Wie Alex H. aus Strassen den „Rassenkrieg“vorbereitet haben soll
Die Staatsanwaltschaft will den heute 22-Jährigen wegen mutmaßlicher Terrorpläne anklagen. Im Wohnhaus seines Vaters stellte er Sprengstoff her
Morgens begleitet Alexanders Vater seinen Sohn mit dem Hund zur Haltestelle, dann fährt der Jugendliche von Strassen aus mit dem Bus zur Europaschule in Kirchberg. Mathematik, Physik, Geschichte und Chemie sind seine Hauptfächer. In seiner Freizeit zockt er am Computer und ist Mitglied des Hesperinger Sportschützenvereins. Auf den ersten Blick führt der Teenager ein ganz normales Leben. Er wohnt bei seinem Vater, in den Schulferien besucht er seine Mutter, die in Schweden lebt. Doch der Schein trügt. Alexander H. hat sich im Internet radikalisiert, ist aktives Mitglied eines internationalen rechtsextremen Terrornetzwerks und strebt die Errichtung eines weißen Ethnostaates an.
Am späten Abend des 22. Februar 2020 nimmt ein Sondereinsatzkommando der Luxemburger Polizei den damals 18-Jährigen fest. Wenige Minuten vor Mitternacht wird er ein erstes Mal von der Kriminalpolizei verhört. Die nächsten acht Monate verbringt er in Untersuchungshaft, bevor er unter Auflagen auf freien Fuß gesetzt wird. Die Ermittlungen in dem Fall sind fast vier Jahre nach der Verhaftung längst abgeschlossen. Wie die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage mitteilt, will die Strafverfolgungsbehörde den heute 22-Jährigen unter anderem wegen Verstößen gegen fünf Artikel der Terrorgesetzgebung vor Gericht bringen.
Dem jungen Mann wird nicht nur die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Alexander soll weitere Personen rekrutiert, ausgebildet und angestiftet haben. Auch wird ihm die Vorbereitung von Anschlägen vorgeworfen. Weitere Einzelheiten zu den Vorwürfen nennt die Staatsanwaltschaft nicht. Wann und ob es zu einem Prozess kommt, steht noch nicht fest. Darüber muss noch eine richterliche Ratskammer befinden.
„Die meisten meiner Fähigkeiten drehen sich um Chemie“
Dem „Luxemburger Wort“liegen schwedische Ermittlungsakten aus einem anderen Strafverfahren vor, die einen detaillierten Einblick in die Aktivitäten des jungen Mannes in Luxemburg geben. Im Haus seines Vaters in Strassen stellte der Mann in einem behelfsmäßigen Chemielabor Sprengstoff her. Bei der Hausdurchsuchung im Februar 2020 stellten Ermittler neben Ausgangsstoffen für Sprengstoffe auch Nitroglyzerin und Überreste des auch von islamistischen Terroristen verwendeten Sprengstoffs TATP sicher. Einige der Materialien wurden LW-Informationen nach von den Experten als zu gefährlich für den Transport eingestuft. Sie wurden vor Ort unschädlich gemacht.
Bei der Herstellung der Sprengstoffe filmt sich Alexander H. selbst. Auf einer Meme-Seite namens „Ifunny“veröffentlicht er Bauanleitungen. „Konzentrieren von Wasserstoffperoxid zur späteren Verwendung in Sprengstoffen“, steht auf Englisch unter einem der Beiträge. Eine Hand mit erhobenem Daumen ist vor einem Glasbehälter zu sehen, der mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt ist.
In einem heimlich mitgeschnittenen Vorgespräch mit Führungsfiguren des rechtsextremen Netzwerks „The Base“verkauft sich der damals noch minderjährige Alexander als wertvolles potenzielles Mitglied. „Ich denke, die meisten meiner Fähigkeiten drehen sich um Chemie“, wird der junge Mann bereits Ende 2020 auf Englisch in einem Artikel der kanadischen Nachrichtenseite Vice-News zitiert, der es gelungen war, die Aufnahme des Gesprächs zu erhalten. „Ich habe sie mir größtenteils selbst angeeignet, zumindest die, von denen ich glaube, dass sie nützlich sein können.“Später soll der damals 17-Jährige konkreter geworden sein: „Chemie lässt sich in solchen Situationen ziemlich gut einsetzen. Ich bin mir sicher, dass du verschiedene lustige Möglichkeiten kennst, wie zum Beispiel Bomben.“
„Wir salutieren unseren Truppen“
Als Alexander H. dann im November 2019 offiziell Teil von „The Base“wird, hat er bereits einen ersten Anschlag verübt. Im Oktober 2019 hatte der junge Mann in Südschweden gemeinsam mit seinem besten, in Schweden lebenden Freund eine leer stehende Nerzfarm niedergebrannt. „The Green Brigade“reklamiert die Tat Anfang November für sich. „Wir salutieren unseren Truppen, die eine erfolgreiche Operation in Schweden durchgeführt haben“, postet die Gruppe Anfang November 2019 auf Telegram in englischer Sprache neben einem Video des Brandes. Auch Alexander H. veröffentlicht ein Video auf einer seiner „iFunny“-Seiten.
