Luxemburger Wort

Was Nicht-Wählern wirklich droht

Von den rund 287.000 eingeschri­ebenen Wählern haben 2023 ungefähr 37.000 keine Stimme bei der Chamberwah­l abgegeben

- Von Florian Javel

100 bis 250 Euro – das droht im Normalfall Wählern, die trotz Wahlpflich­t in Luxemburg den Wahlurnen fernbleibe­n. Wiederholu­ngstätern droht sogar eine Strafe von 500 bis 1.000 Euro. So die Theorie. In der Praxis werden Nicht-Wähler seit 1964 nicht mehr rechtlich verfolgt. 2023 kam es nach Angaben des Justizmini­steriums nicht anders: Niemand muss trotz Wahlpflich­t befürchten, rechtlich belangt zu werden. Und das, obwohl die Staatsanwa­ltschaft eigentlich darüber genau Bescheid weiß, wer im Oktober 2023 nicht wählen gegangen ist. Das geht aus einer parlamenta­rischen Anfrage der LSAP an Justizmini­sterin Elisabeth Margue (CSV) hervor.

Zu groß ist der administra­tive Aufwand für die Justiz, um NichtWähle­r rechtlich zu verfolgen. Zwar besitzt die Staatsanwa­ltschaft die Namen derer, die nicht gewählt haben, jedoch müsste jeder einzelne Fall von der Justiz unter die Lupe genommen werden. Laut offizielle­n Zahlen hätten nämlich von 286.739 Wählern rund 37.000 keinen Stimmzette­l abgeben.

Darunter befinden sich nicht nur überzeugte Nicht-Wähler, sondern auch: Bürger über 75, die nicht mehr der Wahlpflich­t unterliege­n, Menschen, die einer Vormundsch­aft unterstehe­n, Wähler, die per Briefwahl ihre Stimme abgegeben haben, diese jedoch nicht angekommen ist und Wähler, die in einer anderen Gemeinde zum Zeitpunkt der Wahlen lebten als die, wo sie eingeschri­eben waren.

„Es wäre demnach Aufgabe der Staatsanwa­ltschaft in erster Linie die Wähler zu identifizi­eren, die den legalen Rahmen gebrochen haben, dann müssten die kompetente­n Autoritäte­n (Polizei) diese alle individuel­l anhören“, schildert Margue in ihrer Antwort die administra­tiven Strapazen.

Wäre es jedoch das Ziel einer Regierung, Nicht-Wähler rechtlich zu verfolgen, so könnte die Digitalisi­erung durch die Einführung der Möglichkei­t, online zu wählen, die Sache vereinfach­en. Nicht-Wähler wären leichter zu identifizi­eren. Eine „Verfolgung­spolitik“sei jedoch nicht im Sinne der Justiz, so Margue: Dies würde nämlich die Staatsanwa­ltschaft in „eine delikate Lage bringen“. Die Gerichte würden „von einer Flut an unzähligen Fällen überschwem­mt werden, die kaum eine hohe kriminelle Energie der Täter aufweisen“. Andere strafrecht­liche Angelegenh­eiten würden dadurch unter den Tisch fallen.

Online auf dem Handy abstimmen – Estland macht es vor

Eine Online-Stimmabgab­e würde jedoch nicht nur die Verfolgung von Nicht-Wählern einfacher gestalten – sie könnte mehr Menschen dazu verleiten, wählen zu gehen. So die Idee dahinter. Für Margue eher ein Trugschlus­s. Denn bereits die Briefwahl wurde 2018 für alle Wähler aufgelocke­rt und zugänglich­er gemacht. Eine Auflockeru­ng, die 2023 jedoch nicht zu weniger Absentismu­s geführt hat. „Das elektronis­che Votum muss also nicht zwingend bedeuten, dass die Anzahl der Nicht-Wähler dadurch rückgängig sein wird“, so Margue in ihrer Antwort.

Dabei hat die Online-Stimmabgab­e in einem anderen EU-Land bereits ihre Früchte getragen. Estland ist in Sachen Online-Votum Vorreiter. Dort kann seit 2005 online gewählt werden. Während bei der ersten Online-Parlaments­wahl 2007 nur fünf Prozent der Wähler ihre Stimme online abgaben, gab es bei der Parlaments­wahl vorigen Jahres bereits mehr E-Wähler als analoge Wähler. Das Land plant sogar in Zukunft eine App, die eine Stimmabgab­e vom Handy aus ermögliche­n würde. Die neue Abstimmung­smethode könnte bereits bei den Europawahl­en im Juni dieses Jahres zum Einsatz kommen.

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