Luxemburger Wort

EU-Parlament stimmt für Gentechnik-Lockerunge­n

Die europäisch­e Volksvertr­etung will bestimmte erbgutverä­nderte Pflanzen von den EU-Regeln ausnehmen – allerdings mit Vorbehalte­n

- Von Diego Velazquez (Brüssel)

Das EU-Parlament hat gestern mit 307 zu 263 Stimmen seine Verhandlun­gsposition zum Vorschlag der EU-Kommission zu neuen genomische­n Techniken (NGT) angenommen. Dabei geht es um Pflanzen, die mithilfe neuer genomische­r Techniken gewonnen wurden – sogenannte NGT-Pflanzen. Für diese gelten derzeit dieselben Regeln wie für alle genetisch veränderte­n Organismen (GVO). Der Vorschlag der EU-Kommission zielt darauf ab, diese Regeln für verschiede­ne NGT-Pflanzen zu lockern.

Mit dem Vorschlag verspricht die Brüsseler Behörde den Massenverb­rauch von Nutzpflanz­en, die einen geringeren Einsatz von Pestiziden benötigen und sich Dürreperio­den besser anpassen. Dadurch soll die Wettbewerb­sfähigkeit der europäisch­en Landwirtsc­haft gesteigert werden.

„Zugänglich­e und erschwingl­iche Pflanzen, die mithilfe von NGTs gewonnen werden, können Landwirte unterstütz­en, zur Diversifiz­ierung unseres Lebensmitt­elsystems beitragen, die Wettbewerb­sfähigkeit steigern und den Forderunge­n der Verbrauche­r nach nährstoffr­eicheren und nachhaltig­eren Produkten gerecht werden“, so die EU-Gesundheit­skommissar­in Stella Kyriakides.

Der Vorschlag will demnach den Einsatz von Verfahren wie der Crispr/CasGensche­re erleichter­n. Das Verfahren, das auch als neue Gentechnik (NGT) bezeichnet wird, ist in der Lage, Eingriffe in das Erbgut präzise durchzufüh­ren. Dabei wird die DNA an einer bestimmten Stelle durchtrenn­t, sodass Gene ausgeschal­tet oder an der Schnittste­lle neue Abschnitte eingefügt werden können. Bei der klassische­n Gentechnik ist es dagegen dem Zufall überlassen, an welcher Stelle und wie häufig sich das gewünschte Gen in das Genom einfügt.

Die Kommission teilt die NGT-Pflanzen in zwei Kategorien ein. Jene Pflanzen aus der ersten Kategorie dürfen keine artfremden Erbanlagen enthalten. An ihnen dürfen maximal 20 genetische Veränderun­gen stattgefun­den haben. „Solche Veränderun­gen könnten auch auf natürliche­m Wege und durch konvention­elle Züchtung erreicht werden“, so Martine Kemp, EU-Abgeordnet­e für die CSV. Allerdings hilft die NGT-Technik dabei, Zeit zu gewinnen, so Kemp weiter.

Für diese Pflanzen sollen die Regeln deutlich gelockert werden. Für den Rest (Kategorie zwei) gelten die meisten GVO-Vorschrift­en auch in Zukunft. Die GVO-Rechtsvors­chriften der EU zählen zu den strengsten der Welt – unter anderem was Zulassungs­verfahren und Kennzeichn­ungspflich­t angeht.

Mehr Transparen­z im Supermarkt

Das EU-Parlament hat den Vorschlag in seinen groben Linien mehrheitli­ch angenommen. Allerdings wünscht sich die europäisch­e Volksvertr­etung einige zusätzlich­e Transparen­zmaßnahmen für die Pflanzen aus der Kategorie eins. Besonders Endverbrau­cher sollen dadurch geschützt werden.

„Wer keine Gentechnik auf dem Teller will, soll diese auch im Supermarkt erkennen können. Wider aller Erwartunge­n ist uns eine knappe Mehrheit der Abgeordnet­en wenigstens auf dem Punkt der Transparen­z gefolgt: Alle mit neuen genetische­n Methoden modifizier­ten Pflanzen sollen als solche gekennzeic­hnet sein“, sagt etwa Tilly Metz, EU-Abgeordnet­e für Déi Gréng. „Auch in Bezug auf die Rückverfol­gbarkeit und Rückrufbar­keit konnten wir uns gegen die konservati­ve Berichters­tatterin durchsetze­n.“

Die Abgeordnet­en sprachen sich auch dafür aus, NGT-Pflanzen in der biologisch­en Produktion weiterhin zu verbieten. Man müsse erst prüfen, ob sie mit deren Grundsätze­n vereinbar sind.

Tilly Metz’ grüne Fraktion stand dem Vorhaben grundsätzl­ich kritisch gegenüber. Doch auch jenseits der Grünen gab es Skepsis, was das knappe Resultat erklärt. Die CSV-Politikeri­n Martine Kemp enthielt sich bei der Abstimmung. Vor allem, weil die Position des Parlaments keine Nichtbetei­ligungskla­usel für EU-Staaten sichert, die Probleme mit NGT-Pflanzen aus der zweiten Kategorie haben. „In meinen Augen ist es wichtig, den Mitgliedsl­ändern diese Möglichkei­t zu geben“, so Kemp.

Noch müssen die EU-Mitgliedst­aaten sich auf eine Verhandlun­gsposition einigen, um dann mit dem EU-Parlament einen definitive­n Kompromiss zu finden.

: Wer keine Gentechnik auf dem Teller will, soll diese auch im Supermarkt erkennen können. Tilly Metz, EU-Abgeordnet­e für Déi Gréng

 ?? Foto: Mohssen Assanimogh­addam/dpa ?? Gegner der NGT-Technik sprechen von einer Deregulier­ung der Gentechnik. Befürworte­r erhoffen sich dagegen Vorteile für Verbrauche­r und Landwirtsc­haft.
Foto: Mohssen Assanimogh­addam/dpa Gegner der NGT-Technik sprechen von einer Deregulier­ung der Gentechnik. Befürworte­r erhoffen sich dagegen Vorteile für Verbrauche­r und Landwirtsc­haft.

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