Sind die Banken an der Immobilienkrise schuld?
Warum Luxemburg günstiger bauen und Baugrundstücke freigeben muss – und es alternativer Finanzierungsmodelle zum Hypothekenkredit bedarf
„Die Welt, die in den letzten Jahren für Immobilieninvestoren geschaffen wurde, war nicht die allerbeste“, sagt Jean-Paul Scheuren, Präsident der Chambre Immobilière.
Erst hatte der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass sich die Investoren aus dem Markt zurückzogen, weil man in ihnen die Urheber der stetigen Preisanstiege auf dem Luxemburger Immobilienmarkt sah. Jetzt erkennt man, dass man Investoren braucht, und die Ursache für die Preisentwicklung vielleicht viel simpler ist: Es gibt nicht genug Wohnangebot für die wachsende Bevölkerung des Landes. Angesichts der Bevölkerungsentwicklung in den vergangenen Jahren besteht theoretisch Bedarf an 6.180 neuen Wohnungen pro Jahr.
Mit der Pandemie sah es noch so aus, als würden fortan Mitarbeiter überwiegend oder doch zum großen Teil im Homeoffice arbeiten. Es wurde prognostiziert, dass der Büroleerstand zunehme und weniger Gewerbeflächen gebraucht würden. Das hat sich aber nicht bestätigt.
Zwar hat auch in Luxemburg der Büroleerstand laut neusten Daten des Immobiliendienstleisters Jones Lang LaSalle (JLL) leicht auf 53.078 Quadratmeter zugenommen. Doch davon, dass nun signifikant Büroflächen in Wohnflächen umgewandelt würden, kann nicht die Rede sein. „Da 95 Prozent der Dienstleistungsgebäude in Luxemburg belegt sind, sind die Möglichkeiten für eine Umwandlung in Wohnraum kurz- oder mittelfristig sehr begrenzt“, teilt JLL dazu mit. Zwar sei zu beobachten, dass Unternehmen bei Umzügen oft ihre Flächen verkleinern. Da viele Arbeitnehmer in Luxemburg aber Grenzgänger sind, die nicht unbeschränkt Telearbeit machen können, sei nicht zu erwarten, dass der Bedarf an hybriden Arbeitsplätzen stark zurückgehe. In der Praxis wäre das auch nur schwer zu verwirklichen: Bürogebäude werden eben anders konzipiert als Immobilien, die zu Wohnzwecken geplant und gebaut werden.
Die Politik lenkt um
„Die jetzt beschlossenen Kriseninstrumente der Regierung helfen uns aus einem Loch heraus“, meint Scheuren, „aber dann bedarf es auch anderer Maßnahmen, damit die Wohnungen gebaut werden, die gebraucht werden.“
Gilles Hempel, Direktor der Fondation pour l’Accès au Logement und der Agence Immobilière Sociale Fondation, gibt zu bedenken: Auch wenn Anleger jetzt wieder in den Luxemburger Immobilienmarkt investieren wollen – das Geld ist teurer geworden. Das Geschäftsmodell von früher funktioniert deswegen nicht mehr so ohne weiteres. Aus diesem Grund glaubt Hempel, dass sich jetzt für Immobilieninvestitionen – die ja stets langfristige Investitionen sind – Anleger das Kapital nicht mehr leihen, sondern nur das investiert wird, was man „auf der hohen Kante“oder vielleicht in Aktien angelegt hat.
Wer heute einen Baukredit abschließt, muss Zinsen zahlen, die gut dreieinhalbmal so hoch sind wie noch im Frühjahr 2022. Gestiegene Kreditkosten haben die lange florierende Baukonjunktur abgewürgt, und nachdem mehrere Baufirmen Entlassungen oder Konkurs anmeldeten, erhielt die Branche den „Krisenstatus“.
„An dem ganzen Schlamassel tragen die Banken eine Mitschuld“, sagt ein Immobilienbesitzer und -investor, der namentlich nicht genannt werden möchte. Er begrün
Wir haben Einen gut in die Fresse bekommen und gesehen, dass es so nicht weitergehen kann. Jean-Paul Scheuren, Präsident der Chambre Immobilière
det: Er besitze ein Haus und eine Wohnung und wolle ein in Bau befindliches Apartment kaufen. Für einen Teil der Kaufsumme brauche er einen Zwischenkredit, bekomme aber keinen.
So musste er sich von dem Projekt zurückziehen, und der Bauträger, in diesem Fall Stugalux, bleibt bis auf Weiteres auf der Wohnung sitzen, da es derzeit niemanden sonst gibt, der kaufen will. „Wenn niemand kaufen kann, kann niemand verkaufen“, sagt er. Also muss das Bauunternehmen Mitarbeiter entlassen.
„Banken vergeben keine Baukredite mehr…“
Es stimmt: Nicht nur die Zinsen sind gestiegen, auch die Konditionen, um einen Kredit zu erhalten. Die Banken vergeben derzeit deutlich weniger Immobilienkredite wie früher. Damit soll auch vermieden werden, dass die Zahl der Kreditnehmer, die ihre Darlehen nicht zurückzahlen können, steigt. Ein europaweites Phänomen.
