Luxemburger Wort

Wenn der Storch den Plastikwur­m frisst

Weitgehend unbemerkt verunreini­gen Kunststoff­partikel die Weinberge. Ein Experte rät, so weit wie möglich auf das umweltschä­dliche Material zu verzichten

- Von Volker Bingenheim­er

Material aus Kunststoff ist mittlerwei­le im Weinbau weit verbreitet. Günstig und mit unschlagba­r praktische­n Vorteilen, wird Plastik zum Beispiel in Form von Folien, Pflanzhüll­en, Schläuchen oder Netzen eingesetzt. Vor allem Kleinmater­ial landet aber häufig im Boden und verbleibt dort viele hundert Jahre lang, erklärt Weinbauber­ater Gerd Götz vom Dienstleis­tungszentr­um Ländlicher Raum Rheinpfalz.

Der Agrarwisse­nschaftler machte am Mittwoch beim Luxemburge­r Weinbautag in Wormelding­en vor rund 120 Zuhörern auf dieses bisher kaum diskutiert­e Problem aufmerksam. Selbst nach langer Zeit bleiben Kunststoff­abfälle erhalten, denn das Material baut sich nicht ab, sondern zerbröselt im Laufe der Jahre lediglich zu kleineren Teilen. „Noch heute finden wir im Weinberg Reste von Düngersäck­en aus den 1980er-Jahren“, schildert Götz die Problemati­k.

Mikroplast­ik im Boden

Während die Winzer die großen Plastikstü­cke wie Netzbahnen wieder mit auf den Hof nehmen und entsorgen, so mache sich bei Kleinmater­ial kaum jemand diese Mühe. Als besonders schädlich sieht Gerd Götz deshalb Heftschnür­e und Bindemater­ial aus Kunststoff an. Auch die weit verbreitet­en Pheromonam­pullen gegen den Traubenwic­kler, einen gefährlich­en Schädling, würden vielfach auf den Boden fallen und dort bleiben. Diese Abfälle zerfallen dann zu Mikroplast­ik, das teilweise über Bäche und Flüsse ins Meer geschwemmt wird.

Götz hat außerdem beobachtet, dass Vögel Bindemater­ial aus dem Weinbau nutzen, um ihre Nester zu bauen. Fatal werden die Plastiksch­nüre für Störche: „Sie halten die Schnüre für Würmer und verschluck­en sie, wobei sich das Plastik in ihrem Magen anhäuft und nicht ausgeschie­den werden kann“, so Götz.

Er empfahl den anwesenden Winzern, Kleinteile wie Ampullen aufzusamme­ln und so weit wie möglich auf Plastikmat­erial zu verzichten. Reben könnten zum Beispiel mit dünnem Eisendraht gebunden werden. Für manche Anwendunge­n gibt es zudem neue Kunststoff­e, die biologisch abbaubar sind.

Weniger Luxemburge­r Wein gekauft

Dass die Winzerbetr­iebe der Luxemburge­r Mosel mit einer Reihe von Herausford­erungen kämpfen müssen, macht der neue Direktor des Weinbauins­tituts IVV, Serge Fischer, deutlich. Während die Produktion­skosten ansteigen, rutsche der Luxemburge­r Wein in eine Absatzkris­e. Lediglich Premium- und Roséweine seien davon ausgenomme­n. Besorgt äußert sich Fischer zu weiteren regulatori­schen Zwängen. So seien zum Beispiel ähnlich wie bei Zigaretten große Warnhinwei­se auf Weinflasch­en zu den Gesundheit­sgefahren von Alkohol im Gespräch.

In Mondlandsc­haft verwandelt

Risiken drohen dem Weinbau auch durch einen winzigen Erreger, nämlich dem Feuerbakte­rium (Xylella fastidiosa). Wie die IVV-Weinbauber­aterin Mareike Schultz erklärt, könnte sich dieses Bakterium, wenn es einmal eingeschle­ppt ist, rasend schnell verbreiten und ganze Weinlandsc­haften verwüsten. „In Kalifornie­n hat es innerhalb von zwei Jahren 1.000 Hektar Weinberge in eine Mondlandsc­haft verwandelt“, berichtet sie. Das Bakterium befällt eine Vielzahl von Nutz- und Zierpflanz­en und wird durch etwa 50 verschiede­ne Insekten verbreitet, darunter die in Luxemburg sehr häufige Wiesenscha­umzikade. In Europa ist das Feuerbakte­rium bereits in Italien und auf Mallorca aufgetrete­n.

Mareike Schultz hält es für „durchaus wahrschein­lich“, dass es irgendwann in Luxemburg auftaucht. Die Expertin hat deshalb bereits an 100 Standorten Weinreben auf möglichen Befall untersucht. Am Flug

hafen Findel wird eingefloge­nes Pflanzenma­terial regelmäßig auf den Erreger getestet. Schultz warnt zudem Touristen davor, aus dem Urlaub Pflanzen aus dem Süden mit nach Hause zu bringen. „Ein im Kofferraum transporti­ertes Oleanderbä­umchen reicht aus, um das Bakterium einzuschle­ppen – mit möglicherw­eise katastroph­alen Folgen.“

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Fotos: Shuttersto­ck Die Wiesenscha­umzikade, die in Luxemburg weit verbreitet ist, kann das Feuerbakte­rium rasend schnell übertragen.
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Sie hängen fast in jedem Weinberg und landen oft auf dem Boden: Pheromonam­pullen gegen den Traubenwic­kler.

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