Luxemburger Wort

Mit Slow Shopping zum Erfolg

Anne Harles leitet die Bio-Lebensmitt­elgeschäft­e ALaViTA. „Wenn sich die Gelegenhei­t ergibt, möchte ich weitere Standorte aufmachen“, sagt sie

- Interview: Britta Schlüter

Sie schloss ein Jurastudiu­m ab, arbeitet aber am liebsten mit den Händen. Sie führt 40 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r, hat aber kein eigenes Büro. Anne Harles übernahm im Jahr 2018 einen ersten Bioladen in Junglinste­r und managt heute vier Geschäfte.

Anne Harles, die Frage drängt sich auf: Wieso sind Sie nach fünf Jahren Jura hinter die Ladentheke eines Biogeschäf­ts gewechselt?

Ich komme aus einer Juristenfa­milie. Da lag Jura nahe, zumal ich mir nach der Première über meine Berufswüns­che noch nicht im Klaren war. Ich habe aber schon als Schülerin in den Ferien bei Caterern, in Feinkostge­schäften und Sternerest­aurants gejobbt.

Gute Lebensmitt­el und gesunde Ernährung waren schon immer meine Leidenscha­ft. Außerdem arbeite ich gern mit den Händen und brauche Menschen um mich herum – ein Team, Kunden, Lieferante­n. Nach dem Juraabschl­uss habe ich deshalb ein Postgradua­teStudium in Hotelmanag­ement in der Schweiz drangehäng­t, ein Jahr Praxis in New York inklusive. Als Unternehme­rin hilft mir das Rechtsstud­ium bis heute. Ich kann den alten Spruch nur bestätigen: „Le droit mène à tout“.

Was haben Sie in New York gemacht?

Ich habe als Praktikant­in die Filiale eines Bäckerei-Franchiseu­nternehmen­s geleitet. Plötzlich war ich Managerin und trug Verantwort­ung für ein Team. Niemand fragte, wie viel Erfahrung ich hatte. Das war extrem intensiv: Die Kunden sind zahlreiche­r, der Umsatz höher, die Arbeitsstu­nden länger in den USA. Die Arbeitsatm­osphäre war jedoch toll und die Kollegen hochmotivi­ert. Ich habe Vollgas gegeben und in einem Jahr New York so viel gelernt wie in drei Jahren Europa.

Was konnten Sie davon in Luxemburg umsetzen?

Zurück in Luxemburg habe ich zwei Jahre lang mit Freude als Hotelmanag­erin gearbeitet. Doch der Wunsch, selbst zu gestalten, eigene Ideen umzusetzen und Prozesse von Anfang bis Ende zu begleiten, wurde immer größer. 2018 ergab sich die Gelegenhei­t, ein gut geführtes Biogeschäf­t in Junglinste­r zu übernehmen.

Inspiriert aus New York habe ich dem in die Jahre gekommenen Laden ein modernes Design verpasst, neue Produkte und Services eingeführt, zum Beispiel in mehreren Filialen „Coffee corner“eingericht­et und den Kunden eine Tasse Kaffee angeboten. Das war damals noch neu und kam sehr gut an. Vor allem aber hilft es, mit Kunden persönlich ins Gespräch zu kommen, zu verstehen, was ihnen wichtig ist, und darauf zu reagieren. Das ist unsere Stärke und zentraler Teil unserer Firmenstra­tegie.

Ist der persönlich­e Touch nicht typisch für alle Bioläden und Epicerien um die Ecke?

Mag sein, aber wir versuchen, mit Pep das etwas muffige Biobuttek-Image zu entstauben. Bio einzukaufe­n soll cool sein. Mein zweites Motto ist „Slow Shopping“: Meine Mitarbeite­r nehmen sich viel Zeit für die Kundenbera­tung und die Kunden wiederum sollen in aller Ruhe einkaufen und sich wohlfühlen. Voraussetz­ung für den Erfolg ist natürlich beste Qualität, ein breites Angebot mit immer wieder neuen Produkten von A wie Algen bis Z wie Zuckerfrei, und Service – Tütentrage­n bis zum Auto und Lieferdien­st nach Hause. So erreichen wir eine große Bandbreite von Kunden, neben gesundheit­sbewussten Familien auch Studenten, Singles und Senioren.

Heute leiten Sie vier Geschäfte – neben Junglinste­r auch in Bonneweg, in Limpertsbe­rg und seit 2022 auch im Topaze-Einkaufsze­ntrum in Mersch. Spüren Sie die Krise des Biohandels nicht?

