Die AfD wird sich nicht entzaubern
In Deutschland demonstrieren dieser Tage Zehntausende Menschen gegen Rechtsextremismus. Die Demo-Welle ist eine Reaktion auf ein „Geheimtreffens“zwischen AfD-Leuten, Mitgliedern der „Werteunion“und noch rechteren Extremisten, wie dem IB-Chef Martin Sellner. Hier wurde besprochen, was die „Alternative für Deutschland“alles anstellen könnte und würde, wenn sie Regierungsverantwortung hätte. Die Enthüllungen dürften niemanden überraschen: Das Vorhaben der AfD, Menschen massenweise aus Deutschland zu vertreiben, entstand nicht erst kürzlich. Neu ist nur, dass auch Menschen mit deutschem Pass dazu zählen, wenn sie der Partei nicht deutsch genug sind – was aus der beschönigenden AfD-Vokabel „Remigration“sehr schnell eine sehr unschöne macht: Deportation.
Dieses Detail treibt die Leute in Deutschland quer durchs politische Spektrum auf die Straße. Es ist die Mitte der Gesellschaft, die zeigt, dass sie dieses Spiel nicht mitmacht. Dass sie es nicht darauf ankommen lassen will, dass die AfD eines Tages in der Regierung sitzt und die türkischstämmige Nachbarsfamilie oder den „nicht assimilierten“Arbeitskollegen aus Syrien deportiert.
Und doch gibt es immer noch Stimmen, die sagen, man könne die Partei genau das ja mal versuchen lassen. Das Stichwort „Entzauberung“macht die Runde: Der AfD kontrolliert Verantwortung übertragen und sie daran scheitern sehen – das würde sicher auch ihren Anhängern die Augen öffnen. Eine ähnliche Überlegung hat sich schon einmal als fatal erwiesen (die entsprechende Phrase lautet „dass er quietscht!“), doch solche historischen Vergleiche sind problematisch.
Man braucht sie aber auch gar nicht. Denn die AfD hat ja schon längst selbst gezeigt, was ihr Markenkern und wer ihr Personal ist, dass sie sich eben nicht entzaubern lassen wird. Der Faschist Björn Höcke hat Chancen auf das Ministerpräsidentenamt in Thüringen, wo seine Partei vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“geführt wird. Dieser Mann würde als Regierungschef oder auch „nur“als Minister nicht scheitern, er wäre damit am Ziel. Mit den Möglichkeiten, die sich ihr dann eröffnen, würde die Partei sukzessive Einfluss nehmen – auf Justiz, Verfassungsschutz oder Bildungspolitik, auf öffentlich-rechtliche Medien. Mit jedem Amt, jedem Posten, jedem Stück „Verantwortung“wird die AfD stärker werden. Dass sie Wahlversprechen bricht, ist möglich, dass sie dadurch an Zustimmung verliert dagegen alles andere als sicher. Kurz: Das mit der „Entzauberung“verbundene Risiko ist viel zu hoch. Um die AfD aus Positionen fernzuhalten, in denen sie noch gefährlicher werden kann, braucht es gesellschaftliches und politisches Engagement gegen Rechtsextremismus. Es braucht laute Gegenstimmen. Und breite Bündnisse, bei denen die Bündnispartner auch mal über ihren Schatten springen. So wie auf der Straße die Rentnerin neben dem Punk demonstriert. Und vor allem braucht es den Willen dazu.
Mit jedem Amt, jedem Posten, jedem Stück „Verantwortung“wird die AfD stärker werden.