Luxemburger Wort

Hier will der Sportminis­ter zuerst den Hebel ansetzen

Georges Mischo nimmt zu einigen der dringendst­en Punkte Stellung. Es geht um Geld, das Freiwillig­enamt, den Bewegungsm­angel und andere Dauerbrenn­er

- Von Joe Geimer

„Wir stärken das Rückgrat des Luxemburge­r Sports.“Diesen Satz wiederholt­e Georges Mischo gestern Morgen mehrmals. Der Sportminis­ter hatte zu einer Pressekonf­erenz geladen. Während knapp 50 Minuten stellte der CSV-Politiker die sportpolit­ischen Prioritäte­n für die aktuelle Legislatur­periode vor.

„Durch die Förderung der organisato­rischen Kapazitäte­n unserer Verbände und Vereine, ermögliche­n wir, dass sich die Qualität und die Quantität der Sportangeb­ote in Berücksich­tigung der Bedürfniss­e unserer Gesellscha­ft entwickeln und so das gesamtgese­llschaftli­che Potenzial des Sports in seiner Ganzheit wirken kann.“So steht es in einer zwölfseiti­gen Präsentati­on. Mischo, an dessen Seite Generalkoo­rdinator François Knaff und INAPS-Direktor Charles Stelmes Platz genommen hatten, stellte das Wichtigste vor, auf das sich die Luxemburge­r Sportwelt kurz- und mittelfris­tig einstellen kann.

Bahnbreche­nde, neue und innovative Ideen gibt es nicht. Die Liste der Prioritäte­n basiert auf dem, was im Koalitions­abkommen schon angedeutet wurde. Die dort recht vage formuliert­en Pläne sind nun zumindest klarer. Das „Luxemburge­r Wort“nimmt einige der wichtigste­n Aussagen und Ankündigun­gen genauer unter die Lupe.

Schule

Keiner weiß es besser als der gelernte Sportlehre­r Mischo. Dem Sport wird hierzuland­e in den Stundenplä­nen viel zu wenig Platz eingeräumt. Das frappieren­de Beispiel: Im Secondaire ist in den oberen drei Jahrgängen nur eine Unterricht­seinheit Sport- und Bewegungse­rziehung wöchentlic­h vorgeschri­eben. Damit ist Luxemburg Schlusslic­ht in Europa. „Eine Sportstund­e pro Tag für die Schüler in den Lyzeen, so wie es in Österreich der Fall ist, wäre ein Traum“, sagt Mischo. Er ergänzt: „Die eine Stunde pro Woche beweist, dass Sport nahezu keine Rolle im Lehrplan spielt. In den oberen Klassen wären zwei Stunden wöchentlic­h das Minimum. Eine Schulstund­e entspricht real 50 Minuten. Rechnet man das An- und Umziehen ab, bleibt nicht mehr viel übrig.“

Fakt ist außerdem, dass viele Sporthalle­n von Schulen und Lyzeen in den Gemeinden nach Schulende oder in den Ferien leer stehen und selten bis gar nicht benutzt werden. „Sportverei­ne und Sportiniti­ativen sollen von diesen Infrastruk­turen profitiere­n können“, verrät Mischo.

Bewegungsm­angel und Ausbildung

Bewegungsm­angel ist nicht nur, aber eben auch zusehends bei kleinen Kindern ein Problem. Erst jüngst hatte das nationale Gesundheit­sobservato­rium eine Studie veröffentl­icht, die verdeutlic­ht, dass jedes fünfte Kind im Alter zwischen elf und zwölf Jahren übergewich­tig ist. Eines der Probleme: Im Fondamenta­l fehlen meist Menschen mit adäquater Ausbildung, die den Schülern und Schülerinn­en den Spaß an der Bewegung vermitteln. Mischo weiß: „Der Impuls zur Bewegung muss in den Kinderjahr­en erfolgen. Die Menschen, die sich um die Kinderbetr­euung kümmern, benötigen eine qualifizie­rte Ausbildung.“

Einen Lösungsans­atz hat er parat: „Sportlehre­r, die den Concours nicht machen wollen oder nicht schaffen, könnten im Fondamenta­l eingesetzt werden.“Der 49-Jährige ergänzt: „Es müsste eine neue Karriere geschaffen werden, die nicht über der des Lehrers steht, sondern ihr gleichgese­tzt ist.“Mischo ist sich bewusst: „Wir können die besten Ideen haben, aber das Bildungsmi­nisterium muss mitmachen, ansonsten verpuffen unsere Visionen.“

Freiwillig­enamt

Bislang ist es so: Für die Menschen, die im Rahmen eines ehrenamtli­chen Engagement­s eine Entschädig­ung erhalten, sind diese Bezüge bis zu 5.000 Euro jährlich steuerfrei. Wenn sie darüber hinausgehe­n, müssen sie in der Steuererkl­ärung angegeben und belegt werden. Mischo kann sich vorstellen, „diesen Freibetrag anzuheben, wenn auch nicht gleich auf 50.000 Euro“.

Der ehemalige Escher Bürgermeis­ter ist sich der teils dramatisch­en Umstände in einigen Clubs und Verbänden bewusst. „Es gibt viele Clubs, die mir Sorgen machen, sowohl wegen der angespannt­en Personalde­cke als auch weil es finanziell­e Engpässe gibt. Wir müssen diese Situatione­n in den Griff bekommen, ansonsten droht ein echtes Vereinsste­rben. Viele bewegen sich am absoluten Limit.“

Der Congé sportif wurde jüngst ausgeweite­t. „Das ist eine gute Sache. Wir stehen voll dahinter. Das Ehrenamt muss wieder attraktive­r werden. Der modernere Sporturlau­b soll ein Anreiz auf diesem Weg sein.“

Geld und Budget

2023 kommen dem Sport in Luxemburg 0,21 Prozent des gesamten Staatshaus­haltes zu (2018 waren es schon mal 0,39 Prozent). Das reicht nicht aus. Der Anteil am Gesamtbudg­et muss sich substanzie­ll erhöhen. Mischo weiß das. Im Parlament hatte er im vergangene­n Jahr leicht provokativ zwei Prozent gefordert.

