Luxemburger Wort

„Steuersyst­em ist ungerecht und diskrimini­ert Alleinerzi­ehende“

Personen aus den Steuerklas­sen 1 und 1a werden im Vergleich zu Personen in der Klasse 2 benachteil­igt, finden zwei Petitionär­e, die ihr Anliegen gestern im Parlament vortrugen

- Von Michèle Gantenbein

Die Petition 2596 hat mit 10.809 Unterschri­ften eingeschla­gen wie eine Bombe. Sie fordert weniger Steuern für Junggesell­en. Tatsächlic­h aber geht es dem Autor der Petition, Ardacan Keten, nicht einzig darum, dass alleinlebe­nde Personen im Vergleich zu Paaren weniger Steuern bezahlen, sondern er forderte „ein gerechtere­s Steuersyst­em für alle Steuerzahl­er, das der gesellscha­ftlichen Entwicklun­g Rechnung trägt und in Einklang mit den Werten unserer modernen Gesellscha­ft steht“.

Mit seiner Petition rennt Ardacan Keten offene Türen ein, denn das Regierungs­programm sieht die Abschaffun­g der verschiede­nen Steuerklas­sen zugunsten einer einheitlic­hen Steuerklas­se vor. Bis 2026 will die Regierung, in diesem Fall Finanzmini­ster Gilles Roth (CSV), „im Konsens mit dem Parlament“, ein Modell vorlegen, wie eine solche Individual­besteuerun­g aussehen könnte.

„Ich kann aber nicht verspreche­n, dass die Reform bereits 2026 in Kraft treten wird“, erklärte Roth. Man könne nicht von einem Tag auf den anderen zu einem neuen Modell übergehen. Um im Einklang mit der Verfassung zu sein (Gleichheit der Bürger vor der Steuer und dem Gesetz), brauche es eine mehrjährig­e Übergangsp­hase, bevor man Haushalte aus der Steuerklas­se 2 und 1a in die einzige Steuerklas­se 1 überführe.

„Kinder sind Hauptopfer des Steuersyst­ems“

Die andere Petition (2620) erreichte 5.235 Unterschri­ften und fordert die Abschaffun­g der in den Neunzigerj­ahren eingeführt­e Steuerklas­se 1a, die Alleinerzi­ehende im Vergleich zu verheirate­ten Paaren mit Kindern benachteil­igte, um zu verhindern, dass Paare sich aus Steuergrün­den scheiden ließen.

Dieses Modell sei ungerecht und nicht mehr zeitgemäß, fand Autorin Maria Ramirez-Escano. Viele Alleinerzi­ehende riskierten, in eine prekäre Situation zu geraten. Darunter würden besonders Kinder leiden. „Die Kinder sind die Hauptopfer des Steuersyst­ems.“

Das aktuelle Steuersyst­em fördere nicht nur Ungerechti­gkeiten und verstoße gegen die Rechte der Kinder, „die vor dem Gesetz gleich sein sollten“, sondern diskrimini­ere darüber hinaus alleinerzi­ehende Eltern. Im aktuellen Krisenkont­ext sei es unvertretb­ar, Familien je nach Status unterschie­dlich zu besteuern.

Maria Ramirez-Escano forderte die Abschaffun­g der Steuerklas­se 1a zugunsten eines

Systems, „das jedes Familienmo­dell gleichstel­lt und der Anzahl der Kinder im Haushalt Rechnung trägt. Die Steuerpoli­tik kann und muss Bestandtei­l einer Gesamtstra­tegie im Kampf gegen Kinderarmu­t sein“, so die Petitionär­in.

„Die Würde im Alter erhalten“

Viviane Hansen-Adams brach eine Lanze für Witwen und Witwer, die drei Jahre nach dem Tod des Ehepartner­s ebenfalls in die Steuerklas­se 1a rutschen. Viele Witwen und Witwer seien im Alter von ihren Kindern oder vom Staat abhängig, um sich ein Altersheim

Diese Menschen haben gearbeitet und es bricht ihnen das Herz, von anderen abhängig zu sein. Viviane Hansen-Adams

leisten zu können. „Diese Menschen haben gearbeitet und es bricht ihnen das Herz, von anderen abhängig zu sein“, so Viviane HansenAdam­s. „Es geht darum, die Würde im Alter zu erhalten.“

Seitens der Abgeordnet­en wurde erwähnt, dass die vorige Regierung Maßnahmen (kostenlose Schulbüche­r, kostenlose Kinderbetr­euung, Kindergeld­reform) ergriffen habe, um Familien mit Kindern gezielt zu unterstütz­en. Das sei alles richtig, meinte die Petitionär­in. „Aber es reicht nicht, vor allem bei Alleinerzi­ehenden mit geringem Einkommen nicht.“

Stéphanie Ravat fügte hinzu, dass diese Maßnahmen für alle Familien gelten. „Das kompensier­t also nicht die Unterschie­de bei der Besteuerun­g von Familien mit zwei Elternteil­en und alleinerzi­ehenden Familien. Wir fordern die Steuerklas­se 2 für alle Familien und dass der Anzahl der Kinder Rechnung getragen wird“, so Ravat.

Alle Steuerpfli­chtigen der Steuerklas­se 2 zuzuführen, würde den Staat jährlich 1,9 Milliarden Euro kosten und sei budgetär nicht zu bewältigen, machte Finanzmini­ster Gilles Roth bereits während der ersten Anhörung über die Steuerklas­se 1 klar. Er verwies in der zweiten Anhörung erneut auf die geplante Reform des Steuersyst­ems hin zur Individual­besteuerun­g sowie auf die im Koalitions­programm vorgesehen­en Steuererle­ichterunge­n in der Steuerklas­se 1a ab dem 1. Januar 2025. Des Weiteren stellte er eine erneute Anpassung der Steuertabe­lle an die Inflation in Aussicht, sollte die budgetäre Situation es erlauben.

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