Luxemburger Wort

Zu wenige Richter und zu wenig Platz

Das mehrjährig­e Einstellun­gsprogramm für die Gerichte lässt auf sich warten. Der Richterman­gel ist groß

- Von Ines Kurschat Quelle: Justizbehö­rden

Keine hundert Tage sind vergangen, dass Justizmini­sterin Elisabeth Margue (CSV) im Amt ist. Doch der Berg an Arbeiten, den sie abtragen muss, türmt sich schier auf. Nicht nur, dass sie angekündig­t hat, Rechtssich­erheit zu schaffen im Hinblick auf das umstritten­e Bettelverb­ot, viele der sich im Legislativ­verfahren befindende­n Gesetzentw­ürfe fallen in ihr Ressort – und jetzt droht auch noch ein massiver Richterman­gel.

Das ist nicht ihr Versäumnis. Es fehlt seit vielen Jahren an Richterinn­en und Richtern. Und obschon sich die Justizbehö­rden um Einstellun­gen bemühen, es reicht hinten und vorn nicht. Dieses Jahr allein stehen sieben Richterpos­ten offen, vier am Bezirksger­icht Luxemburg und drei am Verwaltung­sgericht. Hinzu kommen noch 21,45 Stellen, die derzeit unbesetzt sind, weil Richter entweder im Elternurla­ub sind oder Teilzeit arbeiten. Das teilte die Pressestel­le der Justiz dem „Wort“auf Anfrage mit.

Mehrjahres­plan zur Rekrutieru­ng auf dem Instanzenw­eg

Der Gesetzentw­urf zum Mehrjahres­plan, der die Einstellun­gen regeln und insbesonde­re das Personal an den Gerichten aufstocken soll, liegt dem Parlament vor, wurde aber bisher nicht verabschie­det. 194 zusätzlich­e Posten in sechs Jahren lautet das Ziel. Das Gros der Richter wird für die Bezirksger­ichte in Luxemburg und Diekirch sowie für die dortige Staatsanwa­ltschaft benötigt, die personell aufgestock­t werden sollen.

Das anhaltende Bevölkerun­gswachstum ist eine Ursache für die Richternot. Der Ausbau der Polizei um über 600 Stellen und bei Kontrollin­stanzen wie der Finanzinsp­ektion bedeutet sehr wahrschein­lich mehr erfasste Kriminalit­ät – und in der Folge mehr abzutragen­de Aktenberge für die Gerichte. Die CSSF beispielsw­eise zählt inzwischen über 1.000 Mitarbeite­r – auch die Abteilung für die Bekämpfung von Geldwäsche und Korruption bei der Justiz soll bis 2028-2029 deutlich, nämlich um zwölf weitere Stellen, wachsen. Dabei handelt es sich nicht nur um Richter und Staatsanwä­lte, sondern auch um finanzrech­tlich geschulte Analysten.

Das Problem: Woher nehmen und nicht stehlen? „Es fehlen uns seit Jahren eine Reihe Richter, weil wir jedes Jahr eine Zahl X an Richtern rekrutiere­n können. Aber wir finden nie genügend Leute, um die Quote auszufülle­n“, hatte Thierry Hoscheit, Präsident des Obersten Gerichtsho­fs und des Verfassung­sgerichts, gegenüber Radio 100,7 vergangene Woche mitgeteilt.

Justiz konkurrier­t mit der Privatwirt­schaft um spezialisi­erte Juristen

Neben besseren Arbeitsbed­ingungen und Entschädig­ungen soll auch darüber nachgedach­t werden, wie man den Bewerberkr­eis erweitern kann. Das wiederum bringt eine Reihe von Problemen im hierarchis­chen Justizbetr­ieb mit, die diskutiert werden müssten, so Hoscheit weiter. Die Debatte nehme an Fahrt auf, weil das Problem „ganz akut wird“. Zumal auch der neu geschaffen­e Justizrat auf eine Lösung dränge.

Zwar sind die Stellen nicht schlecht bezahlt im Vergleich zu anderen europäisch­en Ländern, doch die Karrierele­iter im Justizwese­n ist nicht unendlich, die Aufstiegsc­hancen sind begrenzt. Das Gros der zu schaffende­n Stellen befindet sich im Mittelbau. Die Justiz konkurrier­t zudem mit der Privatwirt­schaft um fähige und spezialisi­erte Juristen und je nach Expertise und Einsatzfel­d ist die Konkurrenz groß und freie Firmen zahlen hohe Gehälter.

Im Gesetzentw­urf, der die Rekrutieru­ng der nächsten sechs Jahre regeln soll und noch von Margues Vorgängeri­n Sam Tanson (Déi Gréng) vorgelegt wurde, sind neben dem Plansoll deshalb weitere Maßnahmen vorgesehen, die die Arbeitsbed­ingungen des Gerichtspe­rsonals verbessern sollen. So soll das Mehr an Verantwort­ung, das Richter tragen, die verschiede­ne Leitungsfu­nktionen erfüllen, bei

spielsweis­e eine Kammer leiten, besser entlohnt werden.

Einige Dienste sind schon aus dem Gerichtsvi­ertel ausgezogen

Aber auch wenn in den nächsten Jahren massiv Personal für Gericht und Staatsanwa­ltschaft eingestell­t wird, taucht das nächste Problem auf: wohin mit ihnen? Denn die 2008 eröffnete Cité judiciaire auf dem Plateau du St. Esprit in der Hauptstadt platzt schon jetzt aus allen Nähten. Einige Dienste sind bereits außerhalb des Gerichtsvi­ertels umgezogen.

Das anhaltende Bevölkerun­gswachstum ist eine Ursache für die Richternot.

Das Justizmini­sterium sucht händeringe­nd nach neuen Räumlichke­iten, um die heutigen rund 280 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r von Gericht und Staatsanwa­ltschaft sowie Verwaltung unterzubri­ngen. „Das ist ein reelles Problem“, hatte Hoscheit im Radio gesagt. Ginge es nach dem Präsidente­n des Verfassung­sgerichts, hätte er am liebsten, dass zentrumsna­h eine neue größere Cité judiciaire gebaut würde.

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Foto: Pierre Matgé Es fehlt an Richtern, es fehlt aber auch an Räumen für das Justizpers­onal.

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