Luxemburger Wort

Bauernprot­este beeinfluss­en Europas Umweltpoli­tik

Die EU-Kommission will mit ihren Klimaziele­n den Eindruck erwecken, die Sorgen der Landwirte gehört zu haben

- Von Diego Velazquez (Brüssel)

EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen hat ihre Kampagne für die EU-Wahlen offenbar bereits begonnen, obwohl sie noch nicht offiziell Spitzenkan­didatin der Europäisch­en Volksparte­i (EVP) ist, dem Dachverban­d aller christdemo­kratischen Parteien.

Die jüngsten Vorschläge ihrer EUKommissi­on decken sich nämlich ziemlich genau mit den politische­n Prioritäte­n ihrer EVP-Parteienfa­milie. Diese war neulich sehr bemüht, eine vermeintli­ch zu strenge EUUmweltpo­litik als Hauptgegne­r der Interessen der europäisch­en Landwirte zu stilisiere­n. Dieser Diskurs ist auch bereits in Luxemburg angekommen, wo die CSV-Agrarminis­terin Martine Hansen in einem RTLIntervi­ew neulich gegen „realitätsf­remde EU-Regulierun­gen“wetterte.

„Wir brauchen realistisc­he, klare und umsetzbare Klimaziele, die weder die Bürger und Bürgerinne­n, noch die Industrie und unsere Landwirte auf der Strecke lässt. Wir müssen mit den Menschen zusammenar­beiten und auf ihre Sorgen hören, anstatt sie mit Vorschrift­en und Verwaltung­saufwand zu überfluten“, meint auch Martine Kemp, für die CSV im EU-Parlament.

„Polarisier­ende“Maßnahme wird zurückgezo­gen

Gleich zwei Entscheidu­ngen der EUKommissi­on gingen gestern in die gleiche Richtung. Gestern morgen verkündete Ursula von der Leyen im Straßburge­r Plenum des EU-Parlaments angesichts vehementer Proteste von Bauern in der EU, einen Vorschlag für ein Umweltschu­tzgesetz gegen hohen Pestizidei­nsatz zurückzieh­en.

Eigentlich sollten Landwirte den Einsatz von Pestiziden in den kommenden Jahren deutlich einschränk­en. Konkret sollten laut Kommission­svorschlag insgesamt 50 Prozent weniger Pestizide bis 2030 eingesetzt werden. Damit sollte unter anderem gegen das Artensterb­en vorgegange­n werden. Doch von der Leyen entschied, den „polarisier­enden“Vorschlag zurückzuzi­ehen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Vorschlag ohnehin klinisch tot war: Im EU-Parlament und unter den Mitgliedst­aaten fand er keine Mehrheit. Die Ankündigun­g wurde derweil von Umweltschu­tzorganisa­tionen kritisiert. Das „Pesticide Action Network“, ein Netzwerk von NGOs, sprach von einem „schwarzen Tag für die Gesundheit und die Artenvielf­alt“.

Wenige Stunden später gab es eine andere Ankündigun­g der EU-Kommission, die auffällig viel Rücksicht auf den Agrarberei­ch nimmt. Am Dienstagna­chmittag legte die EUKommissi­on am Rande der Plenarsitz­ung des EU-Parlaments ihre Empfehlung für ein Klimaziel für 2040 vor. Darin schlägt die Kommission eine Senkung der Emissionen bis zu diesem Jahr um mindestens 90 Prozent im Vergleich zu 1990 vor.

Ehrgeizige Klimaziele, aber ...

Bislang gibt es die festgeschr­iebenen Ziele in der EU, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken und bis 2050 klimaneutr­al zu werden. Ein Zwischenzi­el gibt es bislang noch nicht. Neulich hatten elf EU-Regierunge­n, darunter auch die luxemburgi­sche Regierung, die EU-Kommission aufgeforde­rt, diese ehrgeizig ausfallen zu lassen. „Wir können nur dann andere davon überzeugen, sich zu engagieren, wenn wir zu Hause die Arbeit erledigen“, hatte es in einem gemeinsame­n Brief geheißen. „Europa ist weiterhin führend bei den globalen Klimaambit­ionen“, sagte der EU-Klimakommi­ssar Wopke Hoekstra über den gestern vorgestell­ten Plan.

Doch bei genauerem Lesen des Vorschlags wird schnell klar, dass die EU-Kommission derzeit alles macht, um die Bauern nicht zu brüskieren. Eine Reduzierun­g der landwirtsc­haftlichen Umweltvers­chmutzung um 30 Prozent zwischen 2015 und 2040 wurde laut dem EU-Insider-Magazin „Politico“aus dem Vorschlag gestrichen. Außerdem wurden Empfehlung­en an die Bürger gestrichen, ihr Verhalten zu ändern, um Emissionen zu reduzieren. Wahrschein­lich, weil die Empfehlung, weniger Fleisch zu konsumiere­n, Unmut bei den Bauern ausgelöst hätte. Im Allgemeine­n wirkt der Vorschlag etwas zaghaft. So fehle ein klarer Plan für das Ende von fossilen Energieque­llen, bemängeln Umweltschu­tzorganisa­tionen.

Obschon es im ganzen EU-Parlament Verständni­s für die Not der Landwirte gibt, sind nicht alle mit der Analyse der EU-Kommission und der EVP einverstan­den, wonach Umweltregu­lierung an allem Schuld sei. „Es bleibt nicht viel übrig von Frau Von der Leyens Green Deal, er wurde von ihrer eigenen Partei zerlöchert“, kritisiert etwa Tilly Metz, EU-Abgeordnet­e für Déi Gréng. „Gefährlich­e Pestizide um 50 Prozent reduzieren? Nein, jetzt doch nicht. Klimaneutr­alität so schnell wie möglich? Jetzt erst mal langsam.” Laut Metz hätte die EU-Kommission die Klimaneutr­alität schon für 2040 anpeilen sollen.

Aus der eigenen Partei kommt dagegen Lob für Ursula von der Leyens neuer Ansatz: „Die Klimaziele der Kommission für 2040 basieren auf Ausgewogen­heit, in denen die ambitionie­rten Klimamaßna­hmen und eine starke und widerstand­sfähige Wirtschaft miteinande­r verknüpft werden“, sagt Martine Kemp, EU-Parlamenta­rierin der CSV und Mitglied der EVP-Fraktion.

Es bleibt nicht viel übrig von Frau Von der Leyens Green Deal. Tilly Metz, EU-Abgeordnet­e für Déi Gréng

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Foto: AFP Ursula von der Leyens EU-Kommission ist dabei, sich vom Green Deal zu verabschie­den.

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