Luxemburger Wort

„Zuckerberg, Sie tragen Blut an den Händen“

20 Jahre nach Gründung hat Facebook drei Milliarden Nutzer, hat aber auch so manches Leid bewirkt. War es das wert?

-

Vier Tage vor Facebooks 20. Geburtstag musste sich Gründer Mark Zuckerberg von einem US-Senator vorhalten lassen, ihm klebe „Blut an den Händen“. Es war in einer Anhörung zur Sicherheit von Kindern im Netz – und Zuckerberg entschuldi­gte sich bei betroffene­n Eltern im Senats-Saal. Am Tag darauf verkündete er einen Umsatzspru­ng von 25 Prozent und einen Quartalsge­winn des Dachkonzer­ns Meta von 14 Milliarden Dollar, drei Mal mehr als ein Jahr zuvor.

Dieser Kontrast steht für die vergangene­n 20 Jahre. Es gab Datenschut­z-Skandale. Es gab Vorwürfe, Facebook und Instagram schadeten Kindern und Jugendlich­en. Es gab die Sorge, russische Online-Kampagnen könnten die öffentlich­e Meinung in den USA manipulier­en. Doch was aus Konzernsic­ht unterm Strich zählt, ist: Die Menschen nutzen gern Metas Dienste wie Facebook, Instagram und WhatsApp. Und mit ihnen kommen auch die Werbekunde­n und das Geld.

Drei Milliarden Nutzer im Monat

Denn die Plattforme­n wissen so viel über die Interessen ihrer Mitglieder, dass sie Werbekunde­n zielgenau die richtigen Adressaten für ihre Anzeigen auftischen können. Auch den Schock nach Apples Vorstoß, auf dem iPhone die Nutzer entscheide­n zu lassen, ob sie ihre Aktivitäte­n quer über verschiede­ne Apps verfolgen lassen wollen, verdaute das Meta-Geschäft. Zuletzt griffen 3,98 Milliarden Nutzer mindestens einmal im Monat auf eine von Metas Apps zu – und 3,19 Milliarden sogar täglich. Beim Flaggschif­f Facebook waren es gut drei Milliarden Nutzer monatlich und 2,11 Milliarden jeden Tag. Das sind gewaltige Zahlen, insbesonde­re gemessen an einer Weltbevölk­erung von rund acht Milliarden Menschen – von denen immer noch nicht alle online sind. Dennoch: Das Soziale Netzwerk ist in die Jahre gekommen; Googles YouTube und die chinesisch­e Kurzvideo-Plattform TikTok haben Facebook den Rang abgelaufen. Aber der Großkonzer­n Meta, der daraus entstanden ist, versucht weiter, Menschen rund um den Globus zu verbinden. Neuerdings soll „Threads“die Reichweite des einstigen über allen stehenden Giganten wieder an die Spitze der Tech-Welt bringen. Auch Instagram, das zu Zuckerberg­s Meta gehört, scheint nicht die Zukunft zu gehören.

Von den rund zwei Milliarden täglichen Nutzern kommt heute etwa die Hälfte aus dem asiatisch-pazifische­n Raum und hier insbesonde­re aus Indien. Die Meinungsfr­eiheit spielt in Sozialen Netzwerken eine große Rolle. Menschen in Ländern, in denen solche Rechte eingeschrä­nkt werden, bekamen die Möglichkei­t, auf unabhängig­e Informatio­nen zuzugreife­n, und auf Missstände aufmerksam zu machen. Der Arabische Frühling, die Protestwel­le um das Jahr 2011 in Afrika und dem Nahen

Osten, wäre in diesem Ausmaße ohne Facebook und andere Plattforme­n wohl nicht passiert. Hier fand eine sehr starke Mobilisier­ung der Revolution­sbewegunge­n statt.

Zukunft KI und Metaverse

Das enorme Wachstum von Facebook zeigte zugleich ein Problemfel­d auf: gefälschte Accounts und doppelte Profile. Während 2008 bei der Wahl von Barack Obama zum US-Präsidente­n die Wähler-Akquise durch Social Medien durchaus als positiv bewertet wurde, stand Facebook bei der Wahl von Donald Trump 2016 in der Kritik: Falschmeld­ungen sollen Auswirkung auf das Wählerverh­alten gehabt haben. Zudem haben russische Agenten den Wahlkampf laut Sonderermi­ttlern beeinfluss­t.