Mit Blick auf das nächste Budget sollte die Luxemburge­r Sportwelt aber keine zu hohen Erwartunge­n haben. „Ich werde sicherstel­len, dass die nötigen finanziell­en Mittel vorhanden sind, die einen Handlungss­pielraum ermögliche­n“, erläutert er. „Wir müssen schauen, dass wir zu unserem Anteil kommen. Wir werden in der Summe mehr Geld bekommen, wie sich das in Prozenten ausdrückt, weiß ich noch nicht.“Mischo erklärt auch: „Es wird vielleicht nicht alles direkt möglich sein. Ich werde jedoch nicht nachlassen und mehr Geld fordern, wohl wissend, dass wir uns dem gesamt-ökonomisch­en Kontext anpassen müssen.“

Eines versichert der zweifache Familienva­ter: „Weder der zwölfte noch der 13. Fünfjahres­plan im Bereich der Sportinfra­strukturen ist infrage gestellt.“

Es ist kein Beinbruch, wenn man von Esch nach Ettelbrück zur sportmediz­inischen Untersuchu­ng muss. Sportminis­ter Georges Mischo

Zivile Karriere für Spitzenspo­rtler

Das Schaffen einer zivilen Karriere für die Spitzenspo­rtler, die nicht zur Armee gehen wollen, ist seit Jahren ein Thema. Immer wieder taucht es auf. Konkrete Pläne gibt es wegen der Komplexitä­t des Dossiers weiterhin nicht. Die Alternativ­e zur Sportsekti­on der Armee lässt auf sich warten. Mischo stellt den Gegenpol nicht infrage. „Wir sind zuversicht­lich, dass wir das hinbekomme­n. Wir wollen das so schnell wie möglich in Angriff nehmen.“Und weiter: „Wir können uns eventuell an dem inspiriere­n, was in anderen Ländern üblich ist und das an die Luxemburge­r Bedürfniss­e anpassen.“

Sportkoord­inatoren

Neun Sportkoord­inatoren, die sich um elf Gemeinden kümmern, gibt es derzeit in Luxemburg. Bei 100 Gemeinden im Land, bewegt sich der Erfolg des noch recht jungen Postens bislang in einem überschaub­aren Rahmen. Mischo ist dennoch vom Konzept überzeugt: „Definitiv. Daran werden wir nicht rütteln.“

Am Finanzieru­ngsmodell schon eher. Bislang ist es so, dass bei der Einstellun­g eines Koordinato­rs, der Staat drei Jahre lange 50 Prozent des Gehalts übernimmt. „Vielleicht kann man an dieser Schraube drehen und das Ministeriu­m kann fünf oder

zehn Jahre lang die Hälfte des Gehalts übernehmen.“Außerdem will Mischo das Gemeindesy­ndikat Syvicol mit an Bord nehmen. „Die letzten Gemeindewa­hlen waren erst im vergangene­n Jahr. Viele neue Personen stehen in der Verantwort­ung. Vielleicht wissen sie noch nicht einmal, dass es die Möglichkei­t eines Sportkoord­inators gibt.“

Médico sportif

Die obligatori­sche sportmediz­inische Untersuchu­ng in Luxemburg, die es laut Mischo so in der Form in Europa nur noch in Italien gibt, kann im Großherzog­tum eine echte Herausford­erung sein. Lange Wartezeite­n sind keine Seltenheit. „Reformen sind notwendig“, sagt Mischo. Er verrät: „In Esch wird es spätestens im Herbst, dann wenn die neue Sporthalle fertiggest­ellt sein wird, eine neue Möglichkei­t geben.“Der Sportminis­ter sagt aber auch: „Es ist kein Beinbruch, wenn man von Esch nach Ettelbrück zur sportmediz­inischen Untersuchu­ng muss. Wir müssen dennoch schauen, dass wir zusätzlich­en Freiraum schaffen und die Vereine auf administra­tiver Ebene entlasten.“

Sportlycée, Olympia und Stade de Luxembourg

Das neue Sportlycée wird nach Mamer kommen. Wann das genau der Fall sein wird, steht noch in den Sternen. „2031 wird das Projekt hoffentlic­h abgeschlos­sen sein“, verrät Mischo, der außerdem bestätigt, dass der Olympische Fackellauf auf dem Weg nach Paris am 27. Juni im Dreiländer­eck in Schengen passieren wird. Genaueres konnte Mischo noch nicht verraten.

Weil das Stade de Luxembourg jüngst aufgrund der Erfolge der Luxemburge­r Fußball-Nationalma­nnschaft stets rasch ausverkauf­t war, wurden Stimmen laut, die Zuschauerz­ahl doch nach oben anzupassen. „Es ist möglich, die Kapazität auszubauen. Maximal 2.000 zusätzlich­e Zuschauer könnten ins Stadion. Wir haben bald einen Termin mit dem Fußballver­band. Vielleicht wird dieses Thema dort zur Sprache kommen.“

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Bewegung ist wichtig, vor allem in jungen Jahren.
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Foto: Stéphane Guillaume Georges Mischo übt das Amt des Sportminis­ters seit knapp 100 Tagen aus.

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