Die ökofaschistische Gruppe, der Alexander H. ebenfalls angehört, pflegt enge Verbindungen zum „The Base“-Netzwerk.
Bei Durchsuchungen in Strassen finden die Ermittler im Februar 2020 auch einen Flyer der ökofaschistischen Organisation im Besitz von Alexander H. Als Ökofaschismus werden Ideologien bezeichnet, die rechtsextremes Gedankengut mit radikalem Umweltschutz verbinden. Der Attentäter von Christchurch, der im März 2019 bei Anschlägen auf Moscheen in Neuseeland 51 Menschen tötete und mehr als 50 verletzte, bezeichnete sich selbst als Ökofaschist.
Unmittelbar nach dem Brand tappen die schwedischen Behörden im Dunkeln. Unter anderem in Luxemburg sichergestelltes Computermaterial und Kleidungsstücke liefern den schwedischen Ermittlern dann entscheidende Beweise, um Alexander H. als
Täter zu überführen. Auch in Schweden kommt es zu Hausdurchsuchungen.
Die Ermittlungen zum Brandanschlag werden vom schwedischen Nachrichtendienst Säkerhetspolisen geführt. Im Prozess legt die Staatsanwaltschaft unter anderem Fotos von Alexander H. in SS-Uniform vor. Andere beschlagnahmte Fotos zeigen ihn und seinen Komplizen mit einer Waffe. Darunter ist eine Aufschrift zu lesen, die zum Mord an dunkelhäutigen Menschen aufruft.
Das Bezirksgericht in Nacka, südlich von Stockholm, verurteilt die beiden Männer Ende Januar 2021 zu Bewährungsstrafen. Die Hintergründe der Tat werden vom Gericht als politisch und ideologisch eingestuft. Alexander H. sei die treibende Kraft hinter der Tat gewesen. Die Ermittlungen hatten auch Hinweise auf geplante Anschläge auf eine schwedische Richterin und eine Frauenklinik ergeben. Diese Pläne waren jedoch mangels Beweisen nicht zur Anklage gebracht worden.
Alexander H. plant Terrortrainingslager
Ende 2019 wird eine US-amerikanische Zelle des „The Base“-Netzwerks von einem Agenten des FBI infiltriert. Im Januar 2020 werden mehrere Mitglieder der Terrorgruppe festgenommen. Damit vereiteln die Strafverfolgungsbehörden nach eigenen Angaben zwei geplante Anschläge. Das bei dem Zugriff sichergestellte Material dürfte auch wichtige Hinweise auf die Aktivitäten von Alexander H. geliefert haben.
Einzelheiten über konkrete Anschlagspläne des Schülers in Luxemburg oder im Ausland liegen dem LW nicht vor. Da die Staatsanwaltschaft den Mann wegen der
Vorbereitung von Terrorakten anklagen will, müssten die Ermittlungen dafür eindeutige Hinweise geliefert haben. Einen Monat vor seiner Verhaftung im Februar 2020 beginnen sich derweil, andere Pläne von Alexander H. zu konkretisieren. Auf einem abgelegenen Grundstück seines Vaters im schwedischen Halland will er binnen eines Jahres ein Ausbildungslager für die Terroristen von „The Base“und „Green Brigade“organisieren. Alexander selbst will den Teilnehmern den Umgang mit Waffen beibringen. Einen entsprechenden Waffenschein soll der junge Mann nach LW-Informationen angestrebt haben.
Auch sein Wissen über Sprengstoffe will er weitergeben, wie er in einem anderen Zusammenhang an ein Mitglied der Terrororganisation schreibt. „Ich habe an der Konzentrierung von Schwefelsäure für die Verwendung bei Nitrationen gearbeitet, sodass ich bis dahin hoffentlich ein paar lustige Sachen bereit haben werde.“
Laut den dem LW vorliegenden Chatprotokollen sollen Anfang 2020 in Europa sieben Personen Teil des „The Base“Netzwerks gewesen sein. Im Oktober 2020 wurden zwei mutmaßliche Mitglieder der terroristischen Vereinigung in den Niederlanden festgenommen.
Dem heute 22-jährigen Alexander H. droht im Falle einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von maximal 15 Jahren. Das Bezirksgericht könnte allerdings strafmildernde Umstände berücksichtigen. Immerhin soll der junge Mann den Großteil der Taten als Minderjähriger begangen haben. Der Anwalt des Mannes wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Eine schriftliche Anfrage des LW blieb unbeantwortet. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.