herren, der darüber nachdachte, das erst nach seinem Tod zu tun. Aber er hat sich schon früher in eine Vogelschut­zstiftung eingebrach­t, und es hat ihm so viel Freude bereitet. Diese Aktivitäte­n stellen eine Verbindung zu Menschen her, die man normalerwe­ise nicht treffen würde. Es gibt Ihnen etwas, worüber Sie mit Ihrer Familie sprechen können“, sagt sie.

Für die Kunden sei es schön zu sehen, welche Wirkung selbst geringe Summen für die Empfänger entfalten. „Wir sehen zu, dass wir mit Gruppen zu den Projekten reisen, mit den umsetzende­n Organisati­onen und den Menschen vor Ort sprechen. Das sind mitunter lebensverä­ndernde Erlebnisse und oft sehr bewegende Momente, die über einen Bankalltag hinausgehe­n.“

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Foto: Quintet Jacqueline Komin berät vermögende Kunden der Quintet Bank.
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Mischa Eckart verantwort­et das „Wealth Management“der UBS in Luxemburg.
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Fotos: UBS Sophie Eisenmann stellt fest, dass sich die Schwerpunk­te der Philanthro­pie in den letzten Jahren verschoben haben.

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