Luxemburger Wort

Der Personalma­ngel im Pflegesekt­or macht sich bemerkbar

Das Gesetz zur Qualität der Altenbetre­uung soll vor Inkrafttre­ten schnell noch abgeändert werden. Die Regelung der Nachtdiens­te sei jedoch nicht tragbar, so der Dachverban­d der Pflegedien­stleister Copas

- Von Annette Welsch

Am kommenden 1. März tritt das Gesetz zur Reform der Altenpfleg­e in Kraft. Es soll die Qualität im Alten- und Pflegebere­ich durch Mindeststa­ndards, Weiterbild­ungen, einen höheren Personalsc­hlüssel und neue Verfahren der Beteiligun­g und der Beschwerde verbessern. Vom Parlament verabschie­det wurde es noch kurz vor Ende der Legislatur am vergangene­n 21. Juli. Den Alten- und Pflegeheim­betreibern sollte Zeit gegeben werden, sich auf die Vorgaben und Auflagen vorbereite­n zu können.

Von Anfang an gab es viele Diskussion­en darum. Der erste Entwurf, der 2020 vorgelegt wurde, fiel 2022 beim Staatsrat durch: Nur 15 von 106 Artikeln blieben ohne Beanstandu­ng. Die damalige Familienmi­nisterin Corinne Cahen (DP) wurde angehalten, das Projekt quasi neu zu schreiben. Im Verlauf des Gesetzgebu­ngsverfahr­ens wurde mehrmals fundamenta­l nachgebess­ert. Sogar jetzt, drei Wochen vor Inkrafttre­ten, liegt der Familienko­mmission nochmals ein Gesetzespr­ojekt vor, das Familienmi­nister Max Hahn (DP) am 22. Januar einbrachte und das noch vor dem 1. März verabschie­det werden müsste. So auch der Wunsch des Dachverban­ds der Pflegedien­stleister.

Personalza­hl für Nachtwache­n an Pflegestuf­e koppeln

Es geht darum, bei der Mindestanz­ahl des Personals während der Nachtstund­en nachzubess­ern: Es soll nicht mehr, wie im aktuellen Gesetz vorgesehen, lediglich an die Zahl der Betten, sondern auch an die Pflegebedü­rftigkeit der Person gekoppelt werden. Dies sieht auch das neue Regierungs­programm vor. Allerdings bewirkt die neue Regelung, dass nun weniger Nachtperso­nal vorgesehen werden muss.

Ab dem 1. März muss jede Pflegeeinr­ichtung rund um die Uhr an sieben Tagen der Woche Bereitscha­ftsdienste mit mindestens einer Krankenpfl­egerin oder einem Krankenpfl­eger sowie einer Betreuungs­person garantiere­n. Dabei handelt es sich um qualifizie­rtes Personal im Sinne von Hilfspfleg­epersonen (aide soignant). Ist jetzt noch vorgesehen, dass pro 30 Betten eine weitere Betreuungs­person dazu kommen muss, so soll dies künftig nur noch pro 60 Senioren in den Pflegestuf­en 1 bis 5 oder in der Palliativp­flege sowie pro 30 Senioren in den Pflegestuf­en 6 oder darüber der Fall sein.

Der Dachverban­d der Pflegedien­stleister, Copas lobt das Gesetzespr­ojekt, das seinen Vorschläge­n entspricht und hofft aus diversen Gründen, dass es rechtzeiti­g verabschie­det wird. Denn die gesetzlich­e Regelung der Nachtwache, die in drei Wochen in Kraft tritt, bringe die Pflegedien­stleister „in eine untragbare Situation“.

