Wenn ein Skandalclub einen Skandalstürmer bändigen will
Gerson Rodrigues heuert bei Slovan Bratislava an. Dessen Generaldirektor sorgte unter anderem wegen eines Hitlergrußes für Schlagzeilen
Mit ausgebreiteten Armen stand er auf der Tribüne und blickte ins Stadion herunter. Es passte ins Bild, dass sich Gerson Rodrigues bei seiner Vorstellung bei Slovan Bratislava wie der Heilsbringer inszenierte. Denn an Selbstvertrauen mangelt es dem 28 Jahre alten Fußballprofi am allerwenigsten.
Der erfolgreichste Stürmer der FLFGeschichte wird künftig das himmelblaue Trikot des slowakischen Serienmeisters tragen. „Wir sind von seinem unbestreitbaren Potenzial und seiner Qualität überzeugt“, sagte Generaldirektor Ivan Kmotrik. Dabei verriet er, dass man vor allem durch Rodrigues‘ jüngste Auftritte mit der Nationalmannschaft gegen die Slowakei auf ihn aufmerksam geworden sei.
Doch wie so vieles in der Karriere von Gerson Rodrigues, der noch bei Dynamo Kiew unter Vertrag steht, ging auch dieser Transfer (Leihe mit Kaufoption) nicht geräuschlos vonstatten. Slowakische Medien hatten berichtet, dass die Ukrainer die Verhandlungen mit Slovan abgebrochen hätten, weil Bratislava ein Testspiel gegen den russischen Club Dynamo Moskau absolviert hatte. Kmotrik dementierte dies und verwies auf „sehr korrekte“Verhandlungen.
Hitlergruß und Körperverletzung
Von „sehr korrekt“ist Kmotrik, Sohn des gleichnamigen Oligarchen, Clubbesitzers und Präsidenten, allerdings offenbar weit entfernt. So wurde der Junior im Jahr 2019 zu einer Geldstrafe von 5.000 Euro verurteilt, weil er nach einem Meisterschaftsspiel den Hitlergruß gezeigt und dazu „Heil Hitler“gerufen haben soll. Auch Gewaltdelikte und die offene Nähe zu rechtsradikalen Fangruppierungen zieren dessen Vita. Als der Rodrigues-Transfer noch in der Gerüchteküche brodelte, wiesen slowakische Medien in diesem Kontext auf einen Prozess in Luxemburg hin. Denn auch der Luxemburger muss sich aktuell wegen Körperverletzung und Beleidigung vor Gericht verantworten.
Darüber hinaus gilt der Angreifer als schwieriger Charakter. So flog er Mitte Juni wegen mehrerer Disziplinlosigkeiten aus der Nationalmannschaft, im Oktober kehrte er zurück. Und auch bei seinen Clubs hielt es Rodrigues, der in den sozialen Medien gerne seinen dekadenten Lebensstil zur Schau stellt, nie lange aus. In sieben Jahren nach seinem Abschied von der Fola bringt es Rodrigues auf stolze zehn Clubs in acht Ländern.
An den fußballerischen Qualitäten des gebürtigen Portugiesen besteht hingegen kein Zweifel. Mit 20 Toren führt Rodrigues die Rekordtorschützenliste der Nationalmannschaft deutlich an. Der Stürmer vereint Torgefahr und Technik mit Unbekümmertheit und Athletik. Allein in der abgelaufenen historischen EM-Qualifikation traf Rodrigues in sieben Spielen fünfmal für die FLF-Auswahl.
„Eine weitere Geschichte soll entstehen“, schrieb Rodrigues bei Instagram. Und auch Kmotrik äußerte sich hoffnungsvoll: „Ich glaube, dass die Zusammenarbeit erfolgreich sein wird.“Betrachtet man die Vita von Verein und Spieler, ist eine überraschende Symbiose von Skandalclub und Skandalstürmer vielleicht genauso wahrscheinlich wie das nächste schnelle Ende.