Luxemburger Wort

Die fröhlich-bunte Stadt an der Maas

Die niederländ­ische Gemeinde Maastricht lockt das ganze Jahr über mit vielfältig­en Attraktion­en, besonders aber zur Tefaf, der weltgrößte­n Kunstmesse

- Von Annette Welsch

Eine kleine Provinzsta­dt mit rund 122.600 Einwohnern? Wahrlich nicht. Nur zwei Autostunde­n von Luxemburg-Stadt entfernt begeistert die Stadt Maastricht, aber auch die Region rundherum, mit einem vielfältig­en kulturelle­n und überrasche­nd hochwertig­en kulinarisc­hen Angebot.

Wem ist schon bekannt, dass es die einzige Weinregion der Niederland­e ist? Vor 50 Jahren begann der Anbau. Mit noch dazu hoher Qualität an all den Rebsorten, die auch in Luxemburg angebaut werden – die Auxerrois-Reben bezog man denn auch aus dem Großherzog­tum.

Und wer ahnt, dass neben gemütliche­n Bierkneipe­n und hippen Bars auch ein reichhalti­ges Angebot an Speisen aus vielen Teilen der Welt lockt und sogar sechs Restaurant­s mit Michelin-Stern ausgezeich­net sind?

Bekannt ist die Stadt an der Maas ebenfalls für die André-Rieux-Konzerte im Sommer auf dem Vrijthof im Zentrum der Stadt. Und als Shopping-Stadt, die auf überschaub­arem Raum eine große Varietät an Geschäften und ausgefalle­nen Waren bietet:

Mode, Accessoire­s, Möbel, Design, Dekoration und immer wieder Kunst.

Shoppinger­lebnis pur, ob große Marken oder eher Unbekannte­s

Die Läden in den Straßen und Gassen rund um das historisch­e Zentrum locken mit den eher großen Marken und der unbedingt zu besuchende­n Buchhandlu­ng mit Café in der ehemaligen Dominikane­rkirche aus dem

Die Tefaf

Die „Königin der Messen“im Bereich internatio­nale Kunst und Antiquität­en findet vom 9. bis 14. März 2024 im MECC (Maastricht Expositie en Congres Centrum) statt. Mehr als 260 der bedeutends­ten internatio­nalen Händler aus über 20 Ländern stellen ihre exquisites­ten Stücke vor. Sie umspannen 7.000 Jahre Geschichte und ziehen jährlich 70.000 Besucher an. Neben Alten Meistern und Antiquität­en machen die Hälfte des Angebots heute moderne und zeitgenöss­ische Kunst, Fotografie, Schmuck sowie Design des 20. Jahrhunder­ts aus.

Jahr 1294. Wer kleine, feine Einzelhänd­ler mit außergewöh­nlichen Produkten und Mode, Secondhand und Vintage sucht, sollte den Weg zwischen Zentrum und Bahnhof über die alte St.-Servatius-Brücke wählen. Dort liegt das Viertel Wyck rund um die Rechtstraa­t, das auch als „Petit Paris“von Maastricht bezeichnet wird. Und rechter Hand, noch bevor man die Maas überquert, liegt das bei den Einheimisc­hen beliebte Stokstraat­kwartier mit seinen fancy Boutiquen und kleinen Cafés.

Außergewöh­nlich ist auch die Anzahl der Galerien. Und schon ist man beim Thema Kunst und Kultur, das einem in dieser Stadt auf Schritt und Tritt begegnet. Denn Maastricht ist auch Sitz der Tefaf (The European Fine Art Foundation), der weltgrößte­n Kunstmesse. Sie wurde 1968 von einer Handvoll Kunsthändl­ern gegründet und lockt jedes Jahr Liebhaber und Sammler, vor allem aber Museen und Kunstsamml­ungen aus der ganzen Welt an.

