Macron gedenkt Opfer der Hamas im Namen der Nation
Frankreichs Präsident erinnert an die am 7. Oktober getöteten Landsleute. Für Diskussionen sorgt die Teilnahme der Linkspartei an der Zeremonie
Es gab keine Särge am Mittwoch im Innenhof des Pariser Invalidendoms. Stattdessen standen Mitglieder der Republikanischen Garde mit Fotos aufgereiht auf dem Kopfsteinpflaster. Bilder einer glücklichen Zeit, in der junge Menschen wie Avidan, Valentin oder Naomi leicht bekleidet in die Kamera lächelten. Am 7. Oktober hatte die Palästinenserorganisation Hamas mehr als 1.160 Menschen ermordet, darunter 42 Französinnen und Franzosen. „Es war sechs Uhr morgens und die Hamas begann das größte antisemitische Massaker unseres Jahrhunderts“, sagte Emmanuel Macron bei der Gedenkzeremonie für die Opfer. „Die Telefone unserer Kinder, die bis dahin die Freuden ihres Lebens gefilmt hatten, wurden zu schwarzen Boxen des Horrors“, erinnerte der Präsident an die Videos vom Musikfestival Nova, das die Hamas-Kämpfer in der Negev-Wüste überfielen. 364 Menschen starben.
Für die Toten erklang zu Beginn der Zeremonie das Kaddisch, das jüdische Totengebet, in einer Komposition von Maurice Ravel. Frankreich, das Land mit den meisten Opfern nach Israel, hatte lange mit der Würdigung gewartet. Macron wollte die Gespräche über eine Freilassung der restlichen Hamas-Geiseln nicht gefährden, von denen drei Franzosen immer noch in Gewalt der Palästinenserorganisation sind. Drei leere weiße Stühle erinnerten im Hof des Invalidendoms an sie. Sie standen im Block der Angehörigen, von denen ein Teil unter strengen Sicherheitsvorkehrungen am Vortag aus Israel eingeflogen worden war. Die meisten Opfer hatten neben der französischen auch die israelische Staatsbürgerschaft. Dennoch war die israelische Regierung nur mit dem Botschafter vertreten – Präsident Jitzchak Herzog war aus Termingründen nicht gekommen.
„Opfer des Terrorismus“
In seiner 20-minütigen Rede stellte Macron den Hamas-Terror in eine Reihe mit den islamistischen Anschlägen, deren Ziel Frankreich 2015 und 2016 mit den Attentaten auf den Konzertsaal Bataclan und die Strandpromenade in Nizza geworden war. „Die Leben, die wir heute ehren, endeten als Opfer eines Terrorismus, den wir in allen Formen bekämpfen“, sagte der Staatschef vor allem an die Adresse der Linkspartei La France Insoumise (LFI) gewandt, deren führende Mitglieder sich geweigert hatten, den Hamas-Angriff als Terrorismus zu qualifizieren.
Mehrere Opferfamilien hatten deshalb gefordert, die LFI-Vertreter von der Trauerfeier auszuschließen. Sie warfen der Partei von Jean-Luc Mélenchon vor, eine „sehr schwere Verantwortung an der Explosion des Judenhasses“zu tragen. Der ElyséePalast hatte aber auf den republikanischen Charakter der Zeremonie verwiesen, zu dem die Einladung aller Abgeordneten gehöre. LFI-Fraktionschefin Mathilde Panot und drei weitere Abgeordnete wurden nach der Zeremonie ausgebuht.
Seit dem Hamas-Angriff und dem darauffolgenden israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen hatten die antisemitischen Taten in Frankreich, dem Land mit der größten jüdischen Gemeinde Europas, stark zugenommen. In den drei Monaten nach dem Überfall seien genau so viele antisemitische Akte gezählt worden wie in den drei Jahren davor, sagte der Präsident des jüdischen Dachverbands Crif, Yonathan Arfi. Im November hatten sich rund 100.000 Menschen in Paris zu einem Marsch gegen Antisemitismus versammelt, dem die LFI-Vertreter fernblieben. Auch Macron nahm nicht daran teil, was von vielen kritisiert wurde. „Der Platz eines Präsidenten ist nicht bei einem Marsch“, verteidigte er sich damals.
Die meisten französischen Opfer der Hamas waren noch sehr jung. Die Mutter des in Montpellier geborenen Valentin Ghnassia berichtete in der Zeitung „Le Figaro“, wie ihr 22jähriger Sohn aus Empörung über den französischen Antisemitismus nach Israel gegangen sei. Er schloss sich der israelischen Armee an und wurde beim Angriff auf den Kibbuz Beeri erschossen. Frankreich werde ihn und die anderen Opfer nicht vergessen, versprach Macron.