Richtig Spenden will gelernt sein
Banken beschäftigen sogenannte „Philanthropy Advisor“, die wohlhabenden Kunden helfen, ihr Geld für gemeinnützige Zwecke auszugeben
„Wer reich stirbt, stirbt in Schande“. Dieser Satz stammt nicht etwa von irgendwelchen sozialistischen Aktivisten, sondern vom Stahlmagnaten und Erzkapitalisten Andrew Carnegie. Er war überzeugt, dass einer der wichtigsten Gründe, reich zu werden, darin besteht, der Gesellschaft etwas zurückgeben zu können. Tatsächlich gab er bis zu seinem Tod im Jahr 1919 über 95 Prozent seines Vermögens aus, um wohltätige Zwecke zu unterstützen, Bildung zu fördern und öffentliche Bibliotheken zu errichten.
Man muss kein Millionär sein, um sein Geld für eine gute Sache arbeiten zu lassen, aber es hilft. Viele der Banken, die in sich in Luxemburg um die Vermögen besonders wohlhabender Kunden (das sogenannte „Wealth Management“) kümmern, beschäftigen „Philanthropy Advisor“. Sie beraten Kunden dabei, ihr Kapital für wohltätige Zwecke einzusetzen. „Die Menschen, die wir mit der Philanthropie-Beratung unterstützen, sind in der Regel Kunden mit Einlagen von über einer Million bei unserer Bank“, sagt Jacqueline Komin, Senior Philanthropy Advisor bei InsingerGillisen, der niederländischen Niederlassung der Privatbank Quintet. Die Bank berät auch wohlhabende Luxemburger Kunden, die sich für Philanthropie interessieren.
Die UBS bietet diesen Service bei Beträgen von zwei Millionen Euro aufwärts an, sagt Mischa Eckart, der das Wealth Management der Luxemburger Niederlassung der Schweizer Bank leitet. Am Anfang der Beratung gehe es immer darum, die Präferenzen der Kunden herauszufinden. „Wir nennen das ‚Legacy Strategy‘. Wir versuchen, mit dem Klienten herauszuarbeiten, was ist der tiefere Zweck hinter dem Vermögen? Was soll an die nächste Generation, was soll an die Zukunft weitergegeben werden?“, sagt Eckart.
Unterschiedliche Motivationen
Viele Kunden haben anfangs nur das Vorhaben im Sinn, wohltätige Zwecke zu unterstützen, aber keine genaue Vorstellung davon, wofür und wie sie spenden wollen. „Wir stellen am Anfang viele Fragen. Was begeistert Sie besonders? Was möchten Sie in der Welt verändern, was möchten Sie erhalten? Möchten Sie sofort beginnen oder im Testament eine wohltätige Organisation bedenken? Möchten Sie selbst involviert sein oder sollen wir das alles übernehmen?“, erklärt Komin ihre Arbeit.
Wichtig sei auch die Frage, ob der Spender anonym bleiben will. „Manche Menschen möchten, dass ihr Familienname in der Öffentlichkeit steht. Andere Leute sagen: Wenn ich jetzt anfange zu spenden, ziehe ich vielleicht viel Aufmerksamkeit auf mich, die ich nicht möchte. Deshalb möchte ich meine Familie anonym halten“, so Komin.
Die Motivationen zu spenden und die Ausgangslage, seien dabei höchst unterschiedlich, sagt Sophie Eisenmann, die den Bereich Social Impact und Philanthropie der UBS in Europa leitet. „Manche Kunden haben ein Vermögen aufgebaut, haben aber keine eigenen Kinder und wollen dafür sorgen, dass das Geld dann sinnvoll verwendet wird. Manche Unternehmer haben ihre Firma verkauft und wollen nun einen Teil dieses Kapitals philanthropisch oder sozial einsetzen“, sagt sie. „Andere sind tief von einem bestimmten Thema angetrieben oder haben eine religiöse Motivation.“Die Probleme, die die wohlhabenden Kunden angehen wollen, veränderten sich dabei. Der Kampf gegen den Klimawandel sei gerade in Luxemburg ein Thema, das ihre Klienten bewegt.
Spender werden jünger und weiblicher
„In der Vergangenheit wurde vor allem für lokale Konzerthallen oder Museen oder für die Bekämpfung bestimmter Krankheiten gespendet. Heute geht es mehr um Nachhaltigkeit, Diversität oder Inklusion“, sagt Jacqueline Komin. „Manchmal ist der Zweck auch nahe an den Hobbies der Menschen oder an ihrem eigenen Karriereweg. Und ich habe auch einige Menschen getroffen, die sich wegen des Reichtums, den sie geerbt haben, schämen oder sich unwohl fühlen. Und sie wollen sicherstellen, dass er zumindest einem guten Zweck dient.“
Verändert habe sich auch die Zusammensetzung ihrer Kundschaft. „Als ich vor 20 Jahren mit dem Beruf anfing, waren es vor allem Männer, die eine Stiftung für die Zeit nach ihrem Lebensende gründen wollen. Heute bringen sich weitaus mehr Frauen ein. Und die Kunden sind heute jünger als sie es früher waren. Viele sind Unternehmensgründer und sind so zu Reichtum gekommen. Die wollen sofort mit der Wohltätigkeit loslegen und nicht bis zu ihrem Tod warten“, sagt sie.