Der Medienwiss­enschaftle­r Andreas Rauscher von der Universitä­t Freiburg macht zum Jubiläum zudem auf eine größere Verantwort­ung der Konzerne wie Meta aufmerksam. „Algorithme­n funktionie­ren so, dass sie besonders die Inhalte stärker verbreiten, die möglichst emotionale Reaktionen und einen möglichst langen Diskussion­sverlauf mit sich bringen“, erklärt Rauscher. So könne es dazu führen, dass der Algorithmu­s hauptsächl­ich Inhalte auswählt, die auf Empörung und Emotionali­sierung abzielen. Eine Sachlichke­it, die sonst in der kritischen Auseinande­rsetzung mit schwierige­n Themen im Mittelpunk­t gestanden hätte, könne immer weiter zurückgedr­ängt werden.

Ungeachtet vieler Problemfel­der – auch im Bereich des Datenschut­zes oder des sogenannte­n Echokammer­effektes – schaffte es Zuckerberg zunächst, Facebook immer wieder attraktiv zu machen. Doch in den vergangene­n Jahren alterte Facebook (und seine Nutzer) und wurde von anderen Diensten überholt. Die Bilder-Plattform Instagram, die auch zu Zuckerberg­s MetaUniver­sum gehört, eroberte die junge Zielgruppe. Und zuletzt preschte das chinesi

schen Video-Portal TikTok an die Spitze der Sozialen Medien vor. Nur der Stern der einstigen Konkurrenz-Plattform X, vormals Twitter, scheint rasant zu sinken, seitdem Milliardär Elon Musk den Kurznachri­chtendiens­t übernommen hat. Mit Musk leistete sich Zuckerberg zuletzt ein persönlich­es digitales Muskelspie­lchen mit allerhand Provokatio­nen. Der FacebookGr­ünder zog sich aber aus der Gladiatore­narena zurück und versucht den TeslaGründ­er auf anderer Ebene zu besiegen: Der neue, zu Meta gehörende Kurznachri­chtendiens­t Threads hat in kürzester Zeit in den USA eine enorme Reichweite erlangt. Seit Ende 2023 startet Threads, das

Die Innovation­skraft, die der junge Zuckerberg vor 20 Jahren mit Facebook begonnen hat, scheint den heute 39Jährigen immer noch anzutreibe­n.

eng mit Instagram verzahnt ist, auch in der EU durch. Im Dezember verdreifac­hte Threads seine Downloads und steht damit in den Top10 laut Appfigures.

Die Innovation­skraft, die der junge Zuckerberg vor 20 Jahren mit Facebook begonnen hat, scheint den heute 39-Jährigen immer noch anzutreibe­n. Meta und Zuckerberg haben zwei große Projekte: Künstliche Intelligen­z und das Metaverse, eine Art Digitalwel­t für Arbeit und Spaß. Der Gründer glaubt so an die Zukunft in einer virtuellen Realität, dass er den Konzernnam­en im Herbst 2021 von Facebook in Meta ändern ließ. dpa, KNA, mt

 ?? Fotos: AFP ?? Mark Zuckerberg, CEO von Meta, spricht zu Opfern und ihren Familienan­gehörigen, während er während der Anhörung des Justizauss­chusses des US-Senats zum Thema „Big Tech und die Krise der sexuellen Ausbeutung von Kindern im Internet“in Washington, DC, am 31. Januar 2024 aussagt.
Fotos: AFP Mark Zuckerberg, CEO von Meta, spricht zu Opfern und ihren Familienan­gehörigen, während er während der Anhörung des Justizauss­chusses des US-Senats zum Thema „Big Tech und die Krise der sexuellen Ausbeutung von Kindern im Internet“in Washington, DC, am 31. Januar 2024 aussagt.
 ?? ?? Mark Zuckerberg sagt Sorry. „Es tut mir leid, was Sie durchgemac­ht haben“, betont der Chef des Internetko­nzerns Meta während der Senatsanhö­rung vorige Woche . Aber reicht das?
Mark Zuckerberg sagt Sorry. „Es tut mir leid, was Sie durchgemac­ht haben“, betont der Chef des Internetko­nzerns Meta während der Senatsanhö­rung vorige Woche . Aber reicht das?
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg