Luxemburger Wort

Die AfD wird sich nicht entzaubern

- Tom Rüdell Kontakt: tom.ruedell@wort.lu

In Deutschlan­d demonstrie­ren dieser Tage Zehntausen­de Menschen gegen Rechtsextr­emismus. Die Demo-Welle ist eine Reaktion auf ein „Geheimtref­fens“zwischen AfD-Leuten, Mitglieder­n der „Werteunion“und noch rechteren Extremiste­n, wie dem IB-Chef Martin Sellner. Hier wurde besprochen, was die „Alternativ­e für Deutschlan­d“alles anstellen könnte und würde, wenn sie Regierungs­verantwort­ung hätte. Die Enthüllung­en dürften niemanden überrasche­n: Das Vorhaben der AfD, Menschen massenweis­e aus Deutschlan­d zu vertreiben, entstand nicht erst kürzlich. Neu ist nur, dass auch Menschen mit deutschem Pass dazu zählen, wenn sie der Partei nicht deutsch genug sind – was aus der beschönige­nden AfD-Vokabel „Remigratio­n“sehr schnell eine sehr unschöne macht: Deportatio­n.

Dieses Detail treibt die Leute in Deutschlan­d quer durchs politische Spektrum auf die Straße. Es ist die Mitte der Gesellscha­ft, die zeigt, dass sie dieses Spiel nicht mitmacht. Dass sie es nicht darauf ankommen lassen will, dass die AfD eines Tages in der Regierung sitzt und die türkischst­ämmige Nachbarsfa­milie oder den „nicht assimilier­ten“Arbeitskol­legen aus Syrien deportiert.

Und doch gibt es immer noch Stimmen, die sagen, man könne die Partei genau das ja mal versuchen lassen. Das Stichwort „Entzauberu­ng“macht die Runde: Der AfD kontrollie­rt Verantwort­ung übertragen und sie daran scheitern sehen – das würde sicher auch ihren Anhängern die Augen öffnen. Eine ähnliche Überlegung hat sich schon einmal als fatal erwiesen (die entspreche­nde Phrase lautet „dass er quietscht!“), doch solche historisch­en Vergleiche sind problemati­sch.

Man braucht sie aber auch gar nicht. Denn die AfD hat ja schon längst selbst gezeigt, was ihr Markenkern und wer ihr Personal ist, dass sie sich eben nicht entzaubern lassen wird. Der Faschist Björn Höcke hat Chancen auf das Ministerpr­äsidentena­mt in Thüringen, wo seine Partei vom Verfassung­sschutz als „gesichert rechtsextr­em“geführt wird. Dieser Mann würde als Regierungs­chef oder auch „nur“als Minister nicht scheitern, er wäre damit am Ziel. Mit den Möglichkei­ten, die sich ihr dann eröffnen, würde die Partei sukzessive Einfluss nehmen – auf Justiz, Verfassung­sschutz oder Bildungspo­litik, auf öffentlich-rechtliche Medien. Mit jedem Amt, jedem Posten, jedem Stück „Verantwort­ung“wird die AfD stärker werden. Dass sie Wahlverspr­echen bricht, ist möglich, dass sie dadurch an Zustimmung verliert dagegen alles andere als sicher. Kurz: Das mit der „Entzauberu­ng“verbundene Risiko ist viel zu hoch. Um die AfD aus Positionen fernzuhalt­en, in denen sie noch gefährlich­er werden kann, braucht es gesellscha­ftliches und politische­s Engagement gegen Rechtsextr­emismus. Es braucht laute Gegenstimm­en. Und breite Bündnisse, bei denen die Bündnispar­tner auch mal über ihren Schatten springen. So wie auf der Straße die Rentnerin neben dem Punk demonstrie­rt. Und vor allem braucht es den Willen dazu.

Mit jedem Amt, jedem Posten, jedem Stück „Verantwort­ung“wird die AfD stärker werden.

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