Wenn der gute Zweck, für den gespendet werden soll, identifiziert ist, müssen die Spender sich überlegen, wie das Geld an seine Adressaten kommen soll. Ein klassischer Weg, den auch Andrew Carnegie gegangen ist, ist es, eine eigene Stiftung einzurichten, die sich dauerhaft einem guten Zweck zuwendet und dazu häufig den Namen des Spenders über Jahrzehnte trägt. Das ist aber sehr aufwendig und teuer. Daher bietet die UBS ihren Kunden an, ihre eigene Stiftung an eine Dachstiftung anzudocken. Der Spender muss sich dann nicht um die Administration der Stiftung kümmern. Die UBS ist aus diesem Grund im vergangenen Jahr eine Kooperation mit der Fondation de Luxemburg eingegangen.
Einen ähnlichen Weg geht auch Quintet. „Früher gab es mehr Leute, die selbst eine Stiftung gründen wollten. Dann mussten sie einen Verwaltungsrat einrichten und dann alle Steuern und Buchhaltung und alles andere erledigen. Die Tatsache, dass man als Verwalter einer Stiftung sichtbar ist, gefällt den meisten Menschen nicht wirklich. Deshalb bevorzugen sie Namensfonds, bei denen sie über einen Teil ihrer Spenden entscheiden und den Rest an eine Dachstiftung delegieren“, sagt Komin. Sie habe beispielsweise eine Kundin, die Erbin eines großen Vermögens sei. „Sie möchte nicht ihr ganzes Geld ihren Kindern geben, sondern es teilweise für einen guten Zweck spenden. Also eröffnet sie einen Namensfonds und entscheidet, wofür sie spenden möchte. Und dann übergibt sie es uns als Philanthropie-Berater, damit wir uns darum kümmern“, so Komin. Für die wohlhabenden Kunden ist die Beratung in der Regel kostenfrei und Teil des Services der Banken im Bereich Wealth Management.
Vertrauen oder Kontrolle?
Wer nicht gleich seine eigene Stiftung ins Leben rufen möchte, kann einfach an bestehende Organisationen spenden. „Erfahrungsgemäß ist eine der zentralen Fragestellungen für die Kunden in diesem Bereich: Kommt das Geld wirklich an und wird es wirklich genauso eingesetzt, wie ich das möchte“, sagt Mischa Eckart.
Auch hierbei bieten die Banken Hilfe an. Unter den weltweit 150 Menschen, die
sich bei der UBS dem Thema Philanthropie widmen, seien Programmexperten aus Bereichen wie Gesundheit, Klimaschutz oder Meeresbiologie. „Da haben wir etwa 150 Organisationen und Programme, die wir ganz engmaschig begleiten und die wir auf halbjährlicher Basis evaluieren. So können wir sicherstellen, dass der mit den Spenden erwünschte Effekt erzielt wird“, sagt Sophie Eisenmann. Es komme aber auch vor, dass der Kunde schon ein konkretes Programm im Sinn hat. „Dann setzen wir da die gleichen Evaluierungskriterien an. Wenn es diesen standhält und der Kunde einen Mindestbetrag von einer Million über drei Jahre an neuen Spenden in dieses Programm einbringt, dann nehmen wir das bei uns auf“, sagt sie.
Die philanthropischen Aktivitäten in diesem Rahmen seien immer so ausgelegt, dass sie eine „systemische“Veränderung herbeiführen. „Das könnte sein, dass beispielsweise die Regierung in einem Schwellenland die Lehrpläne ändert, um die Bildungsergebnisse zu verbessern, sodass die Effekte weiterhin spürbar sind, auch wenn die Spendengelder irgendwann nicht mehr fließen“, sagt Eisenmann. Sie nimmt an, dass philanthropisches Kapital eine gewisse Hebelfunktion entfalten kann, um zusätzlich sogenanntes Impact-Kapital anzuziehen, also Geld von Anlegern, die sowohl positive Effekte für Gesellschaft oder Umwelt erzielen wollen als auch Profite.
Lebensfreude durch Philanthropie
Die Strategien, die Kunden bevorzugen, um ihre Philanthropie zu verwalten, sind dabei höchst unterschiedlich. Einige wollen genau jederzeit genau darüber Bescheid wissen, wohin ihr Geld fließt und ob es optimal im Sinne ihres Spendenziels eingesetzt wird. Andere verfolgen die sogenannte „Trust-based Philanthropy” und vertrauen darauf, dass die wohltätigen Organisationen selbst am besten wissen, was sie mit dem Geld machen sollen. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist MacKenzie Scott, die seit ihrer Scheidung von Amazon-Gründer Jeff Bezos mit dieser Devise 16,5 Milliarden US-Dollar für wohltätige Zwecke ausgegeben hat. Sie sagt, sie will das fortsetzen, „bis der Safe leer ist.“
Sie rate ihren Kunden immer, sofort mit der Philanthropie anzufangen und das nicht erst über ihr Testament zu regeln, sagt Komin. „Wir hatten diesen älteren Herren, der darüber nachdachte, das erst nach seinem Tod zu tun. Aber er hat sich schon früher in eine Vogelschutzstiftung eingebracht, und es hat ihm so viel Freude bereitet. Diese Aktivitäten stellen eine Verbindung zu Menschen her, die man normalerweise nicht treffen würde. Es gibt Ihnen etwas, worüber Sie mit Ihrer Familie sprechen können“, sagt sie.
Für die Kunden sei es schön zu sehen, welche Wirkung selbst geringe Summen für die Empfänger entfalten. „Wir sehen zu, dass wir mit Gruppen zu den Projekten reisen, mit den umsetzenden Organisationen und den Menschen vor Ort sprechen. Das sind mitunter lebensverändernde Erlebnisse und oft sehr bewegende Momente, die über einen Bankalltag hinausgehen.“