Claude Hirtzig, Head of Retail Banking der Spuerkeess, erklärt dazu, der Prozess der Kreditablehnung sei bei seinem Haus stabil geblieben. „Bei Spuerkeess sind wir stets bestrebt, personalisierte Lösungen für unsere betroffenen Kunden zu finden, um ihnen bei der Verbesserung ihrer Kreditwürdigkeit zu helfen.“Banque Raiffeisen teilt mit, dass sie sich der gegenwärtigen Schwierigkeiten in der Bau- und Immobilienbranche bewusst sei und keine einschränkende Politik bei der Kreditvergabe und der Finanzierung von Immobilien verfolge.
„Die Banken haben natürlich gewisse Regeln einzuhalten“, sagt Chambre Immobilière-Präsident Jean-Paul Scheuren. Die meisten Kreditanträge beantworteten ihm zufolge die Banken darum letztes Jahr negativ.
„Vielleicht waren die Banken in den letzten Jahren etwas zu leichtfertig bei der Kreditvergabe und jetzt schlägt das Pendel auf die andere Seite aus“, überlegt Scheuren. Es fange aber an, sich zu verbessern, meint er.
Was die jüngst beschlossenen politischen Maßnahmen betrifft, so haben sie bislang aber nicht dazu beigetragen, dass die Bautätigkeit zunimmt. „Nun müssen den Worten Taten folgen“, sagt Scheuren denn auch, der hinzufügt, dass ebenso Prozeduren vereinfacht werden müssten: „Das würde alles beschleunigen und einfacher machen.“
Für Scheuren gibt es einige Lehren, die man aus der Krise ziehen kann, etwa anders und günstiger bauen, zum Beispiel vorgefertigt. „Wir haben Einen gut in die Fresse bekommen und gesehen, dass es so nicht weitergehen kann“, so Scheuren. „Wir müssen Grundstückbesitzer dazu bewegen, dass auf ihren Grundstücken Wohnraum entsteht, und wir brauchen auch alternative Finanzierungsmodelle zum üblichen Hypothekendarlehen.“Möglich seien Mietpachtverträge oder ein Modell, bei dem man baut, und das Grundstück erst später kauft.
Wird die Strafsteuer Entlastung bringen?
Laut einer Studie des Luxembourg Institute of Socio-Economic Research (Liser) in Zusammenarbeit mit dem Observatoire de l‘Habitat ist der Anstieg der Wohnungspreise in Luxemburg hauptsächlich auf das Bauland zurückzuführen. Ein Problem, dass die Politik bislang nicht angegangen ist: Jede der 102 Gemeinden im Land hat eigene Bebauungspläne und ein anderes Bautenreglement. Das müsse sich ändern, so sieht es auch Gilles Hempel von der Agence Immobilière Sociale Fondation.
Das vielfältige, jüngst von der Regierung beschossene Maßnahmenpaket sei im Moment gerechtfertigt, sagt er, und werde wohl auch wieder Investoren auf den Markt bringen. Hempel findet dennoch wichtig, dass vor allem Privatleute kaufen und hofft, dass der soziale Wohnungsbau den nötigen Schub erhält. „Bis jetzt herrscht Stillstand, viele Architekten und Promotoren von noch nicht fertiggestellter Immobilien suchen Käufer.“
Weil zu den höheren Kreditkosten auch höhere Kosten für Baumaterialien und höhere Energiepreise kommen, steigen auch die Mieten – viele haben ihre Pläne zu einem Eigenheim erstmal liegenlassen. Weil diese Menschen jetzt nicht nur vorübergehend mieten, um bald eine Immobilie zu kaufen, so wie das vorher meist der Fall war, „verstopfen“sie jetzt den Mietmarkt, was wiederum die Mietpreise ankurbelt.
Die Verkaufspreise für bestehende und neue Wohnungen sowie für Bauland haben sich zwischen 2010 und 2022 mehr als verdoppelt.
Geschätzt wird, dass der Anteil der leer stehenden Wohnungen im gesamten Land bei sechs Prozent liegt, was insgesamt 15.000 Objekten entsprechen würde. Das würde den Bedarf von mehr als zwei Jahren decken. Die Gemeinden sind befugt, eine jährliche Sondersteuer auf leer stehende oder ungenutzte Immobilien sowie auf unbebautes bebaubares Land zu erheben, ohne davon Gebrauch zu machen. Diese Steuer soll Eigentümer dazu anhalten, ihre Immobilien zu verkaufen oder zu vermieten oder auf ihren Grundstücken Wohnungen zu errichten.
Um Eigentümer dazu anzuhalten, ihre Immobilien zu verkaufen oder zu vermieten oder auf ihren Grundstücken Wohnungen zu errichten, wurde Ende 2022 auch der Gesetzesvorhaben 8082 über die Grundsteuer, die Steuer auf die Mobilisierung von Baugrundstücken und die Steuer auf den Leerstand von Wohnungen auf den Weg gebracht. Das Gesetzesprojekt wartet noch auf die Abstimmung in der Chamber.
Die Eigentümer von Wohngrundstücken sind überwiegend Privatpersonen (64 Prozent) und Unternehmen (19 Prozent). Bis zu 161.500 Wohnungen könnten auf den für den Wohnungsbau vorgesehenen Grundstücken gebaut werden.