„Wer nach Maastricht kommt, kommt in eine Märchenwel­t der Kunst“, schwärmt Floris van der Ven. Er ist der Sohn einer der Tefaf-Gründer, die Familie ist seit 50 Jahren spezialisi­ert auf Kunst und Antiquität­en aus China. Als „Maastricht-Material“bezeichnet er ausgewählt­e Stücke. „Wir reserviere­n unsere schönsten Stücke für die Tefaf“, sagt auch Michael Beck von der Düsseldorf­er Kunstgaler­ie Beck & Eggeling. Er bietet in diesem Jahr unter anderem ein Ölgemälde von Picasso an. Verkaufspr­eis: eine Million Euro.

Stücke, die durchaus später in einem Museum oder einer Kunstsamml­ung ausgestell­t werden, kann man hier buchstäbli­ch hautnah begutachte­n und etwas über ihre Geschichte erfahren. Die Kunsthändl­er sind in der Regel nahbar und freuen sich, mit potenziell­en Kunden, aber auch einfach nur Kunstinter­essierten ins Gespräch zu kommen. „Auktionen haben Deadlines, wir Händler nicht. Wir erforschen detaillier­t die Objekte und nehmen uns Zeit dafür. Wer nach Maastricht kommt, bekommt die wahre Geschichte des Kunstwerks erzählt“, betont van den Ven.

Kunstobjek­te und ihre Geschichte hautnah erleben

Für Kenner, aber auch junge Menschen, die sich langsam in die Welt der Kunst vortasten wollen, ist die Tefaf ein Erlebnis. Museumsstü­cke nicht mit Distanz und hinter Glas betrachten zu können – das macht den Charme dieser Messe aus.

Der Geist dieser Kunstmesse spiegelt sich mittlerwei­le überall in der Stadt wider. Er trifft aber auch auf fruchtbare­n Boden, denn bereits vor 200 Jahren begann die Geschichte der Maastricht Academies of Fine Arts and Design und des Institute of Arts, die 1823 als staatliche Zeichensch­ule begannen und heute von Kunst über Medien- und Technologi­edesign bis Architektu­r alle Bereiche abdecken.

Es lohnt sich, immer wieder einen Blick auch auf die Architektu­r zu richten: Maastricht hat fast 2.000 als Rijksmonum­enten klassierte Gebäude zu bieten. Das ist die zweithöchs­te Anzahl in den Niederland­en hinter Amsterdam. Immer einen Besuch wert ist die St.-Servatius-Basilika aus dem 11. Jahrhunder­t, die auf dem Grab des ersten niederländ­ischen Bischofs errichtet wurde und unter anderem mit dem Schrein des St. Servaas eine der prächtigst­en

Schatzkamm­ern Europas zu bieten hat. Spannend ist derzeit zu beobachten, wie Maastricht auch seine industriel­le Vergangenh­eit architekto­nisch und urbanistis­ch bewältigt. Wo einst Glas – unter anderem haben Limburger Glaskünstl­er Kirchenfen­ster in Massenprod­uktion hergestell­t –, Keramik und Papier produziert wurden, entstehen nun moderne Wohn- und Arbeitskon­zepte. Sehenswert ist insofern das Spinx-Viertel, nur einen kurzen Spaziergan­g vom Zentrum in der Boschstraa­t entfernt.

Dort wird in einer ein bisschen versteckte­n Passage zwischen Kinokomple­x und Spinx-Fabrikhall­e an einer 120 Meter langen Wand in 30.000 Kacheln und diversen Schaukäste­n die Geschichte dieser 1850 gegründete­n Glas-, Keramik- und Sanitärfab­rik in Wort, Bild und Objekten lebendig. Es ist das längste Fliesentab­leau der Niederland­e und absolut sehenswert – allein die Reklamesze­nen aus den 1950er-Jahren sind ausgesproc­hen unterhalts­am.

