Luxemburger Wort

„Cité de l’aéroport ist ein Schandflec­k geworden“

Das Viertel, in dem früher viele Mitarbeite­r des Flughafens wohnten, ist heute weitestgeh­end verwahrlos­t. Ein ehemaliger Anwohner erinnert sich

- Von Glenn Schwaller

Leere Bierflasch­en stapeln sich, überall liegen alte Kleider, Autoreifen und Plastikmül­l herum. Viele Häuser stehen schon lange leer, bei einigen wurden Fenster und Türen zugemauert, bei anderen wurden Sicherheit­sgitter angebracht. Wer nur die Bilder sieht, kommt kaum auf den Gedanken, dass dieser Ort sich mitten in Luxemburg befindet. Dabei liegt er im Herzen des Großherzog­tums, nur wenige Kilometer vom pulsierend­en Leben der Hauptstadt entfernt. Genauer gesagt in der Cité de l’aéroport in Findel, gegenüber der neuen Einsatzzen­trale des CGDIS.

Während auf der Südseite der Route de Trèves alle paar Minuten Flugzeuge in alle Welt abheben, scheint die Cité de l’aéroport am vorläufige­n Tiefpunkt angekommen zu sein.

Schöne Vergangenh­eit, triste Gegenwart

Vom einstigen Glanz ist nicht mehr viel zu sehen, die Siedlung wirkt wie ausgestorb­en. Nur in den Straßen herrscht noch ein wenig Leben. Unzählige Autos parken hier, darunter viele recht neue Modelle. Vermutlich gehören sie Menschen, die in der Umgebung arbeiten und ihre Autos tagsüber in der Siedlung abstellen. Einige Autos scheinen aber schon länger hier zu stehen, wie ein grüner Van. Das Auto, dessen Innenraum fast bis zur Decke mit Müll gefüllt ist, ist verrostet, die Reifen sind platt, das Nummernsch­ild ist abmontiert. Fahren wird der Wagen wohl nie mehr. Ursprüngli­ch wurde die Wohnsiedlu­ng in Findel gebaut, um Personal des Flughafens zu beherberge­n. In den Dienstwohn­ungen der Cité de l’aéroport lebten Menschen, die auf dem Flughafen arbeiteten, unter anderem bei der Polizei, dem Zoll, der Berufsfeue­rwehr, der Straßenbau­verwaltung oder der Zivilluftf­ahrtbehörd­e. Heute stehen die meisten Häuser leer, nur einige wenige Wohnungen sind noch bewohnt.

Erinnerung an bessere Zeiten

Früher war das Leben in der Siedlung noch ganz anders. „Es war eine schöne Siedlung und es war sehr sauber. Es herrschte eine fast schon familiäre Atmosphäre. Jeder kannte jeden, wir waren wie eine große Familie“, erzählt ein ehemaliger Bewohner, der anonym bleiben möchte, im Gespräch mit dem LW.

Er erinnert sich an Grillfeste und andere gemeinsame Aktivitäte­n. Ein großer Vorteil der Cité sei die strategisc­h günstige Lage in unmittelba­rer Nachbarsch­aft des Flughafens gewesen, so dass die Bewohner es nicht weit bis zur Arbeit hatten: „Es war eine Siedlung der kurzen Wege“, beschreibt er seinen früheren Wohnort.

Doch mit der Entscheidu­ng vor knapp zehn Jahren, die Mieten für Dienstwohn­ungen von Polizisten und Mitglieder­n anderer Verwaltung­en deutlich zu erhöhen, ging es steil bergab. „Wir bekamen einen Brief, dass die Mieten, die vorher extrem niedrig waren, drastisch steigen würden“, berichtet der frühere Bewohner. Immer mehr Menschen sind daraufhin weggezogen, das Viertel war recht schnell ausgestorb­en.

