Die Schuldfrage steht im Mittelpunkt
Im Berufungsprozess zur Betrugsaffäre Hesperingen wird über mögliche Nachlässigkeiten der Gemeinde diskutiert. Das Urteil wird am 13. März gesprochen
„Wo ist das Geld hin? Das muss doch auffallen. Den Här G. ass 20 Joer laang wurschtelen gelooss ginn“: Dies ist eine der Aussagen des Anwalts von G., dem Hauptangeklagten in der Finanzaffäre in der Gemeinde Hesperingen. Im Berufungsprozess stand ein Thema im Mittelpunkt: Welche Schuld trug der Schöffenrat an der Veruntreuung von fünf Millionen Euro über die Zeitspanne von 20 Jahren?
Der Verteidiger von G. verwies in seinem Plädoyer auf drei Urteile aus Frankreich, etwa auf die Affäre Kerviel/Société Générale. Hier wurde eine Teilschuld der Bank zurückbehalten. Außerdem verwies er auch auf das Gemeindegesetz und die Artikel, laut denen der Schöffenrat dazu verpflichtet sei, dass die Gemeindedienste reibungslos funktionieren. „Dies scheint mir in diesem Fall nicht geklappt zu haben. Es hätten viele Alarmglocken schrillen müssen“, so der Anwalt.
Einer der Angeklagten hat seinen Einspruch zurückgezogen
Der Rechtsvertreter von G. fragte einen sogenannten „partage des responsabilités“– eine Teilung der Verantwortung – dies aber nur für die Vergehen, die in die Periode fallen, in der Marie-Thérèse Gantenbein (CSV) Bürgermeisterin war. Dies war zwischen 1999 und 2009.
Außerdem argumentiere er, dass der Lebensstil von G. hätte auffallen müssen. Dazu komme ein weiterer Punkt: „Herr G. war bei Weitem kein Experte in Finanzsachen“, so der Anwalt, der auch betonte, dass er das Strafmaß des vorangegangenen Urteils nicht infrage stellt. Seine Argumention würde sich auf den zivilen Teil beziehen. Er fragte, dass ein Viertel der veruntreuten Summe der Gemeinde angelastet wird und sein Mandant diesen Teil nicht zurückzahlen muss.
Damit nicht einverstanden, zeigte sich natürlich der Anwalt der Gemeinde Hesperingen. „Die Schwäche im System war Herr G. selbst. Er hat das in ihn gesetzte Vertrauen missbraucht.“
Der größte Fehler der Gemeinde sei gewesen, Herrn G. einzustellen. Der Hauptangeklagte arbeitete seit 1989 bei der Gemeinde Hesperingen. Einer Aufteilung der Verantwortlichkeit stimmte der Rechtsvertreter nicht zu, denn: „Dafür braucht es einen Fehler oder eine Nachlässigkeit der Gemeinde. Diese liegen aber bei den beiden Herren. Eine Aufteilung wäre ein Geschenk für Herrn G. Das kann nicht sein.“
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft sprach in Bezug auf G. von „vorsätzlichen Taten“, die eine „ausgeklügelte Planung“vorausgesetzt hätten. Sie sieht eine „hundertprozentige Schuld bei Herr G.“. Die beiden Angeklagten müssten nicht mit seidenen Handschuhen angefasst werden: „Sie haben viele Jahre gut gelebt.“Die Haftstrafen sollen so bleiben wie in erster Instanz. Die Schadenersatzsummen könnten neu berechnet werden, dies bedingt durch eine Gesetzesänderung.
Bereits vor dem Beginn des Prozesses hatte der Angeklagte F. seinen Einspruch zurückgezogen.
Das Urteil wird am 13. März gesprochen. Damit wird der zweite Termin für den Berufungsprozess, der für Mittwoch angesetzt war, nicht benötigt.
Rückblick auf den Fall
Während 20 Jahren hatten die beiden Gemeindebeamten Claude G. und Jean-Paul F. etwa fünf Millionen Euro auf die Seite geschafft. Im Juni 2019 war der Betrug aufgeflogen. Der Anwalt der Gemeinde Hesperingen hatte am 20. Juni 2019 eine Anzeige beim Untersuchungsrichter hinterlegt. Im Prozess ging es Anfang 2023 unter anderem um Veruntreuung öffentlicher Gelder, Betrügerei, Fälschungen und Gebrauch von Fälschungen, Geldwäsche und Unterschlagung von Vermögenswerten.
Der Hauptangeklagte G. war zu sieben Jahren Haft – die Hälfte zur Bewährung ausgesetzt – verurteilt worden, sein Wegbegleiter F. zu fünf Jahren, davon drei auf Bewährung.
Ein dritter Angeklagter, ein Unternehmer aus Itzig, war zu einer Haftstrafe von zwölf Monaten, komplett zur Bewährung ausgesetzt, und zu einer Geldstrafe von 15.000 Euro verurteilt worden.