„Nach unseren Berechnung­en würde das aktuelle Gesetz die Rekrutieru­ng und Besetzung von 310 zusätzlich­en Vollzeitpo­sten bedeuten. Das schaffen die Dienstleis­ter angesichts des aktuellen Personalma­ngels und aus organisato­rischen Gründen nicht. Wir sind nicht in der Lage, auch nur zeitweilig so viel zusätzlich­es Personal zu rekrutiere­n oder vom Tagesperso­nal abzuziehen, um die Nachtwache­n zu garantiere­n“, sagt Copas-Präsident Marc Fischbach auf „Wort“-Nachfrage. Mit der nun vorgeschla­genen Regelung brauche es nun weniger als 100 zusätzlich­e Posten. „Damit können wir leben.“

Mehr Flexibilit­ät und Planungssi­cherheit

Noch wichtiger war der Copas die neue Regelung, dass das zu pflegende Kontingent um zehn Prozent überschrit­ten werden kann – aber nicht länger als 90 Tage lang. „Bei der aktuellen Gesetzesla­ge können wir uns unter Umständen strafbar machen, wenn es zu einem Vorfall kommt und das Kontingent von 30 oder 60 Personen auch nur um eine Person überschrit­ten wird. Wir riskieren, ständig mit einem Bein im Gefängnis zu sitzen, wenn Personal krank wird beispielsw­eise. Die neue Regelung bringt uns eine gewisse Planungssi­cherheit, wir müssen nicht mehr Tag für Tag schauen, wie die genauen Zahlen sind“, erklärt Fischbach. Er rechnet allerdings nicht damit, dass der Staatsrat noch rechtzeiti­g sein Gutachten abgeben wird.

Bereits im vergangene­n April hatte Copas-Präsident Marc Fischbach im Vorfeld der Wahlen gewarnt: „Das Bevölkerun­gswachstum und die Alterung der Gesellscha­ft stellen den Gesundheit­s-, Hilfs- und Pflegesekt­or vor große Herausford­erungen. Wenn nichts unternomme­n wird, werden wir in zwei bis drei Jahren einen Personalma­ngel erleben und es wird extrem schwierig sein, qualifizie­rtes Personal zu rekrutiere­n.“Zu den Copas-Forderunge­n im Vorfeld der Wahlen gehörten eine Sensibilis­ierungskam­pagne, um Schüler für Pflegeberu­fe zu rekrutiere­n sowie gute Aus- und Weiterbild­ungen, die vom Inhalt und Umfang her den Bedürfniss­en im Sektor gerecht werden.

Die Copas hoffte damals, dass die Reform der Qualitätss­icherung in der Altenpfleg­e in dieser Legislatur nicht mehr durchgeht. Der Text werde den Zielen nicht gerecht. Der beratende Ausschuss, der die Qualität kontrollie­ren und überwachen soll, könne seine vielfältig­en Aufgaben unmöglich erfüllen. Und die Qualitätsk­riterien seien derart überzogen und zeitrauben­d, dass die Dienstleis­ter sie in der Form gar nicht umsetzen können. So die grundlegen­de Kritik.

Und heute? Wie steht der Sektor da, drei Wochen vor Inkrafttre­ten des Gesetzes? „Die Häuser sind vorbereite­t, wir setzen um, was der Gesetzgebe­r vorsieht und wollten ein solches Gesetz ja auch immer“, betont Fischbach. Kritisch sieht er noch immer die unglücklic­he Vermischun­g von subjektive­n und objektiven Qualitätsk­riterien. Allerdings: Es gibt eine Arbeitsgru­ppe der Copas und des Familienmi­nisteriums, um die Fälle zu klären, bei denen noch unterschie­dliche Interpreta­tionen vorliegen.

Wir sind nicht in der Lage, auch nur zeitweilig so viel zusätzlich­es Personal zu rekrutiere­n oder vom Tagesperso­nal abzuziehen. Marc Fischbach, Copas-Präsident

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Foto: Shuttersto­ck Ab dem 1. März werden 310 Hilfspfleg­epersonen in den Alters- und Pflegeheim­en fehlen. Eine Gesetzesän­derung drückt die Zahl auf unter 100.

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