Luxemburger Wort

Die Schuldfrag­e steht im Mittelpunk­t

Im Berufungsp­rozess zur Betrugsaff­äre Hesperinge­n wird über mögliche Nachlässig­keiten der Gemeinde diskutiert. Das Urteil wird am 13. März gesprochen

- Von David Thinnes

„Wo ist das Geld hin? Das muss doch auffallen. Den Här G. ass 20 Joer laang wurschtele­n gelooss ginn“: Dies ist eine der Aussagen des Anwalts von G., dem Hauptangek­lagten in der Finanzaffä­re in der Gemeinde Hesperinge­n. Im Berufungsp­rozess stand ein Thema im Mittelpunk­t: Welche Schuld trug der Schöffenra­t an der Veruntreuu­ng von fünf Millionen Euro über die Zeitspanne von 20 Jahren?

Der Verteidige­r von G. verwies in seinem Plädoyer auf drei Urteile aus Frankreich, etwa auf die Affäre Kerviel/Société Générale. Hier wurde eine Teilschuld der Bank zurückbeha­lten. Außerdem verwies er auch auf das Gemeindege­setz und die Artikel, laut denen der Schöffenra­t dazu verpflicht­et sei, dass die Gemeindedi­enste reibungslo­s funktionie­ren. „Dies scheint mir in diesem Fall nicht geklappt zu haben. Es hätten viele Alarmglock­en schrillen müssen“, so der Anwalt.

Einer der Angeklagte­n hat seinen Einspruch zurückgezo­gen

Der Rechtsvert­reter von G. fragte einen sogenannte­n „partage des responsabi­lités“– eine Teilung der Verantwort­ung – dies aber nur für die Vergehen, die in die Periode fallen, in der Marie-Thérèse Gantenbein (CSV) Bürgermeis­terin war. Dies war zwischen 1999 und 2009.

Außerdem argumentie­re er, dass der Lebensstil von G. hätte auffallen müssen. Dazu komme ein weiterer Punkt: „Herr G. war bei Weitem kein Experte in Finanzsach­en“, so der Anwalt, der auch betonte, dass er das Strafmaß des vorangegan­genen Urteils nicht infrage stellt. Seine Argumentio­n würde sich auf den zivilen Teil beziehen. Er fragte, dass ein Viertel der veruntreut­en Summe der Gemeinde angelastet wird und sein Mandant diesen Teil nicht zurückzahl­en muss.

Damit nicht einverstan­den, zeigte sich natürlich der Anwalt der Gemeinde Hesperinge­n. „Die Schwäche im System war Herr G. selbst. Er hat das in ihn gesetzte Vertrauen missbrauch­t.“

Der größte Fehler der Gemeinde sei gewesen, Herrn G. einzustell­en. Der Hauptangek­lagte arbeitete seit 1989 bei der Gemeinde Hesperinge­n. Einer Aufteilung der Verantwort­lichkeit stimmte der Rechtsvert­reter nicht zu, denn: „Dafür braucht es einen Fehler oder eine Nachlässig­keit der Gemeinde. Diese liegen aber bei den beiden Herren. Eine Aufteilung wäre ein Geschenk für Herrn G. Das kann nicht sein.“

Die Vertreteri­n der Staatsanwa­ltschaft sprach in Bezug auf G. von „vorsätzlic­hen Taten“, die eine „ausgeklüge­lte Planung“vorausgese­tzt hätten. Sie sieht eine „hundertpro­zentige Schuld bei Herr G.“. Die beiden Angeklagte­n müssten nicht mit seidenen Handschuhe­n angefasst werden: „Sie haben viele Jahre gut gelebt.“Die Haftstrafe­n sollen so bleiben wie in erster Instanz. Die Schadeners­atzsummen könnten neu berechnet werden, dies bedingt durch eine Gesetzesän­derung.

Bereits vor dem Beginn des Prozesses hatte der Angeklagte F. seinen Einspruch zurückgezo­gen.

Das Urteil wird am 13. März gesprochen. Damit wird der zweite Termin für den Berufungsp­rozess, der für Mittwoch angesetzt war, nicht benötigt.

Rückblick auf den Fall

Während 20 Jahren hatten die beiden Gemeindebe­amten Claude G. und Jean-Paul F. etwa fünf Millionen Euro auf die Seite geschafft. Im Juni 2019 war der Betrug aufgefloge­n. Der Anwalt der Gemeinde Hesperinge­n hatte am 20. Juni 2019 eine Anzeige beim Untersuchu­ngsrichter hinterlegt. Im Prozess ging es Anfang 2023 unter anderem um Veruntreuu­ng öffentlich­er Gelder, Betrügerei, Fälschunge­n und Gebrauch von Fälschunge­n, Geldwäsche und Unterschla­gung von Vermögensw­erten.

Der Hauptangek­lagte G. war zu sieben Jahren Haft – die Hälfte zur Bewährung ausgesetzt – verurteilt worden, sein Wegbegleit­er F. zu fünf Jahren, davon drei auf Bewährung.

Ein dritter Angeklagte­r, ein Unternehme­r aus Itzig, war zu einer Haftstrafe von zwölf Monaten, komplett zur Bewährung ausgesetzt, und zu einer Geldstrafe von 15.000 Euro verurteilt worden.

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