„Ich kam nicht mit den Bedingungen klar“
Der Traum von der Medaille geht nicht in Erfüllung. Für Marie Schreiber reicht es bei der Cyclocross-WM zu Rang fünf
„Für Marie ist es eine Enttäuschung. Sie war am Start, um eine Medaille mit nach Hause zu holen.“Die erste Analyse von Cyclocross-Nationaltrainer Jempy Drucker ließ keine Zweifel aufkommen. Und sie passte ins Bild. Denn als Marie Schreiber wenige Minuten zuvor ihren WM-Auftritt in Tabor (CZE) beendete, war sofort klar, wie sich die 20-Jährige fühlen würde.
Als Fünfte rollte Schreiber mit gesenktem Kopf ins Ziel. Die Tränen standen dem Riesentalent in den Augen. Erinnerungen an vergangenes Jahr wurden wach, als die Luxemburgerin in Hoogerheide ebenfalls Fünfte geworden war und nach einem Sturz und akuten Knieschmerzen bittere Tränen der Enttäuschung vergossen hatte.
Diesmal ging die Weltranglistenzehnte zwar nicht zu Boden, doch Schreiber fand von Beginn an nur schwer in den Wettkampf. „Ich bin einfach nicht auf dem Parcours zurechtgekommen“, fand sie ehrliche Worte. „Ich habe kleine Fehler gemacht und kam nicht mit den Bedingungen klar. Mir liegen Rennen, bei denen man in einen gewissen Rhythmus kommt. Aber hier war es extrem schwer. Ich bin nicht durch den schlammigen Untergrund gekommen.“
Schreiber versuchte, das WM-Rennen einzuordnen: „Das Gefühl in den Beinen war eigentlich okay. Aber ich atmete schwer und kam nicht hinterher. Ganz genau, weiß ich auch nicht, was passiert ist. Fest steht aber, dass eine solch tiefe Strecke mir nicht passt. Ich bin auf solchen Kursen noch nie wirklich gut gefahren. Ich konnte nicht beschleunigen. Es war ein Kampf, der viel Kraft gefordert hat.“
Die Fahrerin des Teams SD Worx fügte hinzu: „Es ist schade, die Saison auf diese Art und Weise zu beenden. Die Bilanz des Winters ist dennoch sehr positiv. Vergangenen Sonntag habe ich untermauert, auf welchem Niveau ich fahren kann (Weltcup-Fünfte in Hoogerheide, Anm. d. Red.). Ich frage mich, warum es ausgerechnet jetzt nicht rund gelaufen ist. Ich habe das Gefühl, dass es immer dann nicht klappt, wenn es unbedingt klappen soll.“Schreiber weiß dennoch ganz genau: „Insgesamt bin ich eine starke Saison gefahren.“
Drucker sah den Auftritt der Luxemburger Medaillenhoffnung ganz ähnlich: „Marie hatte Schwierigkeiten, ins Rennen zu kommen. Zum Schluss lief es besser. Da hat sie nicht mehr viel Zeit verloren.“Noch bevor er mit Schreiber geredet hatte, mutmaßte der Exprofi: „Vielleicht war sie zu nervös und hatte sich zu sehr unter Druck gesetzt.“
Ich habe das Gefühl, dass es immer dann nicht klappt, wenn es unbedingt klappen soll. Marie Schreiber
Backstedt lässt nichts anbrennen
Eine Fahrerin drückte dem Rennen der U23-Frauen ihren Stempel auf: Zoe Backstedt. Die Britin dominierte den Wettkampf auf dem tiefen Untergrund regelrecht. Auch Drucker hatte ein Lob parat: „Die stärkste Fahrerin hat gewonnen. Sie hat einmal mehr gezeigt, dass sie dann, wenn Titel vergeben werden, stets besonders gut ist.“Backstedt war im November in Pontchâteau (F) vor Schreiber Europameisterin geworden. Auch auf der Straße hat sie schon so manche Goldmedaille eingeheimst. Bereits nach einer Runde hatte die 19-Jährige alle Konkurrentinnen um mehr als 20 Sekunden distanziert.
Der Blick der Luxemburger Fans richtete sich auf den Kampf um die restlichen beiden Medaillen. Schreiber startete schnell und ging kurz in Führung. Dann allerdings war rasch klar, dass die Luxemburgerin keinen außergewöhnlichen Tag haben würde. Erst zog Krystina Zemanova (CZE) vorbei, dann auch Leonie Bentveld (NL). Schreiber biss auf die Zähne. Zur Rennhälfte lag sie 1‘10‘‘ hinter Backstedt zurück. Die Lücke zu Zemanova und Bentveld betrug 14 Sekunden.
Der Traum vom ersten Luxemburger Edelmetall seit der WM 1985 als Claude Michely Dritter im Rennen der Männer-Elite geworden war, sollte sich nicht erfüllen. Schreibers Rückstand wuchs kontinuierlich an, weil weder Zemanova noch Bentveld stark nachließen.
Backstedt konnte die letzten Minuten genießen und jubelte ausgelassen. Silber geht letztendlich an Zemanova (auf 44‘‘) und die Bronzemedaille an Bentveld (55‘‘). Die Kanadierin Isabella Holmgren (1‘08‘‘) zog in der Schlussrunde noch an der entmutigten und moralisch angeschlagenen Schreiber (1‘42‘‘) vorbei.
Die kann sich nun erst einmal erholen und auf andere Gedanken kommen. Die Verschnaufpause hat sie sich redlich verdient. In rund sechs Wochen wird man sie bei Eintagesrennen in Belgien im SD-WorxTrikot sehen. Bis dahin ist die WM-Enttäuschung längst verflogen.