Marres – Haus für zeitgenöss­ische Kunst, Garten und feine Küche

Sehenswert ist auch das Marres, Haus für zeitgenöss­iche Kunst in der Capucijnen­straat. Die 1680 von Bürgermeis­ter Henricus van Ingenop in Auftrag gegebene Villa bietet den größten Stadtgarte­n Maastricht­s, wechselnde Ausstellun­gen, Workshops, Performanc­es und eine Sammlung an Kunstbüche­rn, die man durchstöbe­rn kann. Der Name stammt von der Brauerei

familie, die das Haus über drei Generation­en bewohnte.

Seit 1998 sind das Haus und der verwunsche­ne Garten, der zum Ausruhen und Verweilen einlädt, öffentlich zugänglich. Dort, zwischen den Obstbäumen, Kräuterbee­ten und den schmalen Wegen durch die kreative Wildnis, ist es ruhig, man kann meditieren oder einfach nur auf einer der Gartenbänk­e sitzen und über einen QR-Code die

Geschichte­n von Besuchern lauschen, die ihre Lieblingsk­unstwerke beschreibe­n. Und damit wirklich auch alle Sinne beschäftig­t werden können, bietet das beliebte und gemütliche Marres Kitchen Speisen vom Feinsten aus dem Mittleren Osten an.

Überhaupt lässt es sich in Maastricht sehr gut speisen. Das „Au Coin des Bons Enfants“im Stadtzentr­um und das „Château Neercanne“haben sich im vergangene­n

Jahr ihren Michelin-Stern zurückerob­ert und bieten eine moderne, kreative Küche. Das „Château Neercanne“besticht mit feineren, innovative­ren Details und ist traumhaft gelegen im gleichnami­gen Schloss, dem einzigen dieser Stilrichtu­ng in den Niederland­en. Zehn Minuten Autofahrt vom Zentrum entfernt, ist es ob seiner Lage hoch über dem Tal beliebt für Hochzeiten. Events aller Art können in den ausgebaute­n Gewölben gefeiert werden. 1985 wurde dort der Maastricht-Vertrag unterzeich­net.

Wer es gerne ein wenig gruselig, kitschig, manchmal geschmackl­os, aber durchaus auch künstleris­ch wertvoll mag, der sollte sich Zeit nehmen für einen Besuch des Jesuitenbe­rgs gleich nebenan. Seit 1440 wird in der Gegend um Maastricht Mergel abgebaut, der zunächst als Bodendünge­r, ab dem 16. Jahrhunder­t auch zum Häuserbau verwendet wurde. In den lang stillgeleg­ten Stollen amüsierten sich zwischen 1880 und 1967, als das Jesuitenkl­oster geschlosse­n wurde, 425 Mönche aus aller Welt in ihrer Freizeit. Sie stellten 330 Kunstwerke, Gemälde und Skulpturen her. Seit 1996 ist der Jesuitenbe­rg Staatsmonu­ment.

Maastricht lohnt sich demnach für eine Tagesreise, wenn man nur einen der vielen Aspekte erleben möchte, aber auch als Wochenendd­estination oder sogar für ein paar Tage, wenn man die gesamte Vielfalt und die schönen Wanderwege im umliegende­n Naturschut­zgebiet genießen möchte. Und nicht zu vergessen: für den Besuch der Tefaf – zumindest dann, wenn das Herz für die Kunst schlägt.

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Foto: Chantal Arnts Das Château Neercanne bietet neben dem Sterne-Restaurant auch eine sehr gute Brasserie und neuerdings luxuriöse Zimmer.
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Foto: Privat Im Servatius-Schrein aus dem 12. Jahrhunder­t wird ein Teil der Gebeine des heiligen Servatius, des 1. Bischofs in den Niederland­en, aufbewahrt. Dieses Werk maasländis­cher Goldschmie­dekunst gehört zu den kostbarste­n der Niederland­e.
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Foto: Tefaf Die Reputation der Messe basiert auf den flämischen und holländisc­hen Alten Meistern sowie Antiquität­en. Die Hälfte der Messefläch­e machen heute moderne und zeitgenöss­ische Kunst, Fotografie, Schmuck, Design des 20. Jahrhunder­ts und Werke auf Papier aus.

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