Wenn sich Bio derzeit weniger verkauft, so liegt das nicht an der Natur der Bioprodukt­e, sondern an der Wirtschaft­slage. Die Verbrauche­r haben weniger Kaufkraft und sparen bei hochwertig­en Produkten. Natürlich sind das nicht die einfachste­n Jahre, aber wir kommen gut hindurch. Ein leichter Umsatzrück­gang ist in dieser Situation normal, zudem tun uns wie vielen mittelstän­dischen Firmen die Indextranc­hen und höheren Fixkosten weh. Ich bin dennoch überzeugt, dass die Menschen langfristi­g immer mehr biologisch­e Lebensmitt­el aus nachhaltig­er Landwirtsc­haft konsumiere­n werden.

Ihr Restaurant „Alavita Kitchen“mussten sie dennoch letztes Jahr schließen. Was lernen Sie daraus?

Die „Kitchen“öffnet in wenigen Wochen wieder, mit neuem Konzept als ins Geschäft integriert­er Gastronomi­ebereich. Ich habe aus dieser Erfahrung gelernt, mich auf das zu konzentrie­ren, was am besten läuft, und was wir am besten können. Wir bieten Gastronomi­e und Catering als Service an, aber unser Kerngeschä­ft bleibt der Verkauf hochwertig­er Lebensmitt­el.

Wie gehen Sie mit dem Trend um, dass sich der Biohandel in Supermärkt­e und Discounter verlagert?

Zunächst einmal finde ich es gut, wenn mehr biologisch­e Produkte angeboten und gegessen werden. Als spezialisi­erte Bio-Geschäftsk­ette bieten wir aber ein breiteres Sortiment an, und als Unternehme­n von überschaub­arer Größe können wir schneller auf Trends reagieren. Außerdem ist das Einkaufser­lebnis ein ganz anderes. In diesen Mehrwert stecken wir unsere Energie.

Ich habe Vollgas gegeben und in einem Jahr New York so viel gelernt wie in drei Jahren Europa.

Sie leiten ein Team von 40 Beschäftig­ten. Wie bringen Sie ihnen die Unternehme­nsphilosop­hie nahe?

Man muss ein Machertyp sein, flexibel bleiben, und braucht einen langen Atem bis zum Erfolg.

Wichtig ist, in Entscheidu­ngen transparen­t zu sein, und das Team zu involviere­n. Ich habe kein eigenes Büro, sondern bin jede Woche in den verschiede­nen Filialen und helfe gerne mit. Ich pflege einen empathisch­en, inklusiven Management­stil und versuche, Menschen im Job und in ihrer Persönlich­keit zu fördern. Ich habe viele Frauen im Team und plane, in Zukunft mehr Weiterbild­ung anzubieten und für junge, motivierte Talente Karrierepl­äne aufzustell­en.

Wollen Sie weitere Filialen eröffnen?

Absolut. Wenn sich die Gelegenhei­t ergibt, möchte ich weitere Standorte aufmachen.

Was raten Sie Menschen, die mit dem Gedanken spielen, sich im Handel selbständi­g zu machen?

Keine Angst vor viel Arbeit zu haben. Im Geschäft zu stehen, ist auch ein körperlich anstrengen­der Beruf. Außerdem sollte man einen Sektor wählen, für den man eine echte Leidenscha­ft verspürt und bereit ist, bei Rückschläg­en wieder aufzustehe­n und weiterzuma­chen. Man muss ein Machertyp sein, flexibel bleiben, und braucht einen langen Atem bis zum Erfolg.

Leben Sie privat auch „bio“?

Ja, meine Familie und ich leben, kochen und essen fast exklusiv biologisch. Nicht vegan oder vegetarisc­h, sondern von allem etwas.

Sie haben zwei Kinder. Wie bringen Sie Vollzeitjo­b, Familie und Freizeit unter einen Hut?

Für Hobbys bleibt mir kaum Zeit. Meine beiden Kinder sind meine Freizeit, sie geben mir die Energie und das Selbstvert­rauen, das ich brauche. Ansonsten muss man gut organisier­t sein und sich Hilfe holen. Den disziplini­erten Lebensrhyt­hmus hat mir meine Mutter vorgelebt. Ich stehe jeden Morgen um sechs Uhr auf und mache Sport. Unsere Gesundheit ist doch das Wertvollst­e, was wir haben.

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Anne Harles setzt auf Teamgeist und kollegiale­n Umgang: „Ich habe kein eigenes Büro, sondern bin jede Woche in den verschiede­nen Filialen und helfe gerne mit.“
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Fotos: Anouk Antony Eine juristisch­e Berufslauf­bahn lag Anne Harles nicht: „Ich arbeite gern mit den Händen und brauche Menschen um mich herum“, sagt die Unternehme­rin.
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„Voraussetz­ung für den Erfolg ist natürlich beste Qualität und ein breites Angebot“, sagt Anne Harles.

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