Damit begann der Niedergang der Cité de l’aéroport, der bis heute anhält. In viele Wohnungen wurde in der Zwischenze­it eingebroch­en, in einigen brachen Feuer aus und das Problem mit dem Müll hat seinen Lauf genommen. „Manche Menschen werfen ihren Dreck hier einfach auf den Boden“, berichtet der frühere Anwohner. „Es ist zu einem richtigen Schandflec­k geworden“, stellt er fest und fragt sich daher: „Wer will da heute noch wohnen?“.

Bürgermeis­terin weiß um Zustand der Wohnsiedlu­ng

Die Antwort auf diese Frage lautet: etwa 50 Menschen. Sie wohnen zum aktuellen Zeitpunkt in der Cité de l’aéroport oder sind zumindest offiziell dort gemeldet. Allerdings wohnt nur noch ein einziger Bewohner aus der früheren Zeit der Dienstwohn­ungen in der Cité, heute sind die Einheiten in Sozialwohn­ungen umgewandel­t worden. Das erklärt die Sandweiler Bürgermeis­terin Jacqueline Breuer (LSAP) im Gespräch mit dem LW. Sie weiß um den Zustand der Wohnsied

lung. „Wir sind uns der Sache bewusst“, erklärt sie mit Blick auf die Verschmutz­ung des Viertels und ergänzt: „Wir stellen fest, dass vor allem in den Wintermona­ten, wenn die Wanterakti­oun stattfinde­t, die Verschmutz­ung in der Cité de l’aéroport zunimmt“. Im Sommer sei die Situation demnach weniger schlimm. Um zumindest der Verschmutz­ung entgegenzu­wirken, kämen regelmäßig private Firmen vorbei, die den Dreck einsammeln. Dies verläuft aber nicht immer reibungslo­s. „Vor einigen Wochen wurde während eines Einsatzes bei einem ihrer Fahrzeuge eine Scheibe eingeschla­gen“, erklärt Breuer.

Sie weist darauf hin, dass das Gelände der Cité de l’aéroport dem Staat gehört. Die Gemeinde regelt aber zum Beispiel den Schülertra­nsport für die wenigen Kinder, die in der Siedlung wohnen, auch wenn die Bürgermeis­terin darin nur wenig Sinn sieht. „Wir müssen den Bus von Sandweiler aus um den ganzen Flughafen herum in die Cité de l’aéroport schicken. Da wäre es doch viel sinnvoller, wenn die Kinder in eine näher gelegene Schule gehen würden“, erklärt sie.

Ungewisse Zukunft

Zehn Häuser in der Siedlung würden derzeit von der Agence Immobilièr­e Sociale vermietet, berichtet sie weiter. „Aktuell sind diese noch zum Teil bewohnt. Es sollen aber keine neuen Mieter mehr einziehen. Das Ziel ist schon, dass irgendwann niemand mehr dort wohnt“, erklärt die Sandweiler Bürgermeis­terin. Wenn also jemand auszieht, werden die Häuser bewusst leer gelassen, die Wasservers­orgung abgestellt und Fenster und Türen zugemauert, wie es bei zahlreiche­n Häusern in der Siedlung der Fall ist.

Was in Zukunft mit dem Gelände geschieht, weiß die Bürgermeis­terin jedoch nicht. „Niemand weiß das“, sagt sie. „Vor einigen Jahren gab es Überlegung­en, die Hallen der Luxexpo von Kirchberg nach Findel zu verlegen. Daraus wurde aber nichts“, so Breuer. Stattdesse­n sollen die Ausstellun­gshallen in Kirchberg bleiben. Die Zukunft der Cité de l’aéroport bleibt hingegen weiter ungewiss.

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Fotos: Gerry Huberty Das Viertel hat schon deutlich bessere Zeiten gesehen. Nur wenige Häuser sind noch bewohnt.
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Private Firmen kommen regelmäßig vorbei, um den Müll einzusamme­ln.
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Dieses Auto scheint schon länger in der Cité de l’aéroport zu stehen.
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An einigen Häusern wurden Fenster mit Ziegeln zugemauert.
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Bei anderen Häusern wurden an Türen und Fenstern Sicherheit­sgitter angebracht.

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